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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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und <strong>im</strong> Bekanntenkreis aus. Es will scheinen, dass die Briefe eine Art fortwährende<br />

Selbstvergewisserung waren, dass sie eine geradezu therapeutische Funktion hatten.<br />

Der Briefverkehr jener Zeit war ein nahezu tabuloser Chatroom, freilich ohne<br />

schützende Anonymität, aber gewiss ein letzter Freiheitshort, in welchem selbst ein<br />

„streng gehe<strong>im</strong>“ wenig respektiert wurde.<br />

Ein trautes Plauderkarusell, das solange ohne Folgen blieb, wie Briefe nicht gestohlen<br />

oder weitergereicht wurden und der Freund ein Freund blieb.<br />

Wie schrankenlos die Weitergabe von Interna war, erhellt Melanchthons Bericht vom<br />

14. Mai 1529 über den Speyrer Reichstag an Wilhelm Reiffenstein in Stolberg:<br />

… strikte Durchführung <strong>des</strong> Wormser Edikts verlangt. Diese Forderung trieb die<br />

meisten Städte zum Kurfürst von Sachsen und zum Landgraf von Hessen.<br />

Im Fürstenrat forderte darauf der Kf. von Sachsen die Milderung <strong>des</strong> Wormser Edikts,<br />

<strong>des</strong>sen Friedensfeindlichkeit schon auf dem Nürnberger (1523) und auf dem ersten<br />

Speyrer Reichstag festgestellt worden sei.<br />

Nach langem Streit wurden Artikel verfasst: über das Konzil, über den Geltungsbereich<br />

<strong>des</strong> Wormser Edikts, über die zwinglianische Lehre, Wiedertäufer, Messe und<br />

Jurisdiktion der Bischöfe.<br />

Der Kf. von Sachsen verlangte Änderungen, ebenso die Städte, was der Reichstag<br />

bewilligte.<br />

Weil aber in der Nachverhandlung die Protestanten die Zwinglianer nicht verurteilen<br />

wollten, war die andere Seite auch zu keiner Änderung der Artikel bereit.<br />

Auch wollten sich die Lutheraner nicht von Straßburg trennen.<br />

Die Artikel wurden mit Ausnahme <strong>des</strong> Artikels über die bischöfliche Jurisdiktion<br />

ratifiziert. Die evangelischen Fürsten setzten eine Protestation dagegen, der sich einige<br />

Städte anschlossen …<br />

Doch wurde gegenseitige Friedenswahrung verbrieft.<br />

Diesen Bericht soll Reiffenstein gehe<strong>im</strong> halten.<br />

Die Bitte um Gehe<strong>im</strong>haltung, man liest sie oft in „MBW“.<br />

Wie es sich mit dem geschriebenen Wort verhielt, so ähnlich verhielt es sich mit dem<br />

gedruckten Wort.<br />

Am 24. Sept. 1518 schreibt Melanchthon an Spalatin: Noch in diesem Jahr werden von<br />

ihm erscheinen: die Lukian-Übersetzung, ein griechisches Lexikon, zwei Plutarch-<br />

Schriften, ein Hymnus auf die Engel, Athenagoras, De corrigendis …, und Platons<br />

Symposion.<br />

Es herrscht Veröffentlichungsdruck, innerer wie äußerer, und so jemand Luther oder<br />

Melanchthon heißt, dann wird es ihm von den Druckern förmlich aus den Händen<br />

gerissen. „Die Drucker wühlen schon wieder in meinen Schränken.“ schreibt<br />

Melanchthon. Und passend zur Hurtigkeit der Drucker, liest man, dass Melanchthon<br />

sein jüngstes Werk erstmalig bei seinem Besuch eines Freun<strong>des</strong> in die Hände bekam.<br />

Und was da alles gedruckt wird!<br />

Ethik <strong>des</strong> Aristoteles, Abhandlung über Thukydi<strong>des</strong>, einzelne Gedichte, Betrachtung<br />

von Ereignissen, Predigten, Vorträge, Trostgründe für den aktuellen Verlauf <strong>des</strong><br />

Schmalkaldischen Kriegs, Auslegungen von Apostelbriefen.<br />

„Sie hoffen auf literarischen Ruhm.“ teilen ihm einige mit, zu einem Zeitpunkt, da<br />

Melanchthon sich durch sein Wirken längst in der Weltgeschichte verewigt hat.<br />

Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass von den vielen Autoren jener Jahrzehnte, die<br />

sich über das neue, preiswerte Verfahren <strong>des</strong> Buchdrucks mit beweglichen Lettern<br />

editorisch austobten, dem breiten Publikum von heute bald keiner mehr – zumin<strong>des</strong>t<br />

nicht als Autor, bekannt ist. Das Wissen über die Autoren jener bücherwütigen Jahre<br />

beschränkt sich heute auf Universitätskreise, wobei aber selbst ein Eobanus Hessus –<br />

ein offenbar recht wackerer Dichter, nicht derart Interesse entfacht, als dass sich<br />

jemand bis zur Stunde der Mühe unterzogen hätte, seine auf Latein verfassten<br />

Gedichte ins Deutsche zu bringen.<br />

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