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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Ist er etwa harmoniesüchtig? Oder ist seine Persönlichkeit eine nahezu vollkommen<br />

narzißtische? Eigenliebe, bar jeder Selbstreflektion! Ist das der Blickwinkel über den<br />

sich seine Person und sein Handeln erschließt?<br />

Was er auch tut, es ist gut. So er <strong>im</strong> nächsten Moment das Gegenteil tut, so ist auch<br />

das gut, weil er es tut. Eine Haltung, die freilich keine Schuldeingeständnisse, keine<br />

Bitte um Verzeihen und auch keinen Respekt kennt. Es sei denn, die Beweislast ist<br />

erdrückend, es sei denn, er sieht sich der granitnen Haltung seiner Fürsten gegenüber<br />

oder einem Erasmus von Rotterdam, der soviel Ansehen hat, dass ihn die Angst packt,<br />

dass der ihn wegen seiner Vorwitzigkeit lächerlich machen könnte bzw., dass er<br />

fürchtet, einen ehrenvollen Kontakt zu verlieren.<br />

Den gehe<strong>im</strong>en Triebfedern Melanchthons nachzuspüren – ein lustvolles Knobel-<br />

Vergnügen, es bleibe jener Autorin, jenem Autor vorbehalten, die sich von seiner<br />

Person und dem ihm umgebenden Zeitmaterial angezogen fühlen.<br />

Wobei sie die protestantischen Fürsten, die sich in der offiziellen Geschichtsschreibung<br />

hinter Luther wegducken, nicht verschenken sollten. Sie sind es wert, dass<br />

man sie herausholt aus dem Dunkel und sie würdigt, diese Spieler und Hasardeure, die<br />

<strong>im</strong> tösenden Theaterdonner um den rechten Glauben, so frech wie beharrlich eine<br />

gewaltige Vermögensumschichtung über die Bühne brachten.<br />

Sich mit jenen Fürsten auseinanderzusetzen, heißt freilich auch, sich mit Kaiser Karl V.<br />

zu befassen. Um den Blick frei zu bekommen, empfiehlt es sich jene zwei Gemälde <strong>des</strong><br />

großen Meisters Tizian abzuhängen: Der Mann <strong>im</strong> teuren Harnisch hoch zu Roß und<br />

der edel gekleidete Weise <strong>im</strong> Sessel, es sind Auftragsarbeiten, die Konterfeis selbst<br />

sind mehr als geschönt, sie sind zum positiven verfälscht.<br />

Kaiser Karl V. sei ein entschlussloser Mann gewesen, steht wiederholt zu lesen. Dieser<br />

Aussage steht diametral ein Gemälde von Lukas Cranach d. Ä. entgegen. Der große<br />

Meister hat es wohl gemalt, nachdem er den Kaiser bei der Belagerung von Wittenberg<br />

gesprochen hatte. Und es ist gewiss keine Auftragsarbeit, das füllige Gewand verrät<br />

Fettleibigkeit, das Gesicht <strong>des</strong> Kaisers ist aufgedunsen, wirkt krank, der Mund steht<br />

offen – zahnlos. Es sind die Augen, über die sich der Kaiser dem Betrachter erschließt.<br />

Dunkle Augen unter hängenden Oberlidern – sie lassen den Betrachter erschauern.<br />

Überlegen intelligente – geradezu schamlos wissende Augen, die den Gegenüber<br />

sofort als Ganzes erfassen und <strong>im</strong> selben Moment bereits <strong>des</strong>sen gehe<strong>im</strong>ste<br />

Gedanken kennen. Es ist das Gesicht eines Menschen, mit dem man besser keine<br />

Geschäfte macht. Wer in diesem Gesicht so etwas wie Zauderlichkeit oder Entschlusslosigkeit<br />

sucht, geht fehl. Es ist das Gesicht eines durch und durch amoralischen<br />

Menschen. Gier, He<strong>im</strong>tücke, Gewalt, Rücksichtslosigkeit, Wortbruch, so lauten die<br />

Begriffe, die sich dem Betrachter mit dem ersten Blick auf das Bild unmittelbar<br />

aufdrängen. Und geradezu schockiert stellt man fest, dass man sich als Betrachter<br />

ertappt fühlt; alle die dem Kaiser zugedachten Negativbegriffe fallen auf einen selbst<br />

zurück. In den Augen dieses Mannes gab es nicht den neuen Menschen nach<br />

humanistischem Ideal und auch keine guten Menschen, sondern – nicht anders als er<br />

selbst, nur käufliche Kreaturen.<br />

Einen höchst banalen Gegenstand hat der Meister dem großen Kaiser in die gemalte<br />

Hand gedrückt. Wo andere Fürsten einen Schwertgriff umfassen oder eine Krone<br />

halten, Kaiser Karl V. hält einen schlaffen Geldbeutel an sich gepresst.<br />

Ein hungiger Geldbeutel, so will der große Maler wohl sagen, ist der Schlüssel, über<br />

den sich das Handeln dieses Kaisers erschließt.<br />

In der Tat, bereits die Vorgänge um Luther in Worms erinnern fatal an eine Polit-Affaire<br />

unserer Tage. Über Luther wird zwar die Reichsacht verhängt, doch nicht allein, dass<br />

sie mit einem verzögerten Inkrafttreten abgepolstert wird, dem Kurfürst von Sachsen,<br />

Luthers Lan<strong>des</strong>herr, wird die Urkunde nie zugestellt. Könnte es sein, dass einige<br />

Fürsten – in jenen Tagen selbst auch einige geistliche Fürsten, <strong>im</strong> Vorfeld von Worms<br />

dem Kaiser ihre unverbrüchliche Treue versichernd, um Gehör in der lutherischen<br />

Sache baten und ihre artigen Schreiben in Geldkisten übersandten? Ein alter Brauch:<br />

Erstklassige Geschäftsverbindungen beginnen mit großzügigen Geschenken.<br />

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