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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Kurzum, das verbliebene Bauholz wurde hin und her gereicht. Sollte es wirklich möglich<br />

sein, dass ausgerechnet jene Bohle, der <strong>Faust</strong> das Lederbeutelchen anvertraute, zwei<br />

Feuersbrünste überlebte, zwe<strong>im</strong>al das Chaos <strong>des</strong> Wiederaufbaus überstand, um<br />

ausgerechnet wieder in jenem, später aus Steinen errichteten, heutigen <strong>Faust</strong>haus als<br />

Türschwelle Verwendung zu finden?<br />

Wer an Magie glaubt, sieht die Kraft der AREPO-Formel bestätigt.<br />

Daneben stellt sich ein anderes Problem. Der Dozent für Pharmazie-Geschichte ist der<br />

Meinung, der „Zettel“ sei jünger als <strong>Faust</strong>. Ich sprach in der Frage nach dem Alter auch<br />

einen Mitarbeiter einer Firma an, die sie sich mit der Herstellung homöopathischer<br />

Mittel beschäftigt. Aufgabe dieses Mitarbeiters ist die Suche nach alten Kochanweisungen<br />

und deren Entschlüsselung. Auch er meint, der „Zettel“ sei jünger als <strong>Faust</strong>,<br />

er schätzt, die Niederschrift erfolgte weit nach 1600. Das Pergament ist in Knittlingen<br />

<strong>im</strong> <strong>Faust</strong>-Museum ausgestellt, die Erklärung zum Exponat besagt ebenfalls, der Zettel<br />

könnte aus der Zeit nach <strong>Faust</strong> stammen.<br />

Angesichts der Umstände, dass Knittlingen zwe<strong>im</strong>al niedergebrannt wurde und einige<br />

Fachleute der Meinung sind, das Pergament sei deutlich jünger als <strong>Faust</strong>, lässt sich der<br />

„Zauberzettel“ als Indiz, <strong>Faust</strong> sei ein Knittlinger gewesen, nicht aufrecht erhalten.<br />

Die Präsentation <strong>des</strong> Pergaments <strong>im</strong> <strong>Faust</strong>-Museum von Knittlingen ist subopt<strong>im</strong>al; den<br />

Besuchern wird letztlich ein Zusammenhang mit <strong>Faust</strong> suggeriert.<br />

Es bleibt die Frage, wie gelangte der Zettel in das <strong>Faust</strong>haus.<br />

Selbst wenn er um 1600 beschrieben wurde, wie konnte er zwei Brände überstehen?<br />

Vermutlich war der Objektträger, der Balken, nicht vor Ort, als Knittlingen brannte.<br />

Die Türschwelle, um 1840 <strong>im</strong> Haus verbaut, könnte aus einem Abrissgebäude außerhalb<br />

Knittlingens stammen; Steine und Balken fanden eine Wiederverwendung.<br />

Und interessanter Weise gab es in Großsachsenhe<strong>im</strong>, 35 Km von Knittlingen entfernt,<br />

einst eine Alchemisten-Kolonie. Herzog Friedrich I., interessiert an den Naturwissenwissenschaften,<br />

freilich auch an der Goldmacherei, hatte sie um 1600 gegründet,<br />

großzügig ausgestattet und finanziert. Neben dieser Erklärung zur Herkunft <strong>des</strong><br />

Pergaments sind selbstredend weitere Möglichkeiten denkbar.<br />

*<br />

Zwischenruf<br />

Von allen Indizien hat die Kunde vom Bocke Madel, gewiss den meisten Charme. Von<br />

vier Jahrhunderten geradezu ätherisch ausgedünnt, fast verblasst, erreicht uns, gleichsam<br />

kurz vor dem Verlöschen, die Überlieferung, dass einst in Knittlingen eine Frau bei<br />

<strong>Faust</strong> in Diensten stand. Dass <strong>Faust</strong> sogar einmal pleite gewesen sei, ist wahrscheinlich<br />

schon wieder eine Logelei der Nachgeborenen, die Herkunft <strong>des</strong> Rezeptbuchs<br />

brauchte eine sinnfällige Erklärung. Das Indiz „Bocke Madel“ besticht durch Schlichtheit,<br />

es will kein erregender Beweis sein, es vermeldet lediglich; zwar nicht viel, nur<br />

soviel, wie sich bei mündlicher Überlieferung glaubhaft erhalten hat.<br />

Nicht zuletzt überzeugt es durch seine Naivität. Das Rezeptbuch selbst, aber auch die<br />

Art, wie aus der Familiengeschichte wieder hinaus entsorgt wurde, das ist putzig, es<br />

einem He<strong>im</strong>atforscher in die Feder zu diktieren, ist die pure Arglosigkeit.<br />

Mehr als das Bronnenkind „Bocke Madel“ gibt der Brunnen Knittlinger Überlieferungen<br />

allerdings nicht frei. Überlieferungen ist es zu Eigen, dass sie aus „uralten Tagen“<br />

stammen wollen. Das gilt auch für <strong>Faust</strong> in Knittlingen und „seine Geschichten“, die<br />

heute <strong>im</strong> Umlauf sind; die Wurzeln reichen allesamt bestenfalls in die Jahre der<br />

Auffindung <strong>des</strong> „Zauberschranks“ zurück.<br />

Für mich ist es interessant festzustellen, die dünne Überlieferung eines Bocke Madel<br />

evozierte eine phantasievolle Biographie; siehe „Magdalena Bock, Kräuterweib und<br />

Zauberfrau“.<br />

Die gehaltvollen, schweren „Indizien“ dagegen, „Abschrift“ und „Pergament“, wurden<br />

abgearbeitet und verworfen.<br />

*<br />

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