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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Eine Alchemistenküche kann es in Knittlingen auf Grund der Enge innerhalb der Stadtmauern<br />

nicht gegeben haben. Ist es denkbar, dass <strong>Faust</strong> den Schrank als Teil <strong>des</strong><br />

Oratoriums, <strong>des</strong> Andachtsraums, einer aufgelösten Alchemistenküche erstand, ihn<br />

nach Knittlingen transportierte, und ihn bei der Herstellung eines gedachten<br />

„Allheilmittels“ nutzte? Um Gerätschaften und Substanzen, die er bei der Mischung<br />

verwendete, „energetisch aufzuladen und mit magischen Kräften zu beseelen“.<br />

Denn die äußere Form <strong>des</strong> Schranks, der Anspruch, der sich mit dieser Form<br />

verbindet, nicht zuletzt die aufgemalten Symbole, das alles „wirke“ nach Innen.<br />

Um 1980 hielten es genug Menschen für denkbar, dass Pyramiden durch ihre<br />

geometrische Form die in ihnen gelagerten Stoffe in ihrem natürlichen Verhalten<br />

verändern bzw. beeinflussen. Das ist – <strong>Faust</strong> lässt grüßen – Mittelalter pur! Das ist<br />

Metaphysik!<br />

Warum ein Hängeschrank? Er lässt an einen Tabernakel denken. Könnte das heißen,<br />

dass <strong>Faust</strong> nicht nur Gegenstände „aufgeladen“ hat, sondern auch Beschwörungen,<br />

Anrufungen und Rituale zelebrierte, um „Kräfte“ und „Geister“ herbei zu zwingen, weil<br />

er auf diese Weise entscheidende Vorgänge bei der Herstellung von Arzneien unterstützen<br />

und forcieren wollte?<br />

Wie <strong>Faust</strong> uns <strong>im</strong> Trithemiusbrief entgegen tritt, ist er nicht der Mensch, der sich über<br />

das notwendige Maß hinaus mit den traditionellen Prozeduren bei der Herstellung von<br />

Tinkturen und Essenzen aufhalten wird. Seine Natur lässt nicht zu, dass er sich mit<br />

Gleichlauf zufrieden gibt. Seine Natur zwingt ihn das Unmögliche zu finden, zu<br />

erzeugen, zu erzwingen. Für den Fall, dass dieser Schrank mit <strong>Faust</strong> zu tun hat, dann<br />

ist er ein deutlicher Fingerzeig, dass <strong>Faust</strong> etwas „Großartiges“ zustande bringen<br />

wollte.<br />

Wer den Schrank vergrub, ist nicht bekannt. Bleiben wir bei <strong>Faust</strong>.<br />

Der Ursachen für das Vergraben sind viele denkbar.<br />

Vielleicht hatte <strong>Faust</strong> sein Ziel erreicht, vielleicht auch resigniert und einen zumin<strong>des</strong>t<br />

vorläufigen Schlussstrich unter sein ehrgeiziges Vorhaben gezogen.<br />

Oder hatte <strong>Faust</strong> in Knittlingen gewisse Veränderungen bemerkt, die es ihm als ratsam<br />

erscheinen ließen, den Schrank verschwinden zu lassen. Der erforderliche Aufwand<br />

be<strong>im</strong> Einfetten sowie der Bau <strong>des</strong> Unterstands legen den Schluss nahe, der Schrank<br />

wurde nicht in einer Nacht- und Nebel-Aktion verbuddelt.<br />

Die mysteriösen Umstände der Amtsenthebung <strong>des</strong> Abtes Entenfuß <strong>im</strong> Jahr 1517, sofern<br />

<strong>Faust</strong> damit überhaupt zu tun hat, sind auf Grund <strong>des</strong> Zeitfensters, wie es sich aus<br />

der Verwendung <strong>des</strong> SAL in Verbindung mit den Lebensumständen <strong>des</strong> Paracelsus<br />

ergibt, eher auszuschließen.<br />

In Betracht kommen die aufständischen Bauern <strong>im</strong> Februar 1525. Sie besetzten das<br />

Kloster, Knittlingen selbst ließen sie unbehelligt, doch eventuell fürchtete <strong>Faust</strong>, dass<br />

die Situation sich weiter zuspitzen könnte.<br />

1528 werden in Knittlingen Lutheraner verhaftet. Beste Beweismittel waren lutherische<br />

Schriften. Sicherlich musste nahezu jedermann mit Hausdurchsuchungen rechnen.<br />

<strong>Faust</strong> war kein Lutheraner, doch eventuell behagte ihm diese „Hetz“ und Aufgeregtheit<br />

nicht. Er hielt unkalkulierbare Weiterungen für möglich.<br />

1530 fassen Wiedertäufer in der Landschaft Fuß. Sie lehnen den Eid und den<br />

Waffendienst ab, und unterliegen bereits seit 1528 durch kaiserliches Mandat der<br />

„höchsten straf <strong>des</strong> tods“.<br />

Selbst wenn wie <strong>im</strong> folgenden Fall das Urteil vergleichsweise gnädig ausfiel, wie<br />

entschieden diese Verfolgungen betrieben wurden, wird aus einer Aufzeichnung von<br />

1531 überaus deutlich.<br />

„Melchior Wüsthuff von Knittlingen und Anna Zirndörferin, seine Hausfrau, sind wohl in<br />

ihrer Jugend, so weit es ihnen als Laien zu ihrem Seelenheil nötig war, genugsam<br />

unterrichtet, aber durch verkehrte Ketzer und deren Büchlein, die unter dem Schein <strong>des</strong><br />

rechten christlichen Glaubens ausgegangen sind, verführt worden, dass sie nichts<br />

mehr auf die Taufe, so aus der Gnade Gottes durch das Verdienst <strong>des</strong> kostbaren<br />

Blutvergießens Christi unsers lieben Herrn den jungen Kindern zu Abwaschung der<br />

Erbsünde mitgeteilt wird, gehalten, sondern sich in ihrem Alter von neuem taufen ließen<br />

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