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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Menschen in den Städten waren abergläubisch, sensationslüstern, in diesen Jahrzehnten<br />

auch geradezu wundersüchtig; die Menschen auf dem Lande waren das in<br />

noch viel höherem Maße.<br />

Der Flickenteppich von eifersüchtig ihre Befugnisse bewachenden Territorialstaatlichkeiten,<br />

das Fehlen einer übergreifenden Polizeigewalt, begünstigten <strong>Faust</strong>s Umtriebigkeit;<br />

gewiss hat er bei seinen Betrugsgeschäften die Entfernung zur nächsten Grenze<br />

auch stets <strong>im</strong> Auge gehabt. Der Zugriff endete an der Grenze <strong>des</strong> Sprengels; lieber<br />

ließen die drüben einen laufen, als dass sie den Verfolgern die Jagd <strong>im</strong> eigenen Revier<br />

gestatteten.<br />

Dass es gebietsweise keinerlei Aufzeichnungen gibt, beweist nicht, dass er best<strong>im</strong>mte<br />

Landstriche nie bereist hätte. Von den Menschen, die <strong>des</strong> Schreibens kundig waren,<br />

sah sich nicht jeder bemüßigt, den Besuch eines reisenden Schwarzkünstlers<br />

festzuhalten. So mancher Pfarrer mag einen Eintrag <strong>im</strong> Kirchenbuch gemacht haben,<br />

die Kirchenbücher gibt es nicht mehr, sie haben die Reformationszeit, den<br />

Dreißigjährigen Krieg, die Stürme der Zeiten nicht überlebt.<br />

Es wurde angedacht, dass <strong>Faust</strong> gelegentlich unter falschem Namen auftrat; Begardi<br />

lässt keinen Zweifel, <strong>Faust</strong> war auch ein gerissener Betrüger. Andererseits notiert<br />

Begardi: „Dann er ist vor etlichen jaren vast durch alle landtschafft, Fürstenthuomb<br />

vnnd Königreich gezogen, seinen namen jederman selbst bekannt gemacht.“<br />

Der Indizientext, die „Z<strong>im</strong>mersche Chronik“ bestätigt es. „Der ist bei seiner zeit ein<br />

wunderbarlicher nigromanta gewest, als er bei unsern zeiten hat mögen in deutschen<br />

Landen erfunden werden.“ <strong>Faust</strong> muss von einer verwegenen Dreistigkeit gewesen<br />

sein, er betrog und unterschrieb mit vollem Namen.<br />

Grundsätzlich kommt der gesamte damalige deutschsprachige Raum als Reisegebiet<br />

in Frage. Zwar war die Blütezeit der Hanse vorbei, aber Städte wie Bremen, Hamburg<br />

oder Lübeck, auch wenn sein Aufenthalt dort nicht belegt ist, waren wichtige<br />

Stapelplätze. Nicht allein Waren aus dem Mittelmeerraum und Südamerika füllten die<br />

Lager, sondern auch Handelsgüter aus Polen, Russland und Karelien. Neben Rohstoffen<br />

gab es Halb- und Fertigwaren, Gewürze, Arzneistoffe und Spezereien.<br />

Je nach Höhe der Beute konnte <strong>Faust</strong> es sich sicherlich auch leisten, aus Plaisir auf<br />

Reisen zu gehen. Es galt wichtige Bekanntschaften zu pflegen, neue Kontakte zu<br />

knüpfen, aber auch um sich umzuhören, den Großen der Welt ihre Gehe<strong>im</strong>nisse abzulauschen.<br />

Nicht zu vergessen, es mussten Substanzen eingekauft und nach Knittlingen<br />

oder vielleicht auch in eine Alchemistenküche transportiert werden.<br />

Im Manlius-Text ist auch von Krakau und Venedig die Rede. Krakau erscheint als<br />

glaubhaft, die Krakauer Universität hatte wegen ihrer humanistischen und mathematisch-astrologischen<br />

Fächer einen guten Ruf, aber auch den Ruch einer Universität der<br />

Teufelskünste. Dort wurde – verdächtig genug, „natürliche Magie“ gelehrt; ein tolles<br />

Gebräu aus unzulänglichen Kenntnissen der Optik, Mechanik, Physik, Chemie,<br />

Suggestion, Hypnotismus und Magnetismus. Was viele deutsche Studenten nicht<br />

hinderte, in Krakau zu studieren. Was diese dann zu Hause zu berichten wussten,<br />

erzeugte bedenkliche Mienen und ein vermutungsvolles Geraune, das in dieser<br />

„teuflischen Zeit“ geradewegs zur Notiz <strong>des</strong> Manlius führte, <strong>Faust</strong> habe in Krakau „die<br />

zauberey gelernet“.<br />

<strong>Faust</strong> wird sich um den zweifelhaften Ruf der Krakauer Universität nicht geschert<br />

haben. Der Fächerkanon der „natürlichen Magie“ könnte ihn durchaus gereizt haben.<br />

Nicht zuletzt hatte er selbst etwas zu bieten; man darf annehmen, es war von einer Art,<br />

damit ließ sich nicht nur der Universitätsbetrieb von Erfurt aus dem Gleichlauf bringen.<br />

Venedig scheint auf den ersten Blick eher zweifelhaft. Es gibt keinen Hinweis, dass<br />

<strong>Faust</strong> einer gängigen Fremdsprache mächtig gewesen wäre, was sollte er also in<br />

Venedig ausrichten? Das Volk verstand ihn nicht, und ob die Gebildeten oder die<br />

weltläufigen Kaufleute sich mit ihm auf Latein unterhalten wollten, mag dahin gestellt<br />

bleiben.<br />

Doch warum sollte Venedig ausgeschlossen bleiben? Das Venedig jener Zeit, es war<br />

mehr als nur eine Stadt. Venedig stand nicht allein für phantastischen Reichtum,<br />

sondern für das Phantastische schlechthin. Alles, was Asien, Indien und der Orient an<br />

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