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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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eine hohe Kunst beherrschte, die ihnen soviel an Respekt abnötigte, dass sie damit<br />

leben konnten, wenn ihre Bekannten es mit <strong>Faust</strong> hielten.<br />

Und auch Prior Leib, der kein Freund der Astrologie war, hatte mit Menschen zu tun,<br />

für die der Astrologe <strong>Faust</strong> durchaus kein Unbekannter war; gemeinsam mit Stibar und<br />

Moritz von Hutten war er über Jahre hinweg als Kirchendiplomat unterwegs.<br />

Kilian Leib war als Visitator der Windshe<strong>im</strong>er Kongregation für Gabriel von Eyb, den<br />

Fürstbischof von Eichstätt, ein wichtiger Ansprechpartner, auch waren sie befreundet.<br />

Die Gespräche an Eybs Tafel fanden breiten Eingang in Leibs Tagebücher. Als<br />

Gabriel von Eyb verstirbt, folgt 1539 Moritz von Hutten <strong>im</strong> Amt, zu einem Zeitpunkt, da<br />

auch er schon längst mit dem Prior freundschaftlich verbunden war; Moritz von Hutten<br />

hatte seine Laufbahn <strong>im</strong> Jahr 1512 als Kanonikus <strong>im</strong> Kloster Eichstätt begonnen.<br />

Daniel Stibar wiederum, über seine Großmutter übrigens weitläufig mit Weigand von<br />

Redwitz, dem Nachfolger <strong>des</strong> Fürstbischofs Georg III. von Bamberg, verwandt, erhielt<br />

seine erste Pfründe als Domizellar <strong>des</strong> Würzburger Domkapitels <strong>im</strong> Jahr 1517. In<br />

seiner Tätigkeit als Jurist und Kirchendiplomat folgten als Besoldung rasch weitere<br />

Pfründen, er wurde Domherr in Bamberg, Eichstätt und Würzburg.<br />

Die Selbstverständlichkeit mit der Philipp von Hutten von <strong>Faust</strong> schreibt, lässt den<br />

Schluss zu, dass auch der Empfänger <strong>des</strong> Schreibens, sein Bruder Moritz von Hutten,<br />

mit <strong>Faust</strong> bekannt war; wie auch anders, sowohl Philipp als auch Moritz von Hutten<br />

waren oft gemeinsam auf Stibars Hofgut zu Gast gewesen. Verständlich, dass Philipp<br />

in seinem Schreiben aus Übersee vom 16. Januar 1540 seinem Bruder Moritz aufträgt:<br />

„Bitt euch wollet Hernn Daniel Stieber mein Dienst sagen.“ – ein Freundschaftsgruß an<br />

den Domherrn und <strong>Faust</strong>-Freund Stibar.<br />

Und <strong>im</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us“-Brief vom 13. August 1536 fragt Camerarius bei Stibar nicht<br />

nur an, was <strong>Faust</strong> über den Kriegsausgang in den Sternen liest, er will auch wissen:<br />

„Wo ist denn unser lieber Hutten? Er wollte sich doch als mein Begleiter beigesellen.“<br />

Herzliche Formulierungen, sie belegen wie eng die Gebildeten unter den Katholiken<br />

und den Protestanten sich in diesen Jahrzehnten noch verbunden fühlten, während<br />

ringsum Zwist und Hader wucherten.<br />

Freilich ist es nicht allein die zu vermutende hohe Kunst <strong>Faust</strong>s, die Prior Leib, den<br />

katholischen Unterhändler, ein Auge zudrücken lässt, wenn es um die Begeisterung<br />

seiner Bekannten für die Astrologie, freilich auch für Visionen und die Deutung von<br />

H<strong>im</strong>melszeichen geht. Prior Leib hat gute Gründe die Sternengläubigkeit seiner<br />

Bekannten zu tolerieren. Denn Stibar pflegt einen Briefverkehr mit Camerarius, der an<br />

Intensität dem Briefverkehr zwischen Camerarius und Melanchthon wenig nachsteht.<br />

Mit Camerarius herzlich verbunden zu sein, bedeutet zu wissen, was Camerarius<br />

wiederum durch Melanchthon weiß. Und Melanchthon ist in seinen Briefen derart<br />

offenherzig, dass ihn Camerarius zur Vorsicht bei allzu fre<strong>im</strong>ütigen schriftlichen<br />

Äußerungen mahnt; wie Melanchthons Antwortschreiben vom 9. Aug. 1532(?) zu<br />

entnehmen, ein fruchtloses Ansinnen. Von daher weiß Camerarius Bescheid über die<br />

Internas der Universität von Wittenberg, über die Differenzen der protestantischen<br />

Fürsten untereinander, über die Querelen der Protestanten in Fragen der<br />

Glaubensauslegung und <strong>des</strong> Kirchendienstes. Camerarius kennt Melanchthons Kritik<br />

am Schmalkaldischen Bund, <strong>des</strong>sen Einschätzung der päpstlichen Politik, <strong>des</strong>sen<br />

Analysen der jeweiligen religions-politischen Lage, er weiß, welche Fäden<br />

Melanchthon in seiner Begeisterung für kirchliche Reformen zum französischen König<br />

spinnt – ein Eingriff in kaiserliche Rechte, dazu ein gefährliches Spiel mit außenpolitischem<br />

Feuer. Auch ist ihm bekannt, was Melanchthon von seinem eigenen<br />

Lan<strong>des</strong>herrn hält; Melanchthon zeiht den Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen der<br />

Tyrannei und der Unfähigkeit.<br />

Camerarius wusste weit mehr, als was „Melanchthons Briefwechsel“ uns heute verrät.<br />

Nicht allein <strong>des</strong>halb, weil „MBW“ nur noch ein Torso ist, in den Briefen findet sich<br />

zudem der häufige Hinweis, dass dem Überbringer <strong>des</strong> Schreibens eine mündliche<br />

Botschaft aufgetragen ist, bzw.: „alles weitere dann mündlich.“<br />

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