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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Nächtliches Gedankenwürfeln, das sich am Ende in die Hoffnung rettete, dass der<br />

Kaiser auf die innenpolitische Bühne zurückkehrte und wieder zusammenfügte, was<br />

Papst und Protestanten <strong>im</strong>mer weiter auseinander sch<strong>im</strong>pften.<br />

Hoffen auf den Kaiser, eine Hoffnung, die sich freilich auf die Erfüllung einer anderen<br />

Hoffnung gründete, dass dem Kaiser der Sieg gewährt sei, damit er endlich die Hände<br />

frei bekäme. „Siegt der Kaiser?“ Der Kaiser, der Krieg und das Glück – eine vertrackte<br />

Kombination, was allerdings nur eine Frage von vielen war. Wie ging es dann weiter,<br />

wie würde es sich entwickeln, würde man sich wieder zusammen finden oder würde<br />

die Entscheidung doch in einem Bruderkrieg gesucht. Ein Krieg, den die Protestanten<br />

zumin<strong>des</strong>t damals kaum gewinnen konnten. So viele Unwägbarkeiten, die Antworten<br />

mochte der H<strong>im</strong>mel, die Sterne wissen. Joach<strong>im</strong> Camerarius, der Astrologe, hat das<br />

Wort in der kleinen Runde. Antworten, wie dem „Tuus <strong>Faust</strong>“-Brief zu entnehmen ist,<br />

hat er nicht; die Sprache der Sterne ist in dieser Sache nicht weniger unklar wie die<br />

Sache selbst.<br />

Kein Problem, Stibar ist mit <strong>Faust</strong> befreundet und so trennt man sich und tröstet sich<br />

mit <strong>Faust</strong>. Stibar wird alle diese Fragen mit <strong>Faust</strong> besprechen.<br />

Monate später ist Camerarius mit seiner Geduld am Ende: „wenn er dich doch lieber<br />

ein bisschen von dieser Kunst gelehrt haben möchte, die er mit etwas Wind <strong>des</strong><br />

nichtigsten Aberglaubens aufgeblasen, oder ich weiß nicht welcher Gaukelei<br />

aufrechterhalten haben möchte.“<br />

Dass Camerarius <strong>im</strong> Anschluß daran seine Anfrage dennoch erneuert, ist wie bereits<br />

gesagt, höchst erstaunlich. Sicherlich erklärt es sich dadurch, dass die Angelegenheit<br />

für Camerarius von höchster Bedeutung ist und er sich selbst keinen Rat weiß, doch<br />

Camerarius ist offenbar der festen Überzeugung, dass <strong>Faust</strong> die Antworten in den<br />

Sternen zu lesen weiß. Und das ganz gewiss nicht <strong>des</strong>halb, weil – wie einige<br />

<strong>Faust</strong>forscher annehmen, ihm sein Freund Stibar, bei welcher Gelegenheit auch<br />

<strong>im</strong>mer, von einem ominösen <strong>Faust</strong> berichtet hatte, der auf alle große Fragen der Zeit,<br />

die Antworten in den Sternen zu lesen verstünde.<br />

„Freilich erzählen einige Leute“ heißt es weiter, „der Papst wolle seine gleichsam<br />

friedenstiftende Person einschalten und von jedem der beiden 20 000 Soldaten<br />

anfordern, um mit ihrer Hilfe das Konzil – das er demnächst einberufen wird –<br />

schützen und die Widerspenstigen zur Ordnung rufen zu können.<br />

Das jedenfalls behaupten jedenfalls einige Franzosen, die sich hier bei uns mit<br />

Literatur beschäftigen.“<br />

Eine Textstelle, die Argwohn erzeugt; sich mit Dr. <strong>Faust</strong>us zu befassen, macht<br />

zwangsläufig misstrauisch.<br />

Camerarius, <strong>im</strong>merhin Philologe und erfahrener Schreiber, der sonst so zielstrebig die<br />

einzelnen Punkte seines Briefes abarbeitet, würdigt sich herab ein Gerücht<br />

wiederzugeben, der Satzbau ist dabei verschachtelt, auch handelt es sich um das<br />

Gerede einiger Literaturinteressierter, die in der Sache wohl wenig kompetent sind.<br />

Der Kern <strong>des</strong> Gerüchts: Der Papst wird ein Konzil einberufen, und zwischen dem<br />

Kaiser und dem französischen König vermitteln.<br />

Also eventuell doch ein Konzil, und zwar mit doppeltem Auftrag.<br />

Eine Fama mit Nachrichtenwert, und trotzdem nur eine Fama unter vielen in jenen<br />

Monaten. Die freilich nahtlos zu jenen Zitaten aus „MBW“ passt: ein anstehen<strong>des</strong><br />

Konzil und ein drohender Krieg waren die Themen in jenen Monaten.<br />

Und auch für die gewaltige Heeresmacht von 40 000 Söldnern findet sich eine<br />

Erklärung. Denn ein Jahr später, am 29.Mai 1537, schreibt Melanchthon an Veit<br />

Dietrich, Papst Paul III. soll das Konzil verschoben haben, weil Herzog Frederigo<br />

Gonzaga von Mantua aus Furcht vor einem Handstreich auf die Stadt Schwierigkeiten<br />

macht.<br />

Das Konzil findet dann ohne die Protestanten statt, denn die päpstliche Einladung<br />

enthält eine Vorverurteilung der Protestanten. Und der Krieg um Mailand findet<br />

überhaupt nicht statt. Im Brief vom 6.Juli 1537 heißt es, der französische König zog<br />

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