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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Nicht zu vergessen, <strong>Faust</strong>s Abstammung liegt völlig <strong>im</strong> Dunkel, laut Lerche<strong>im</strong>er kam er<br />

aus armen Verhältnissen. Es mag noch angehen, dass er als „gemeiner Mann“ den<br />

Heiligen kannte, unter dem er geboren wurde, dass er jedoch die Stunde seiner<br />

Geburt gekannt haben soll, es wäre höchst ungewöhnlich. Die Kenntnis der Geburtsstunde<br />

ist jedoch die Grundvorraussetzung für ein Lebenshoroskop und somit für die<br />

Behauptung, er wäre unter den Sternen der Prophetie geboren.<br />

Ähnlich belanglos verhält es sich mit dem To<strong>des</strong>jahr, das in der Z<strong>im</strong>merischen Chronik<br />

mit „Umb die Zeit…“, genannt wird; gemeint ist die Zeit <strong>des</strong> Reichstags zu Regenburg.<br />

Wie aus anderen Urkunden jener Zeit ersichtlich, bedeutet ein „umb die Zeit“ nur ein<br />

„ungefähr“, also <strong>im</strong> vorliegenden Fall einen Spielraum von 1540 bis 1542. Nach Lage<br />

der gegenwärtig bekannten Quellentexte reicht auch diese Zeitangabe völlig aus.<br />

<strong>Faust</strong> lässt sich an keinem konkreten Punkt weder in Knittlingen noch sonstwo festmachen,<br />

auch die Eckdaten seines Lebens behält er für sich.<br />

Nichts anderes kann von vielen namhaften Personen seiner Zeit gesagt werden.<br />

*<br />

Till kommt nach Knittlingen<br />

Der Manliustext, die wiederholte Ortsangabe bei Lerche<strong>im</strong>er, <strong>des</strong>sen harsche Kritik an<br />

der „Historia“, sowie die Geschichte vom Bocke Madel, das sind die „harten Indizien“,<br />

welche darauf deuten, dass <strong>Faust</strong> sich wiederholt oder über längere Zeit in Knittlingen<br />

aufhielt und auch ein gebürtiger Knittlinger war. Bei aller Liebe zu Knittlingen, die<br />

„Beweislage“ ist dürftig. Verglichen allerdings mit dem, was andere Anwärterstädte<br />

seinerzeit in den Ring zu werfen hatten, darf die Knittlinger Beweiskette beeindrucken.<br />

Einer der angebotenen Nachweise für Knittlingen ist ein handschriftliche Eintrag in<br />

einem Exemplar von „DE OCCULTA PHILOSOPHIA“. Der Autor <strong>des</strong> Buchs: Agrippa<br />

von Netteshe<strong>im</strong>, ein Mann mit einem Lebenslauf <strong>im</strong> Breitbandformat; Abt Trithemius<br />

zählte zu den Geringeren unter seinen Bekannten.<br />

Der Eintrag, soweit dem lateinischen Gekritzel <strong>des</strong> Faks<strong>im</strong>ileabdrucks zu entnehmen,<br />

beginnt mit „<strong>Faust</strong>us de Knaitlingen … Zeit seines Lebens von einem Hund begleitet,<br />

welcher der Teufel war…<br />

Man bemerke erneut, ein gebildeter Mensch – „DE OCCULTA PHILOSOPHIA“ ist nun<br />

wahrlich kein Bauernkalender, lässt sich mit einer geradezu umwerfenden Selbstverständlichkeit<br />

in seinen Gedanken von einem Hund leiten, „welcher der Teufel war“.<br />

„<strong>Faust</strong>us“ und „Knaitlingen“ sowie der „teuflische Hund“ – auch <strong>im</strong> Manliustext sind<br />

Hunde unterwegs – alles in allem betrachtet, der Eintrag bezieht sich auf <strong>Faust</strong>.<br />

Es wird angenommen, der Eintrag wurde um 1560 vorgenommen.<br />

„<strong>Faust</strong>o de Knaitlingen…“, das schreit geradezu danach, in die Reihe der Indizien für<br />

Knittlingen gestellt zu werden. Der Versuch, es dort hinein zu argumentieren, brauchte<br />

allerdings einen Teufelsadvokaten, auf den als Dank freilich eine Narrenkappe<br />

wartete. Nicht allein, weil der Schreiber das Datum und die Unterschrift vergaß,<br />

„Knaitlingen“ ist möglicher Weise eine abweichende Schreibweise von Kneitlingen; das<br />

aber ist Till Eulenspiegels (1300-1350) He<strong>im</strong>atort, in der Nähe von Schöppenstedt bei<br />

Braunschweig gelegen.<br />

Dass <strong>im</strong> nachfolgenden Streit Knittlingen seinen <strong>Faust</strong> an Kneitlingen verliert, die<br />

Wahrscheinlichkeit tendiert gegen Null, ob Kneitlingen seinen Till an Knittlingen<br />

verliert, hängt von den Künsten jenes besagten Advokaten ab. Jedenfalls eine<br />

vollkommen neue Situation für Knittlingen: Mutterstadt <strong>des</strong> volkstümlichsten Zauberers<br />

als auch <strong>des</strong> beliebtesten Aufklärers.<br />

Zurück zu jener merkwürdigen Gestalt <strong>im</strong> Knittlinger Novembernebel <strong>im</strong> Jahr 2001.<br />

Am nächsten Morgen stellte ich fest, auf der Suche nach <strong>Faust</strong> hatte ich am Abend<br />

zuvor seinem Denkmal die Hand gereicht. Ein in Bronze gegossenes Stereotyp eines<br />

arabischen Händlers, vielleicht auch Magiers, in weiter unförmiger Mantilla und einer<br />

merkwürdigen Kopfbedeckung, eine Kreation, halb Turban - halb Fez.<br />

Man darf sagen, <strong>Faust</strong> wäre auch mit den Menschen unserer Tage klar gekommen.<br />

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