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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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sich das vor – mitten in der Nacht hatte das Bocke Madel Holz aus der Scheune<br />

geholt.<br />

Die Knittlinger selbst, und auch die Einwohner der umliegenden Dörfer, deckten<br />

offenbar <strong>Faust</strong>s „Hexenküche“. Angenommen – nichts spricht dagegen – das Bocke<br />

Madel war eine erfolgreiche „Ärztin, Heilerin, oder auch Hexe“, die Begriffe verschw<strong>im</strong>men<br />

hier zwangsläufig, da sie für <strong>Faust</strong> arbeitete, musste <strong>Faust</strong> noch viel mehr<br />

von diesen Künsten verstehen.<br />

Man sah es auch gleich, <strong>Faust</strong> trug feste Stiefel, einen schönen Mantel; kein Zweifel er<br />

war ein Mann, der seine „Kunst“ verstand, den man besser mit Respekt behandelte.<br />

Zu seiner Kunst gehörte es insbesondere – die Quellentexte erzählen nichts anderes –<br />

stets zu wissen, was er sich in der jeweiligen Situation herausnehmen durfte.<br />

Hatte er Bauern vor sich, lärmte er ungeniert, hatte er mit dem Bischof von Bamberg<br />

zu tun, wusste er sich offenbar zu benehmen.<br />

Von daher darf man ihm unterstellen, dass er genau wusste, warum er das Bocke<br />

Madel engagierte. Das Bocke Madel schützte ihn. Sie hatte <strong>im</strong> Lauf der Jahre viele<br />

Krankheitsfälle behandelt, und es gab wohl nur wenige in Knittlingen, die sie noch<br />

nicht behandelt hatte. Falls jemand die Lust ankommen sollte, ihn zu verleumden, gar<br />

einen Hexerprozess loszutreten, indem er so Sachen behauptete, sein Pferd sei<br />

gestürzt, <strong>Faust</strong> habe ihn am Tag zuvor so „merkwürdig angesehen“ oder ihn auch<br />

„scharf angeblasen“, <strong>Faust</strong> habe wahrscheinlich Schadzauber geübt, derjenige<br />

unterdrückte besser seinen Drang, sich wichtig zu machen, nicht dass er selbst am<br />

Ende auf der Streckbank lag und wegen Hexerei „befragt“ wurde. So „eindeutig“ eine<br />

allgemeine Klageerhebung nach einem Hagelschlag war, die Anzeige eines Einzelnen<br />

konnte, abhängig vom Richter, den Kläger selbst in die Bredouille bringen. Und wer<br />

<strong>Faust</strong> beschuldigte, lenkte zwangsläufig das Interesse auf das Bocke Madel, und über<br />

das Bocke Madel führte die Spur in viele Häuser. Gar nicht auszudenken, was das<br />

Bocke Madel alles gestehen würde, was sie in den einzelnen Häusern angestellt hatte.<br />

Gar nicht einzuschätzen, wie der Richter auf das Gehörte reagierte und erst, wie das<br />

so wäre, wenn man dann selbst befragt wurde. Wenn man bei manchen Fragen rein<br />

gar nicht mehr wusste, wie man antworten sollte.<br />

Zur Abwehr <strong>des</strong> Bösen trug man ein Beutelchen mit Kräutern, ein Amulett auf der<br />

Brust. In jeder Behausung gab es Ritzen, in denen Zettel steckten, mit Sprüchen zur<br />

Abwehr von Unwetter, von Feuer, gegen den Schadzauber böser Mitmenschen. Auch<br />

wenn das alles gang und gäbe war und obendrein erlaubt, doch allein sich die Fragen<br />

auszumalen, welche Art von Kräuter man <strong>im</strong> Brustbeutelchen trage und warum denn<br />

ausgerechnet diese, es konnte einen schon ziemlich nervös machen. Erst recht wenn<br />

der gestrenge Herr vielleicht wissen wollte, warum man sich vor Schadzauber fürchte,<br />

hoffentlich doch nicht <strong>des</strong>halb, weil man selbst bereits Schadzauber geübt habe.<br />

Und wer hatte noch nicht herum gezaubert? Dem Nachbarn noch keine Friedhofserde<br />

vor die Tür gestreut, noch keinen Ruß gegen <strong>des</strong>sen Haus geworfen. Einmal hatte<br />

man sogar versucht, den Viehhändler zu bannen: Mit einem bösen Blick zwischen<br />

<strong>des</strong>sen Augen, ganz fest auf die Nasenwurzel.<br />

Der Bruder <strong>des</strong> Humanisten Philipp Melanchthon, Georg Schwarzerd, ein schreibfreudiger<br />

Mensch und gleichsam unbestellter Chronist, hinterließ eine Aufzeichnung<br />

über die örtlichen Vorgänge be<strong>im</strong> Bauernaufstand von 1525 sowie eine Re<strong>im</strong>chronik<br />

von 1560. Ein anderer Bericht aus seiner Feder lässt zum Thema Hexenverfolgung<br />

interessante Schlussfolgerungen zu. Er beschreibt, wie Herzog Ulrich von Württenberg<br />

1504 den Ort Bretten belagert und dabei sein Heerlager bei Knittlingen am Steger See<br />

aufschlägt:<br />

„…begab es sich uff einen tag, dass ein solch ungestumb wint und wetter kame, dass<br />

meniglich erschrockens hette, dan der windt zerriß die sail, warff die zelten umb,<br />

pracht alle ding in uhnordnung, dass irer viel sich unglücks erwegen hetten. – Nuhn<br />

het man aber unlang davor etlich unhollen (Hexen, Unholde / Frau Holle, die Holde) zu<br />

Pretten verprant, dardurch ein erdicht geschrey endstundt, es weren viel unholden in<br />

der Statt, deßhalb die Wurttembergischen gemeinlich vermeinten, es hetten die<br />

unholden solch wetter uber sie zugericht, dass aber nitt wahr.“<br />

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