12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Folgeartikels vom Jahr 1841: der Stuttgarter Gymnasialprofessor Albert Schott; er<br />

hätte 1832/33, in seiner Zeit als Repetent am Maulbronner Evangelischen Seminar<br />

den Zugang zu Informationen gehabt.<br />

Im anonymen Artikel vom 14. November 1840 steht zu lesen:<br />

„… <strong>im</strong> Jahre 1516 hatte Maulbronn einen Mann beherbergt, den zuerst die Volkssage<br />

und nachher eine lange Reihe deutscher Dichter der Wirklichkeit entrückt … der<br />

gelebt … Dr. Johannes <strong>Faust</strong> aus Knittlingen… Nach der Erzählung, die in Maulbronn<br />

noch geht … hat er hier zuletzt eine Freistätte gefunden… und wirklich bemerkt ein<br />

altes Verzeichniß der Aebte zu dem Namen <strong>des</strong> Abtes Johannes Entenfuß … dieser<br />

seinem Landsmann Unterschlauf gegeben. Entenfuß und seine Vorgänger waren<br />

Freunde von prachtvollem Bauwesen… möglich, dass ihm <strong>Faust</strong> Hoffnung machte, die<br />

leeren Geldkisten … durch Goldmachen gefüllt zu sehen. Zwischen dem Rebenthal<br />

und jetzigem Oberamtsgericht … ein zugemauertes Laboratorium … die <strong>Faust</strong>küche.<br />

Auf dem östlichen Eckthurm <strong>des</strong> Klosterzwingers soll er sein Ende gefunden haben…<br />

obgleich Schriftsteller seiner Zeit berichten, dass er zu Knittlingen mit umgedrehten<br />

Halse todt sei gefunden worden.“<br />

Das ist starker Tobak! Bis auf die sehr freie Bezugnahme auf Thomas Birck und<br />

Cunrad Dieterichs <strong>im</strong> letzten Satz ist alles frei erfunden: Das <strong>im</strong> Äbteverzeichnis<br />

behauptete „Gästez<strong>im</strong>mer“ ist zur Freistätte mit Labor zwecks Goldmachen umgebaut,<br />

als Abschussrampe Richtung Hölle wird dem Leser ein Turm gereicht.<br />

Anonym publiziert, doch unter „Das Oberamt Maulbronn“, und damit quasi halbamtlich.<br />

Der Zweck der sagenhaften Schreibübung findet sich <strong>im</strong> Text: <strong>Faust</strong> „den zuerst die<br />

Volkssage und nachher eine lange Reihe deutscher Dichter der Wirklichkeit entrückt“.<br />

Die „Historia“, Auslöser einer langen Reihe, hat es also gleichsam nie gegeben.<br />

Nicht zu vergessen, ein Gymnasialprofessor setzt als Anomymus unter dem Prädikat<br />

„Oberamt“ Zeitungsenten in Umlauf, das „Oberamt“ schaut zu und die sonst so<br />

pfiffigen Zeitungsfritzen denken sich rein gar nichts, als ein anonymer Artikel gesetzt<br />

wird. Nun fehlt nur noch derjenige, der das alles für einen gewöhnlichen Vorgang hält.<br />

<strong>Faust</strong> war für die evangelische Kirche fraglos eine VIP, aber eine, die man behutsam<br />

wieder dorthin zurückruderte, wo sie vor der „Historia“ gewesen war, in den<br />

Volksmund. Das Stück ist wohl geraten, <strong>Faust</strong> ist wieder dahe<strong>im</strong>.<br />

Die Maulbronner <strong>Faust</strong>sage stützt sich also letztlich auf Thomas Birck, jenen<br />

Schreiber, der <strong>im</strong> Jahre 1606 den Lerche<strong>im</strong>er-Text falsch verstand und <strong>Faust</strong>s Sterben<br />

„nicht weit von Knitlingen“ geschehen ließ. 1869 wurde in der Fürstenbergischen<br />

Bibliothek in Donaueschingen die „Z<strong>im</strong>mersche Chronik“ gefunden, 25 Jahre nach<br />

<strong>Faust</strong>s Tod geschrieben, berichtet sie von <strong>Faust</strong>s Tod bei Staufen. Man sollte meinen,<br />

der Fund hätte der Maulbronner <strong>Faust</strong>sage den Garaus gemacht. Keineswegs, die<br />

Person <strong>des</strong> Doktor <strong>Faust</strong> beflügelt die Phantasien derart, Wahrheit und „Wahrheit“<br />

leben bis heute gleichberechtigt nebeneinander.<br />

Die Maulbronner Fußtruppen werden freilich nicht warten, bis die Akademie den<br />

möglichen Casus fortgesetzter Geschichtsklitterung beäugt und sich eventuell darüber<br />

eins geworden ist, ob sie den Fall <strong>des</strong> Nachdenkens für wert befindet.<br />

Die Amateure wähnen sich auf sicherem Boden, Schott schöpfte am Maulbonner<br />

Sagenborn. Sie berufen sich auf Herrmann Kurz.<br />

Wer sich für die Bildung von Sagen interessiert, nun kommt er auf seine Kosten.<br />

Kurz hatte als Internatsschüler mit seinen Spezis eine durchaus riskante Kletterpartie<br />

auf den Dächern <strong>des</strong> Klosters unternommen, war dabei in einen vermauerten Raum<br />

eingestiegen und hatte an einer Wand eine rötliche Verfärbung (vermutlich<br />

mineralischen Ursprungs) entdeckt. Er schreibt darüber an seine Mutter, das<br />

Antwortschreiben vom 16. Februar 1828 blieb erhalten. „Euer Abentheuer ist zum<br />

Todlachen … ich gienge nicht mehr hinauf, ihr entdekt doch nichts, ich glaube es<br />

gewiß nicht dass der Teufel den <strong>Faust</strong> holte.“ Man kann es sich ausmalen, wie der<br />

Bericht, dass man auf einen vermauerten Raum und einen „Blutfleck“ gestoßen sei,<br />

die Fantasie der Internatsschüler beflügelt haben muss. Selbst ohne romantisieren<strong>des</strong><br />

Umfeld, die Sache wäre auch heute noch für Jugendliche spannend.<br />

138

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!