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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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mann bekannte Person, auf die der Redner übergangslos zugreifen konnte, von der<br />

zudem jedermann wusste, was er von ihr zu halten hatte. Anders gesagt, <strong>Faust</strong> war<br />

nicht allein bekannt wie der besagte „bunte Hund“, <strong>Faust</strong> war ein Begriff.<br />

Johannes Manlius ist der einzige Wittenberger, der uns über den Gewährsmann<br />

Melanchthon das seinerzeitige Gerede über <strong>Faust</strong> übermittelt. Manlius liefert mit den<br />

<strong>Faust</strong>-Exempeln das Bindeglied zwischen den Quellentexten und den lächerlich<br />

phantastischen Inhalten der „Historia“. Manlius lässt uns eine Entwicklung<br />

nachvollziehen.<br />

Dennoch bleibt der Manlius-Text für den heutigen Menschen ein schwieriger Erbfall.<br />

Nicht unbedingt wegen <strong>des</strong> Schwarzphantastischen, Manlius zitiert jedoch<br />

Melanchthon.<br />

Und Melanchthon war nicht nur ein gebildeter Kopf, gelegentlich wird er auch als<br />

„erster Kultusminister Deutschlands“ bezeichnet. Auf ihn gründet die Ausbildung an<br />

Gymnasien wie sie bis heute gepflegt wird.<br />

Unser Verstand weigert sich es zu begreifen: Wie ist es möglich, Latein und<br />

Griechisch perfekt zu beherrschen, Gymnasien einzurichten und gleichzeitig in Wort<br />

und Schrift die Teufelsglauberei zu nähren und die Hexenfeuer zu schüren?<br />

1585 wird Hermann Witekind zu Heidelberg die lange praktizierten katholischen Messrituale<br />

dafür verantwortlich machen, dass (trotz der breiten Hexenverfolgungen) das<br />

heidnische Brauchtum noch <strong>im</strong>mer so stark in den evangelischen Landstrichen sei; die<br />

Zauberei und die verschiedenen Segnungen der „pfaffen“ hätten viel gemeinsam<br />

gehabt.<br />

Was Witekind dabei übersah und sich auch heute in keinem Schulbuch mehr findet, ist<br />

der geradezu hinterhältig zu nennende Umstand, dass die bildungsstolzen Frühen<br />

Humanisten sich in ihrer Verehrung antiker Bildung auch mit neuem Aberglauben<br />

beladen hatten. In „Die Religion der Griechen“, 1895 abgedruckt in den Bayreuther<br />

Blättern, schreibt Rhode: „Plato zuerst, als Vorgänger vieler anderer (Heraklit,<br />

Xenophanes, Sokrates, Aristoteles), redet von einem ganzen Zwischenreich von<br />

Dämonen, denen alles zugetraut wird, was an Wirkungen unsichtbarer Mächte der<br />

hohen Götter unwürdig erscheint. So wird die Gottheit selbst alles Bösen und<br />

Niederziehenden entlastet.“<br />

Bildung allein schützt also weder vor alten Irrtümern, noch vor negativem Zeitgeist!<br />

Eine Delikatesse für sich ist die enge Verbindung zwischen Melanchthon und Luther.<br />

Dass Melanchthon in Bretten gebürtig war, es war Luther bekannt. Und wenn auch alle<br />

Welt nur noch von <strong>Faust</strong> als eben jenem <strong>Faust</strong> redete, es viele gar nicht mehr<br />

interessierte, wo <strong>Faust</strong> zu Hause war, letztlich wussten nicht wenige, selbst wenn es<br />

ohne Bedeutung war, <strong>Faust</strong> war ein Knittlinger. Nicht anders als heute, ein<br />

Illusionskünstler wie Uri Geller ist jedermann bekannt, seine Herkunft ist allerdings<br />

hinter den Namen zurückgetreten, und dennoch wissen genug Leute, aus welchem Ort<br />

er kommt.<br />

Man darf Luther wohl unterstellen, dass auch er von Knittlingen wusste, genauso wie<br />

er vermutlich wusste, dass es zu Bretten benachbart lag. Es muss einem Psychologen<br />

vorbehalten bleiben, der feinen Spannung nachzuspüren, die zwischen Luther und<br />

Melanchthon gelegentlich geknistert haben mag; Luther, Erzfeind aller Teufelsbündler,<br />

ihm zur Seite Melanchthon, eingeduftet mit dem Walle-Ruch von <strong>Faust</strong>s Knittlinger<br />

Hexenküche. So witzig und quellfrisch konnten <strong>Faust</strong>histörchen gar nicht sein, Luther,<br />

von Haus aus grob und mit zunehmenden Jahren <strong>im</strong>mer launischer, <strong>im</strong>mer schwerer<br />

zu haben, verstand in derartigen Angelegenheiten keinen Spaß. Die enge Zusammenarbeit<br />

mit Luther könnte für Melanchthon manchmal eine Art von Besenreiten gewesen<br />

sein und das über Jahrzehnte hinweg. Doch grundsätzlich wusste er sich mit Luther<br />

einig, nicht nur in der Ablehnung Roms, sondern auch über das Wirken <strong>des</strong> Teufels<br />

auf Erden. Das geistige Kl<strong>im</strong>a in Luthers Umgebung war eindeutig, es schlägt sich <strong>im</strong><br />

Manlius-Text nieder.<br />

Sodann in Martin Luthers Reden bei Tisch, nach 1530 bzw. <strong>im</strong> Juni / Juli 1537, einer<br />

der Indizientexte zum historischen <strong>Faust</strong>.<br />

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