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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Mit Platon auf dem Kutschbock<br />

Wo wurde <strong>Faust</strong> ausgebildet, eine der großen ungeklärten Fragen der <strong>Faust</strong>forschung.<br />

<strong>Faust</strong> war <strong>des</strong> Lesens und Schreibens kundig, Philipp Begardi notierte:<br />

„Sich … erfarnen meyster bekant vnnd geschrieben. Hat auch selbs bekannt …, dass<br />

er … heyß <strong>Faust</strong>us, domit sich geschriben Philosophum Philosophorum.“<br />

<strong>Faust</strong> war auch <strong>des</strong> Lateinischen mächtig; er war Astrologe, die entsprechenden<br />

Bücher waren um 1510 noch in Latein verfasst.<br />

<strong>Faust</strong>s Auftreten ist erstmalig <strong>im</strong> Trithemius-Brief geschildert. <strong>Faust</strong> ist gerade um die<br />

27 Jahre alt, doch sein Auftreten ist in keiner Weise das eines jungen Mannes, es lässt<br />

an einen Mann von vierzig Jahren denken. Dieser junge <strong>Faust</strong> ist eine Persönlichkeit,<br />

wenngleich eine wilde. Sein Auftreten verrät Welterfahrung, auch ist er frech und<br />

anmaßend, sehr selbstbewusst und offenkundig überaus routiniert; Trithemius<br />

berichtet, <strong>Faust</strong> habe sich zwe<strong>im</strong>al durch Flucht entzogen.<br />

<strong>Faust</strong> macht nicht annähernd den Eindruck eines armen Scholaren, der zwar<br />

irgendwann auch einmal eine Lateinschule besuchte, doch längst in einem Gewand<br />

durchs Leben irrt, das so dünn und fadenscheinig ist wie sein Wissen.<br />

Um be<strong>im</strong> Bamberger Fürstbischof zu weilen oder um gegenüber einem hoch gebildeten<br />

und lebenserfahrenem Mann wie Prior Leib zumin<strong>des</strong>t für die Dauer <strong>des</strong> Gesprächs als<br />

Komtur aufzutreten, ohne dass der ihn offen als Schwindler bezeichnen konnte, dafür<br />

brauchte es viel an Wissen und ein gutes Gewand.<br />

Es hat sich kein Hinweis darauf gefunden, dass <strong>Faust</strong> eine Universität besuchte.<br />

Andererseits bezeichnet ihn Kammermeister Müller <strong>im</strong> Rechnungsbuch <strong>des</strong><br />

Fürstbischofs Georg III. von Bamberg als „Doctor <strong>Faust</strong>us ph(ilosoph)o“, als<br />

Gebildeten. Und ohne Einschränkung schreibt Philipp von Hutten in seinem Brief von<br />

„Philosophus <strong>Faust</strong>us“.<br />

Dass diesen „Empfehlungsschreiben“ auch Quellentexte gegenüber stehen, deren<br />

Verfasser <strong>Faust</strong>s akademische Titel in Zweifel ziehen, ändert nichts an der Tatsache,<br />

<strong>Faust</strong> wurde zumin<strong>des</strong>t von einigen Angehörigen der Oberschicht als ein gebildeter<br />

Mensch betrachtet.<br />

Die von Teilen der <strong>Faust</strong>forschung gehandelte Annahme, dass <strong>Faust</strong>, eben weil er<br />

hochintelligent gewesen wäre, nicht einmal eine Schule besuchte, sich sein gesamtes<br />

Wissen selbst beigebracht hätte, also der typische Autodidakt sei, wie er „aus der Mitte<br />

gesunden Volkstums heranwachse“, ist keine befriedigende Antwort.<br />

Unbestritten gab es damals Menschen, die sich in privaten Studien gebildet hatten und<br />

als Philosophus getitelt wurden. Private Studien setzten allerdings voraus, dass der<br />

Lebensunterhalt zumin<strong>des</strong>t teilweise gesichert war. Mochte in den ersten Jahren eine<br />

Erbschaft die Grundlage sein, hatte der Betreffende später ein Amt und war besoldet<br />

oder hatte eine mit dem Amt verbundene Pfründe inne.<br />

Man liegt vermutlich nicht falsch, <strong>Faust</strong>, wie <strong>im</strong> Trithemius-Brief geschildert, eine<br />

Straßen-Erfahrung von fünf Jahren zu unterstellen. Das bedeutet, dass <strong>Faust</strong> sich ein<br />

gutes Stück seines „akademischen Wissen“ etwa zwischen dem 15. und 22.<br />

Lebensjahr selbst angeeignet hätte. Wie sollte das möglich sein? Es gibt keinen<br />

Hinweis, dass er aus einem wohlhabenden Haus stammt. Im Gegenteil, fünfzig Jahre<br />

nach seinem Tod schreibt Augustin Lerche<strong>im</strong>er, Schüler <strong>des</strong> Phillip Melanchthons,<br />

<strong>Faust</strong> wäre ein Kind aus ärmsten Verhältnissen gewesen. Wie bestritt der Schüler<br />

<strong>Faust</strong> dann seinen Lebensunterhalt? Es mag noch angehen, dass ein wissbegieriger<br />

junger Mensch sich nach der Arbeit das Schreiben und Lesen beibringt, doch Latein<br />

erfordert bereits eine intensive Unterweisung. Wie finanzierte er die notwendigen<br />

Bücher? Wer leitete ihn später an, die astrologischen und philosophischen Schriften zu<br />

verstehen?<br />

Der Fragen, die sich hier stellen, sind schlicht zu viele. Die schnelle Antwort, <strong>Faust</strong><br />

hätte sich das Gros seines akademischen Wissens selbst beigebracht, braucht ein<br />

gehöriges Maß an konstruierenden Spekulationen.<br />

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