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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Dass ein Ortsname <strong>im</strong>mer anders klang, folglich <strong>im</strong>mer anders geschrieben wurde, ist<br />

dem heutigen Menschen schwer zu vermitteln, <strong>im</strong> Allgemeinen ist er mit der<br />

Rechtschreibung vertraut. Um das seinerzeitige Chaos der „Rechtschreibung“ zu<br />

begreifen, sei jedermann empfohlen, ein auf Arabisch geführtes Gespräch nach Gehör<br />

mitzuschreiben.<br />

So er dann noch die verschiedenen Dialekte bedenkt, wird er <strong>im</strong> vorliegenden Fall auch<br />

ein Cunchelinge oder ein Cnuddelingun akzeptieren.<br />

Die Welt <strong>des</strong> Schreibens in Deutschland, selbst noch <strong>im</strong> späten Mittelalter schrieb man<br />

nach Gehör. Ein guter Teil der Verwirrung ist sicher auch der Verwilderung der Buchstaben<br />

zuzuschreiben, es gab noch keine Normschrift.<br />

Eine schillernde Vielfalt von Schreibweisen, nicht allein bei einem klingenden Namen<br />

wie Knittlingen. Auch ein Wurstmacher, ein gewisser Hans Jakob Mordenfuess, hatte<br />

seine Alias; mal wird er „Norttenfuoss“ geschrieben, ein anderes Mal ist er als<br />

„Nordenfuss“ notiert. Und selbst ein Wörtchen wie „dass“, brauchte seine Freiheiten, es<br />

findet sich in den Schriften als „daz“, „das“ oder gänzlich abgemagert auch als „dz“.<br />

Abgesehen von der Problematik einer Orthographie nach Gehör, zu allem Überfluss<br />

gibt es verschiedene Orte gleichen Namens.<br />

Um festzustellen, um welchen Ort, der in einer Urkunde genannt wird, es sich definitiv<br />

handelt, dafür sind die begleitenden Aussagen der Urkunde bald wichtiger als der<br />

genannte Ort selbst.<br />

Der Umgang mit Ortsangaben in Briefen, Berichten und Urkunden ist eine knifflige<br />

Angelegenheit; dass obendrein seit jeher gern gefälscht wurde, macht die Sache<br />

gelegentlich spannend, aber gewiss nicht einfacher.<br />

*<br />

Der Mann aus dem Nebel<br />

„Aus alten Knittlinger Tagen erreicht uns die Kunde, dass <strong>Faust</strong> ein Gerlacher war und<br />

in der Tat wurden auf der einstigen Hofstelle der Gerlachs dann auch aufregende<br />

Funde …“ Derart wohlfeil eröffnend, könnte man einen Streifzug durch Knittlingen<br />

beginnen. Da es jedoch um <strong>Faust</strong> geht, funktioniert das selbstredend wieder nicht,<br />

mehr noch, sobald derart salbungsvolle, sensationslüsterne Formulierungen auf dem<br />

Bildschirm blühen, in Sachen „<strong>Faust</strong>“ sind sie ein verlässliches Warnsignal.<br />

1837 wurde auf einem Knittlinger Anwesen ein „Zauberschrank“ entdeckt. Es ist Teil<br />

der örtlichen Überlieferung, auf diesem Grundstück stand einst das Anwesen einer<br />

Familie Gerlach. Mit der Auffindung <strong>des</strong> Schranks avancierte das nachfolgende<br />

Gebäude, es wurde um 1840 errichtet, zum heutigen <strong>Faust</strong>haus. Nachdem in diesem<br />

Haus um 1922 / 23 auch ein „Zauberzettel“ zum Vorschein kam, wurde <strong>Faust</strong> mit<br />

diesem Anwesen verstärkt in Verbindung gebracht. Und prinzipiell spricht nichts<br />

dagegen, dass der kleine <strong>Faust</strong> auch auf dem Misthaufen der Gerlachers einst den<br />

Handstand probte. Einige <strong>Faust</strong>forscher gehen allerdings soweit, sie sind geneigt<br />

anzunehmen, <strong>Faust</strong> wäre der uneheliche Spross eines Gerlachers gewesen.<br />

Die Vermutung, so gewunden und literarisch garniert sie auch präsentiert wird, <strong>Faust</strong><br />

sei ein Gerlacher gewesen, beruht auf keiner Überlieferung, sie ist ein Produkt dürrer<br />

Faktenlage, ein Gespinst von Logeleien, das nach 1923 in Umlauf gesetzt wurde.<br />

Dass diese „Überlieferung“, zu harten Fakten geronnen, ihren Weg in Lexika gefunden<br />

hat, ist „eben wieder mal typisch <strong>Faust</strong>“. In „Neue Deutsche Biographie“, Alfred<br />

Zastrau, Bd. 5, 1961, findet sich <strong>Faust</strong>, umrahmt von seiner Gerlacher Verwandtschaft.<br />

Nun Knittlinger Überlieferungen einige Tröpfchen Gerlacher Blut abzupressen, hilft<br />

auch nicht weiter. „Diese Gerlachs waren Grübler, religiöse Fanatiker, manche auch<br />

etwas schwärmerisch veranlagt, selbstbewusst und ihre Mitmenschen überragend!“<br />

Derartige Analogien herzustellen, ist zwar nicht verboten, doch es bleibt ein ungutes<br />

Gschmäckle. Zum einen handelt es sich um subjektive Einschätzungen, und selbst<br />

wenn diese überlieferten Merkmale korrekt wären, sie beziehen sich auf die auffälligen<br />

„Typen“, nicht auf die „normalen“ Gerlachs. „Auffällige Typen“ bleiben <strong>im</strong> Gedächtnis.<br />

Nicht zu vergessen, jede Sippe hält sich von Generation zu Generation min<strong>des</strong>tens<br />

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