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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Nun anzunehmen, das Bocke Madel sei kein Christenmensch gewesen, ist vermutlich<br />

nur falsch. In ihrer Vorstellung waren Christus und seine h<strong>im</strong>mlischen Heerscharen ein<br />

majestätischer Überbau, der die Erde mit ihren Menschen, Dämonen und Geistern auf<br />

ewig überwölbte.<br />

1534 wurde auch Knittlingen zwangsreformiert. Spätestens ab diesem Jahr dürfte die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>Faust</strong> und dem Bocke Madel beendet gewesen sein.<br />

Lutheraner unterschieden nicht zwischen nützlichem oder schädlichem Zauber, für sie<br />

war Zauber <strong>im</strong>mer Teufelswerk; allein bei Gott habe der Mensch sein Heil zu suchen.<br />

In katholischen Gebieten herrschte dagegen weiterhin eine lässige Duldsamkeit, mit<br />

der es in der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts allerdings auch vorbei sein sollte.<br />

Grundsätzlich bestand jedoch in diesen Jahren in ganz Deutschland bereits die<br />

Möglichkeit <strong>des</strong> Zugriffs, seit 1532 war die erste allgemein gültige Prozessordnung, die<br />

„Constitutio Cr<strong>im</strong>inalis Carolina“, in Kraft. Auch die „Carolina“ akzeptierte unter §109<br />

die traditionelle Unterscheidung zwischen Schad- und Nutz-, also Heilzauber, doch um<br />

festzustellen, um welchen Art von Zauber es sich handelte, kam zunächst der weit<br />

gefasste Zauberparagraph 44 zur Geltung; dabei wurde auf Grundlage <strong>des</strong><br />

„Hexenhammers“ verhandelt und gefoltert.<br />

<strong>Faust</strong>, dem gewieften Lebenstechniker, bedeutete die Zwangslutherisierung seiner<br />

He<strong>im</strong>at wenig, er war beweglich. Das Schicksal <strong>des</strong> Bocke Madel können wir nur<br />

erahnen.<br />

(Magdalena: Magda, Mädchen, Magd)<br />

*<br />

„MBW“<br />

In den nachfolgenden Essays wird verschiedentlich auf den Briefverkehr Philipp<br />

Melanchthons Bezug genommen. Heinz Scheible und seine Mitarbeiter haben <strong>im</strong><br />

Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften den Briefwechsel<br />

Melanchthons erfasst sowie zeitlich zugeordnet; für den Zeitraum von 1514 bis 1560<br />

ergaben sich 9301 Dokumente. Um auch den Zugang zum Inhalt der Briefe zu<br />

erleichtern, wurde von jedem Schriftstück eine kurze Inhaltsangabe angefertigt. Derart<br />

kompr<strong>im</strong>iert füllt der Briefverkehr acht Bände; ein Itinerar wurde in einem eigenen<br />

Band angelegt.<br />

Heinz Scheibles Arbeit wurde unter „Melanchthons Briefwechsel“ bekannt, in den<br />

nachfolgenden Essays kurz mit „MBW“ bezeichnet.<br />

Melanchthons Bekanntschaften rund um <strong>Faust</strong><br />

Im Jahr 1560 verstirbt Philipp Melanchthon <strong>im</strong> Alter von 63 Jahren. Drei Jahre darauf<br />

gibt Johannes Manlius sein Werk „Locorum communium Collectanea“ in Druck. Das<br />

<strong>Faust</strong> betreffende Kapitel, von der <strong>Faust</strong>-Forschung schlicht als „bei Manlius“ oder als<br />

„Manlius-Text“ bezeichnet, will eine Wiedergabe <strong>des</strong>sen sein, was Johannes Manlius<br />

in seiner Zeit an der Universität Wittenberg von seinem Lehrer Phillip Melanchthon<br />

über <strong>Faust</strong> erfahren hat.<br />

Letzteres bezweifeln einige <strong>Faust</strong>forscher nicht nur, sie verweisen den Text <strong>des</strong><br />

Fel<strong>des</strong>: Ein Sensations heischender Plappertext, der wohl der Phantasie <strong>des</strong> Manlius<br />

entsprungen sei. Ein Text, ohne jede Substanz, der nur die eine bocksfüßige Ehre<br />

habe, das Konzept für die spätere „Historia“ zu liefern. Der behauptete Bezug auf den<br />

in der lutherischen Welt so hoch angesehenen Melanchthon sei eine Werbemasche,<br />

Manlius wollte wohl auf billige Weise damit renommieren, dass er ein Schüler<br />

Melanchthons war, Schüler jenes Mannes, der in der Schlosskirche von Wittenberg<br />

neben dem hoch verehrten Martin Luther beigesetzt worden war.<br />

Andere <strong>Faust</strong>forscher akzeptieren zwar den Anfang <strong>des</strong> Textes, da er den Ruch von<br />

Authentizität habe, den übrigen Text ignorieren sie ebenfalls, er enthalte keinerlei<br />

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