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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Und <strong>im</strong> Brief <strong>des</strong> Trithemius von 1507 ist festgehalten: „begann er mit den Knaben, die<br />

schändlichste Unzucht zu treiben …“<br />

Bedeuten diese Aussagen tatsächlich das Nämliche?<br />

Nicht unbedingt, doch Homosexualität, Sex mit Tieren und das „Huren“ mit dem<br />

Teufel, je<strong>des</strong> für sich genommen, ist bereits eine schwere Sünde; miteinander verrührt<br />

bilden sie eine Form von Verworfenheit, für die es wohl einen neuen Begriff brauchte:<br />

„ungeheurig Thier“.<br />

Soweit der Versuch, den Text – ein wil<strong>des</strong> Amalgam von Fakten, Annahmen sowie<br />

Kommentaren aus einer Zeit verrückter Teufelsglauberei, als eine Sammlung loser<br />

Bausteine zu behandeln. Ob diese Herangehensweise die Zweifler und Kritiker <strong>des</strong><br />

Manlius-Textes zu einem Umdenken veranlasst?<br />

Die erste Schwierigkeit liegt darin, nachzuvollziehen wie Philipp Melanchthon, ein<br />

hochgelehrter Mensch, sich in derart zumeist unglaubwürdigen und phantastischen<br />

Aussagen über <strong>Faust</strong> äußern konnte. Und warum gerade über <strong>Faust</strong>?<br />

Wie in „Eine Instrumentalisierung“ dargestellt, war <strong>Faust</strong> für die Lutheraner ein einzigartiges<br />

Beispiel für einen sündigen Menschen; in Hurerei ausweglos verstrickt, war ihm<br />

zuletzt der einzig gerechte Tod widerfahren, der Teufel hatte ihm das Genick<br />

gebrochen. Dazu war <strong>Faust</strong> eine zeitnahe Person. Mit dem Namen <strong>Faust</strong> verband sich<br />

alles, was ein Theologe sich an einem Negativbeispiel wünschte.<br />

Doch anders als die einer biblischen Person, eigneten sich die Details seines Lebens<br />

nicht für eine ordentliche theologische Unterweisung, sondern bestenfalls als eine<br />

drastische Ergänzung derselben. <strong>Faust</strong> war und blieb selbst für seine Zeitgenossen<br />

ein Rätsel. Sie waren Zeugen seiner frechen Sprüche, hatten ihn angemessen<br />

gekleidet <strong>im</strong> Gespräch mit wichtigen Personen gesehen, doch seine Kunst, die ihn<br />

offenbar vorzüglich ernährte, hatten sie nicht verstanden; sie wird auch weder in den<br />

Quellentexten, noch in den Indizientexten fassbar; von Astrologe und Wahrsager ist<br />

zumeist die Rede.<br />

Ganz <strong>im</strong> Geist der Zeit war bei seiner Kunst der Teufel <strong>im</strong> Spiel.<br />

<strong>Faust</strong> und der Teufel bildeten bereits zu seinen Lebzeiten eine Personalunion. Es fiel<br />

der Begriff „<strong>Faust</strong>“ und jeder wusste was gemeint war. „<strong>Faust</strong>“ war zum Schlagwort<br />

geworden; Kurzformel für einen Menschen, der geschafft hatte, wovon alle, gewiss<br />

nicht zuletzt auch die gebildeten Menschen insgehe<strong>im</strong> träumten, sich uneingeschränkt<br />

dunkler Mächte zu bedienen.<br />

Als Melanchthon begann <strong>Faust</strong> als gelegentliches Dekor bei seinen sonntäglichen<br />

Postillen zu verwenden, war <strong>Faust</strong>s Verruchtheit längst ein Begriff, sein Leben zu einer<br />

Sammlung grellbunter Tüchlein geworden. Je nachdem, ob Melanchthon eine<br />

Aussage unterstreichen, eine Darstellung ausgestalten, oder sich die Aufmerksamkeit<br />

seiner Zuhörer erhalten wollte, konnte er bei seinen Erläuterungen mal auf die eine,<br />

dann auf die andere Farbe zugreifen und sie mit beredter Gestik wieder in seinem<br />

Ärmel verschwinden lassen.<br />

Was keineswegs heißen muss, dass Melanchthon sich der Übertreibungen bediente.<br />

Be<strong>im</strong> Thema <strong>Faust</strong> brauchte es zum einen keine weiteren Phantastereien, auch gab es<br />

Zuhörer, sie schrieben die Postillen eifrig mit und Melanchthon wusste selbstredend<br />

was das bedeutete. Die Notizen wurden weitergereicht, über die Inhalte wurde geredet,<br />

es verbot sich von selbst über <strong>Faust</strong> Sachen zu erzählen, die abseits der ohnehin<br />

bereits reichlich phantastischen <strong>Faust</strong>-Vita lagen. Obendrein saßen <strong>im</strong> Publikum genug<br />

Menschen, die <strong>Faust</strong> persönlich gekannt oder ihn zumin<strong>des</strong>t bei einem seiner Auftritte<br />

erlebt hatten.<br />

Betrachtet man sich allerdings die Fülle von lehrhaften Beispielen, die Melanchthon in<br />

den regulären Studienfächer der Anschaulichkeit halber einbrachte und die nach<br />

seinem Tod in Büchern publiziert wurden, dann hat sich Melanchthon selten genug<br />

eines Bausteins der <strong>Faust</strong>-Vita bedient. Manlius hat sich an die zehn Jahre in<br />

Wittenberg aufgehalten. Abgesehen von möglichen Unterbrechungen, doch rechnet<br />

man die Anzahl der Exempel <strong>im</strong> Manlius-Text auf diese zehn Jahre um, dann hat sich<br />

Melanchthon alle zwei Jahre einen Fingerzeig auf <strong>Faust</strong> gestattet. Dass er dabei<br />

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