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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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evorzugt zu zauberischen und phantastischen Details der <strong>Faust</strong>-Vita greift, hat nicht<br />

allein moraltheologische Gründe.<br />

<strong>Faust</strong> war ein Mensch, <strong>des</strong>sen biograpfische Details <strong>im</strong> wissenschaftlichen Betrieb<br />

einer Universität streng genommen überhaupt nichts zu suchen hatten. <strong>Faust</strong> war<br />

schlicht degoutant, zuvorderst als sündigster Teufelshurer, doch nicht allein <strong>des</strong>halb.<br />

Bereits <strong>im</strong> Sachsenspiegel, um 1224/27 niedergeschrieben und <strong>im</strong> gesamten<br />

mitteldeutschen Raum angewendet, wurden Zauberei und Hexerei, also schädigende<br />

Magie, als Straftaten betrachtet. 1520 waren in Kur-Sachsen auch nichtschädigende<br />

Magie, Wahrsagen und Segensprechen miteinbezogen worden.<br />

Damit nicht genug, die Max<strong>im</strong>e der neuen Elite, der Frühen Humanisten, lautete:<br />

Wissen ist die Grundlage richtigen Handelns. In diesem Sinne geht Melanchthon<br />

gegen die Heilerinnen und Wanderärzte vor; deren Erfahrung zählt für ihn nicht,<br />

schulisches Wissen ist die Grundlage, Erfahrung darf sich hinzu gesellen.<br />

Melanchthon als öffentliche Person durfte sich nur noch der phantastisch-sündhaften,<br />

gleichsam unappetitlichen und verächtlichen Details aus <strong>Faust</strong>s Leben bedienen. Das<br />

Thema „<strong>Faust</strong>“ sachlich anzugehen – falls das in jener Zeit überhaupt möglich<br />

gewesen wäre, es hätte bedeutet, einen Teufelshurer und Wahrsager und Kr<strong>im</strong>inellen,<br />

einen Ungebildeten von der Straße, ernst zu nehmen und folglich aufzuwerten.<br />

Dass Melanchthon freilich mehr wusste, das erschließt sich nicht allein aus der Nähe<br />

Brettens zu Kundling sowie aus Melanchthons Bekanntenkreis und aus dem Hinweis<br />

„multa dicebant de <strong>Faust</strong>o“ an Luthers Tafel, sondern auch durch die gar nicht<br />

fantastische Schilderung der Vorgänge bei <strong>Faust</strong>s Tod <strong>im</strong> Manlius-Text. In Sachen<br />

„<strong>Faust</strong>s Tod“ durfte und musste Melanchthon konkret werden, es galt zu zeigen, wie<br />

es be<strong>im</strong> Sterben eines großen Sünders zugeht.<br />

So sich in jenen Jahren <strong>im</strong> unmittelbaren Universitätsbetrieb eine breite Erörterung der<br />

<strong>Faust</strong>-Vita verbot, es muss neben dem Universitätsbetrieb mit seinen geschriebenen<br />

und ungeschriebenen Regeln, ein kursieren<strong>des</strong> Gebräu aus Fakten, freilich auch aus<br />

wilden Vermutungen über <strong>Faust</strong> existiert haben. Lerche<strong>im</strong>er, ebenfalls ein Schüler<br />

Melanchthons, wird Jahrzehnte später nicht von „Kundling“ schreiben, sondern<br />

umstandslos von „Knütlingen“.<br />

Wenn auch der offizielle Universitätsbetrieb das Treiben <strong>des</strong> verflossenen Dr. <strong>Faust</strong>us<br />

nur peripher behandelte, es blieb nicht den Studenten und dem „gemeinen“ Volk<br />

vorbehalten, wilde Phantasien daran zu entzünden, Gebildete tauschten sich über<br />

<strong>Faust</strong> jedoch bei einem Wein aus, wenn sie mit guten Bekannten zu Tische saßen.<br />

Ohne Zweifel ist es mehr als ambivalent, sich einerseits öffentlich in wilden Worten<br />

über das Treiben dieses „ungeheurig Thier“ und „Scheißhaus vieler Teufel“ zu<br />

erregen, andererseits in vertrauter Runde an Luthers Mittagstisch sich weiträumig über<br />

diesen Zauberer zu unterhalten, wo einem vor lauter Abscheu der Wein nicht mehr<br />

schmecken dürfte. Nicht anders Melanchthons Freund, der angesehene Camerarius,<br />

der am 13. 8. 1536 bei seinem Freund Stibar anfragt, was <strong>Faust</strong> über den Sieg <strong>des</strong><br />

Kaisers in den Sternen liest. Um sich höchst ungeniert der Künste <strong>des</strong> verruchten<br />

Teufelshurers zu bedienen, hat er die Visitenkarte <strong>des</strong> bösen Zauberers umgedreht<br />

und auf den Astrologen zugegriffen.<br />

Es sind namentlich neun Personen bekannt, die Mitschriften der Postillen anfertigten.<br />

Melanchthons Hinweise auf <strong>Faust</strong> notierte lediglich Manlius, den anderen waren die<br />

Hinweise möglicher weise zu dürftig bzw. als unbedeutend erschienen, weil ohnehin<br />

bekannt. Später verwendeten sie die Ausführungen <strong>des</strong> großen Lehrers um ihre<br />

Predigten und Aufsätze zu schmücken. Der pommersche Theologe Johannes Cogeler<br />

edierte seine Aufzeichnungen unter dem Titel „Imagines“.<br />

Auch Manlius seine gibt Teile seiner Aufzeichnungen zum Druck.<br />

Er beginnt mit der Edition einer vierteiligen Sammlung von Exempeln, jener lehrhafter<br />

Begebenheiten, die Melanchthons bei seinen Vorlesungen in den verschiedenen<br />

Studienfächern zur Untermauerung <strong>des</strong> Lehrstoffs benutzt hatte.<br />

Wenig akademisch, aber zielsicher, serviert Manlius mit der Exempelsammlung dem<br />

lesenden Volk Ergötzliches. Er gibt zum Besten, dass Dürer über Kaiser Max<strong>im</strong>ilian I.<br />

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