12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Verfügung, doch <strong>im</strong> zuvor aufgeführten Bekanntenkreis <strong>des</strong> Mutianus finden sich allein<br />

drei Personen, von denen wir definitiv wissen, dass sie mit <strong>Faust</strong> persönlich bekannt<br />

waren oder von ihm wussten: Franz von Sickingen, Johannes Trithemius und Joach<strong>im</strong><br />

Camerarius.<br />

Aus den heute bekannten Briefen lässt sich ein Netz von Beziehungen ausmachen.<br />

Erasmus von Rotterdam, Camerarius, Mutianus, weiter zu Trithemius – Virdung –<br />

Franz v. Sickingen. Virdung kannte Melanchthon – Camerarius – Moritz v. Hutten –<br />

Kilian Leib – Moritz und Phillip v. Hutten. Mutianus kannte Reuchlin – Eck – Kilian Leib<br />

– Melanchthon – Luther – Rubeanus Crotus …<br />

Wenn sie auch in ihrem Dünkel über <strong>Faust</strong> nichts Schriftliches hinterließen, unter der<br />

Hand redeten sie über ihn. Wie auch anders, <strong>Faust</strong> treibt frechsten Spott mit ihnen –<br />

den Vertretern der Bildungselite, maßt sich ihre Titel an, bezeichnet sie gleichsam als<br />

unwissende Tröpfe, während sie selbst es nicht schaffen, ihn in die Schranken zu<br />

weisen. Es bleibt ihnen nur, ihn als „Narren“, als „Scheißhaus vieler Teufel“ zu<br />

besch<strong>im</strong>pfen. Ihn der Trickserei mit einer „Böhmischen Schachtel“ (Verwirrspiel mit<br />

zwei identischen Behältnissen) oder einem „gebauten Türken“ (Der Liliputaner unter<br />

dem Tisch) zu überführen, ihm die Lust an seinen Frechheiten zu vergällen oder ihn<br />

gar zu Fall zu bringen, das schaffen sie nicht. Die Künste <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>us sind ihnen ein<br />

Rätsel. In keinem der Quellentexte steht beschrieben, was <strong>Faust</strong> dem Publikum<br />

demonstrierte. Das kann nicht viel anderes bedeuten, als dass keiner von ihnen die<br />

Künste <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>s begriff, dass keiner von ihnen es mit <strong>Faust</strong> in <strong>des</strong>sen Metier<br />

aufnehmen konnte.<br />

Ihnen bleibt nur, die Zähne zusammenzubeißen und <strong>Faust</strong> durch Nichtkenntnisnahme<br />

abzustrafen. Diese gezielte Nichtbeachtung ist neben der „Instrumentalisierung“ und<br />

der damit zu vermutenden Vernichtung von Quellentexten, auch ein Grund, warum<br />

heute über <strong>Faust</strong> relativ wenig bekannt ist, obwohl viele von ihm nicht nur gehört,<br />

sondern ihn persönlich gekannt bzw. ihn erlebt haben müssen.<br />

Abstrafung durch Nichtkenntnisnahme, bzw. Kenntnisnahme <strong>im</strong> Negativen, es gilt für<br />

<strong>Faust</strong>, ebenso gilt es für Paracelsus“. Beide, <strong>Faust</strong> wie Paracelsus, obgleich jeder auf<br />

seine Art, hatten sich an der Phalanx der neuen Bildungselite gerieben. Gleich Luther<br />

hatte auch Paracelsus seinen Bruch mit der Vergangenheit mit einer<br />

Bücherverbrennung inszeniert. Am 24.Juni 1527 hatte er in Basel Schriften <strong>des</strong><br />

Hippokrates, Galen und Avicenna ins Feuer geworfen; Schriftgut und Wissen, das<br />

Melanchthon, dem Renaissance-Philologen und Arzt, heilig war. Doch wo Melanchthon<br />

dem ungelehrten Empiricus seine Forderung nach ratio, ars et doctrina entgegenstellte,<br />

rückte Paracelsus die experiencia – auch einer Hebamme, eines Empiricus oder eines<br />

Baders nach vorne. In „Encomium Sueviae“ würdigte Melanchthon die naturkundlichen<br />

Leistungen seines schwäbischen Volksstammes, den Arztalchemiker Paracelsus<br />

unterschlug er dabei; dass der höchstangesehene Erasmus von Rotterdam so große<br />

Stücke auf Paracelsus hielt, konnte Melanchthon nicht überzeugen.<br />

Paracelsus war auch Theosoph. Als Bauernfreund, dazu obrigkeitsfeindlich und in<br />

Gegnerschaft zu Rom, hatte er sich in den zwanziger Jahren dem schwärmerischen<br />

Protestantismus angenähert. Als Revolutionär in Permanenz hatte er sich später<br />

wieder abgewandt, ob Zwinglianer oder Lutheraner, sie waren für ihn auch nur<br />

dogmatische „Mauerkirchen“. „Der Papst und der Luther, das sind zwei Huren, die sich<br />

um ihre Keuschheit zanken“, schrieb er. Der Theosoph Paracelsus – Melanchthon<br />

kannte keinen Theosophen dieses Namens.<br />

„Nam hic nihil vidi nisi insulsiss<strong>im</strong>as nugas Paracelsi …“ schreibt Melanchthon endlich<br />

in einem Brief vom 15.11.1537; „Denn hier habe ich nichts als die völlig albernen<br />

Nichtigkeiten <strong>des</strong> Paracelsus … gesehen … “. Melanchthon hatte in der „Practica“<br />

gelesen, einer astrologischen Auskunft über das anstehende Jahr.<br />

„Practica teutsch auf das tausent fünfhundert und 38. Jar, gepracticiert durch den<br />

hochgelerten Doctorem Paracelsum“; gedruckt in Augsburg bei Heinrich Steiner. Hätte<br />

Melanchthon ein wenig inne gehalten, er hätte eventuell gemerkt, dass Paracelsus ihm<br />

eine Warnung zurief. Melanchthon hält nicht inne, er hat keine Zeit, er ist in<br />

Geschäften, er ist seit Jahren in Geschäften und Wortgefechten, er braucht Auskunft<br />

186

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!