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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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nur darauf warten, dass <strong>Faust</strong> unvorsichtig genug war, sich erneut in den<br />

Geltungsbereich Kreuznachs zu begeben.<br />

Wobei die Honoratioren der „Kreiznacher Gässjes High-Society“, sich vermutlich<br />

ohnehin die Frage stellten, ob man die Sache nicht besser auf sich beruhen ließe; man<br />

sieht es nicht gern, wenn die Sauereien, die mit dem Nachwuchs getrieben wurden, mit<br />

einem Prozess noch einmal zum Stadtgespräch aufgewärmt und dann auch noch<br />

aktenkundig werden. Über solche Geschichten breitet man lieber den Mantel eiligen<br />

Vergessens.<br />

Schwieriger gestaltet sich die die Beantwortung der Frage, warum wurde <strong>Faust</strong> nicht<br />

wegen Blasphemie belangt.<br />

<strong>Faust</strong> „soll sich in gleicher Eitelkeit gerühmt haben, dass die Wunder unseres Erlösers<br />

Christi nicht anstaunenswert seien; er könne alles tun, was Christus getan habe, so oft<br />

und wann er wolle.“ berichtet Abt Trithemius.<br />

Ein klarer Fall von Gotteslästerung, wenn nicht erheblich mehr, denn <strong>Faust</strong> behauptet<br />

nicht nur, dass die Wunder nicht anstaunenswert seien, er prahlt obendrein, er könne<br />

das gleiche tun. Welchen Strick soll man ihm daraus drehen? Leugnet er die Göttlichkeit<br />

Jesu oder erhebt er sich selbst zum Gott?<br />

Bei<strong>des</strong> ist der Fall, Leugnung und Selbsterhebung, also: 2 Stricke!<br />

Trithemius fordert eine Auspeitschung. Trithemius hat Recht, er kennt sich aus, mehr<br />

an Ehre ist für einen dahergelaufenen Wahrsager, einen aus einer unteren Gesellschaftsschicht,<br />

nicht drin. Wäre <strong>Faust</strong> ein Geistlicher, ein Wicliff, ein Hus, ein Bruno<br />

Giordano, ein Luther, seine Schwätzerei hätte die D<strong>im</strong>ension eines Scheiterhaufens,<br />

als eines landlosen Wahrsagers Geschwätz ist sie in diesen Jahren den Ordnungsruf<br />

einer Peitsche wert.<br />

Hier greift das Denken innerhalb feudalistischer Strukturen. Im Kapitel „Katholisch oder<br />

Lutherisch“ wurde berichtet, Johann der Großmütige war zum Tode verurteilt.<br />

Heute hat man mit einem zum Tode verurteilten Staatsmann kein Problem, man hat<br />

den Galgen. Damals war es eine brisante Frage der Ehre, sie bewegte alle<br />

Angehörigen der Oberschicht. Wie bringt man einen ehemaligen Kurfürsten stan<strong>des</strong>gemäß,<br />

ohne Ehrabschneidung, vom Leben zum Tode?<br />

Enthauptete man ihn mit dem eigenen Schwert oder reichte man ihm den Giftbecher?<br />

<strong>Faust</strong> mehr anzutun, als seine Persönlichkeit unter den Hieben der Peitsche zu<br />

brechen, verbot sich von selbst, sein minderer Stand innerhalb der Feudalgesellschaft<br />

hätte eine Aufwertung erfahren. Seine Reden konnten und durften, zumin<strong>des</strong>t noch in<br />

dieser Zeit, nicht mehr als eine dummdreiste Frechheit sein.<br />

Dennoch stellt sich die Frage, warum wurde die Strafe nicht vollzogen.<br />

Wie <strong>im</strong> Kapitel „<strong>Faust</strong> – <strong>im</strong> <strong>Visier</strong> <strong>des</strong> Gehe<strong>im</strong>dienstes“ dargestellt, muss <strong>Faust</strong> in<br />

seiner Selbstbegeisterung auch einen Satz in die Menge geschleudert haben, wie:<br />

„Wenn hier einer einen Aufstand macht, dann ich!“. Der Satz lässt die St<strong>im</strong>mung in<br />

dieser Zeit erahnen, er ist aufrührerisch. Vermutlich aber ein Lapsus singulärer Art,<br />

denn nach der steganographischen Lesart <strong>des</strong> ersten Teil <strong>des</strong> Trithemius-Briefes, stellt<br />

Abt Trithemius unter anderem fest, <strong>Faust</strong> sei kein „Pyromant“, <strong>Faust</strong> hält also keine<br />

Brandreden, mehr noch, <strong>Faust</strong> ist kein Teil der Bauernbewegung.<br />

Was die tolldreisten Behauptungen <strong>Faust</strong>s <strong>im</strong> zweiten Teil <strong>des</strong> Briefes angeht, wir<br />

dürfen annehmen, Abt Trithemius notierte lediglich die richtig großen Frechheiten, die<br />

<strong>Faust</strong> vom Stapel ließ. Die „vielen von ihm mit großer Frechheit ausgeführten<br />

Nichtsnutzigkeiten“ hielt der Abt nicht mehr <strong>des</strong> Aufzählens für wert.<br />

Doch abgesehen von der Gotteslästerung, von der noch deutlich die Rede sein wird,<br />

sozialkritisch, rebellisch oder gar revolutionär klingen <strong>Faust</strong>s freche Behauptungen<br />

nicht, <strong>Faust</strong> liefert vielmehr ein geradezu antirevolutionäres Gegenprogamm. Die<br />

Menschen erregen sich über die Einführung einer weiteren Steuer, sie sch<strong>im</strong>pfen über<br />

die neue Gerichtsbarkeit, sie fluchen auf die neuartige Policey und auf deren Willkür,<br />

doch dann kommt <strong>Faust</strong>, die Leute gaffen, staunen und haben auf Wochen hinaus ein<br />

Erlebnis, über das sie sich den Mund faserig reden, anstatt mit geballter <strong>Faust</strong> herum<br />

zu laufen.<br />

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