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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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„Ich st<strong>im</strong>me mit meinen Stan<strong>des</strong>genossen darin durchaus nicht überein“ schreibt er <strong>im</strong><br />

Jahr 1518 an Willibald Pirkhe<strong>im</strong>er, „welche diejenigen mit Verachtung zu behandeln<br />

pflegen, die zwar gemeiner Herkunft sind und es doch durch ihre Tüchtigkeit zu großer<br />

Bedeutung gebracht haben … mögen sie auch Söhne von Gerbern und Schustern<br />

sein. Denn sie haben ihr Ziel mit viel größeren Schwierigkeiten als wir erreicht …“<br />

„Bildung und Wissen sind die Grundlagen für verantwortungsbewusstes Handeln“,<br />

lautet die Max<strong>im</strong>e Phillip Melanchthons; 1521 wird sie in Magdeburg erstmalig<br />

umgesetzt, es wird ein „Humanistisches Gymnasium“ eingerichtet, Hauptfächer sind<br />

Latein und Griechisch.<br />

Wer möchte diesen Humanisten nicht zust<strong>im</strong>men, ihren Gedanken an einen Völkerfrieden,<br />

ihrem Streben, dem Nächsten nützlich zu sein, ihrer Freude an Bildung, ihrer<br />

Forderung nach klassenlosen Respekt der Gebildeten untereinander.<br />

Die Lust sich zu bilden, sich Einblick zu verschaffen, hat auch das Volk erfasst, Luthers<br />

Übersetzung <strong>des</strong> Neuen Testaments <strong>im</strong> Jahr 1521 wird sowohl dieser Lust gerecht als<br />

auch der tiefen Religiösität <strong>des</strong> Volkes. Es ist den Menschen ein Bedürfnis sich um die<br />

Bibel zu versammeln, sich nun in ihrer Sprache vorlesen zu lassen und sich über die<br />

Inhalte auszutauschen. Sie sind es leid, sich gängeln zu lassen, sie selbst wollen<br />

entscheiden, wie es zu verstehen ist, sie haben sich lange genug mit diesen<br />

ungebildeten Scholaren, mit diesen Viertelpfaffen herum geärgert.<br />

„Wissen für alle“, in diese Kerbe schlägt auch Paracelsus, entgegen aller Würde und<br />

Gepflogenheiten hält er 1525 in Basel Vorlesungen in deutscher Sprache und erklärt<br />

dazu: „Die Wahrheit muss teutsch sein! / Nun ist hie mein Fürnemmen zu erkleren, was<br />

ein Arzt seyn soll, und das auff Teutsch, damit das in die gemein gebracht werde!“<br />

Gleichfalls kennzeichnend für die Gebildeten jener Zeit ist deren Empfinden für Ästhetik<br />

– mehr noch – ihre Forderung nach dem Unverfälschten und Reinen.<br />

In den Werken von Michelangelo wird diese Ästhetik für jedermann sichtbar und<br />

erfahrbar.<br />

Luther spricht von der reinen Lehre <strong>des</strong> reinen Evangeliums. Paracelsus fordert die<br />

Rückbesinnung auf die reine und wahre Magie, dazu sieht er die Alchemie vor die<br />

Aufgabe gestellt, die reine Wirkkraft, das Arcanum, aus den Pflanzen zu lösen. „Nicht<br />

als sie sagen / Alch<strong>im</strong>ia mache Golt / mache Silber: Hie ist das fürnemmen (das<br />

Vorzunehmende, das Ziel) / Mach Arcana / vnd richte dieselbigen gegen die<br />

kranckheiten: Da muß er hinauß / also ist der grundt.“<br />

Es war seine Forderung nach dem gereingten Wirkstoff, der Essenz, mit welchen<br />

Paracelsus der heutigen Arzne<strong>im</strong>ittelherstellung den Weg bereitete.<br />

Erasmus von Rotterdam widmete sich der Wiederbelebung <strong>des</strong> Altgriechischen; er geht<br />

in seiner Suche nach dem reinen Altgriechisch soweit, dass er selbst <strong>des</strong>sen<br />

Aussprache zu rekonstruieren sucht. Marsiglio Ficino hatte das Interesse am alten<br />

Griechenland geweckt, er hatte 1483 die Übersetzung der Werke Platons zum Druck<br />

gegeben; durch die Eroberung Konstantinopels <strong>im</strong> Jahr 1454 durch die Türken, waren<br />

mit den Flüchtlingen – nach mehr als 1000 Jahren wieder alte griechische Manuskripte<br />

in den Westen gelangt. Erasmus von Rotterdam fertigt <strong>des</strong>weiteren eine überarbeitete<br />

lateinische Fassung <strong>des</strong> Neuen Testaments, den „textus receptus“ an. Doch erst,<br />

nachdem er die Fassung weitere drei Male verfeinert hat, <strong>im</strong> Jahr 1522, 1527 und<br />

1535, gibt er sich zufrieden.<br />

Inspiriert von Pico della Mirandola und Marsilio Ficino, ist Johannes Reuchlin (1455-<br />

1522), davon überzeugt, dass es eine Alloffenbarung Christi geben müsse, die folglich<br />

auch in der Kabbala, der mystisch-magischen Lehre <strong>des</strong> Judentums, zu finden sei. In<br />

mühsamen Studien lernt er Hebräisch, seine Begeisterung ist grenzenlos, als er<br />

entdeckt, dass „Jesus“ und „Jahwe“ sich nur durch einen einzigen Buchstaben<br />

unterscheiden.<br />

Bildung und Wissen, deren Wiederherstellung in Reinheit, waren die Beiträge der<br />

Gebildeten, um eine Welt, die aus den Fugen geraten war, wieder ins Lot zu setzen. Es<br />

ist ihre Antwort auf den Pomp und die hohl gewordenen Formeln der Kirche. Der<br />

Anspruch der Kirche höchste geistige Lehrinstanz zu sein, ist brüchig geworden, es gilt<br />

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