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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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In Einklang mit Melanchthons Ordnungsbestrebungen, wenn er beispielsweise gegen<br />

die Volksmedizin wettert: „Schaut euch nun diese Ungebildeten an. Sie besitzen ein<br />

Sammelsurium von Rezepten, von Hebammen, Barbieren, Zauberern und Juden<br />

abgeschrieben.“, darf man bezüglich <strong>Faust</strong>s Tod in „Wirtenberger landt“ frei<br />

formulieren: „Leute wie <strong>Faust</strong> treiben sich nur in papistischen Landen herum, in<br />

reformierten Landschaften werden sie ordnungsgemäß vom Teufel geholt.“<br />

Der nämliche Ordnungsgedanke liegt vermutlich zu Grunde, als Melanchthon seinen<br />

Zuhörern erzählt, zwei Versuche <strong>Faust</strong> festzunehmen, seien gescheitert; beide<br />

Versuche ereigneten sich gemäß seinen Worten auf protestantischem Boden.<br />

Um dem Essay „… hette befehl getan - das man jn fangen sollte“ nicht vorzugreifen,<br />

sei nur soviel dazu gesagt: Dass <strong>Faust</strong> sich groß auf lutherischem Gebiet bewegte,<br />

nichts spricht dafür, jedoch alles dagegen. Melanchthons Darstellungen tragen die<br />

Botschaft: Auf reformiertem Boden hat man sich <strong>im</strong>merhin zwe<strong>im</strong>al redlich bemüht,<br />

den <strong>Faust</strong>us zu fangen.<br />

Andererseits stellt sich die Frage, wie konnte Melanchthon dem Publikum gefärbte<br />

Details reichen, bzw. von versuchten Festnahmen sprechen, da <strong>im</strong> Publikum Leute<br />

saßen, die es eventuell anders wussten?<br />

Wenn auch viele der älteren Zuhörer <strong>Faust</strong> persönlich erlebt hatten, bedeutet das nicht,<br />

dass sie mit <strong>Faust</strong>s Leben umfassend vertraut waren. Wie auch, da <strong>Faust</strong> zum einen<br />

„vast durch alle landtschafft, Fürstenthuomb vnnd Königreich gezogen“, sie ihn<br />

vielleicht nur einmal zu Gesicht bekommen, zum andern sie auch seine Kunst nicht<br />

verstanden hatten und von daher alles für möglich hielten. Nicht zu vergessen, so<br />

kritisch und distanziert einige gewesen sein mochten, selten genug in dieser<br />

abergläuberischen Zeit, die umlaufenden Phantastereien hatten die eigene Wahrnehmung<br />

längst überlagert.<br />

Im Übrigen muss das Gewicht der gefärbten Bausteine sowie der eventuell freien<br />

Behauptungen berücksichtigt werden. Die Information von „einem Dorff in Wirtenberger<br />

landt“ gehört zu einem Exempel, in dem es zuvorderst um die unmittelbaren Umstände<br />

geht, als <strong>Faust</strong> starb; eine Ereigniskette, die mit „<strong>Faust</strong>, der ganz traurig gesessen“,<br />

beginnt und damit endet, dass „jm der teuffel dz angesicht auff den Rücken gedrehet“.<br />

Eine spannend faszinierende Geschichte, die Melanchthon da zum Besten gab, der<br />

falsche Baustein „Wirtenberger landt“ hatte dabei bestenfalls den Stellenwert eines<br />

Versprecher. Die Richtung, von Wittenberg aus gesehen, st<strong>im</strong>mte ungefähr: „Irgendwo<br />

da drüben.“<br />

Und zu erfahren, dass es einst in Wittenberg und Nürnberg Versuche gegeben hatte,<br />

<strong>Faust</strong> habhaft zu werden, erzeugte nicht zwingend Zweifel. Vielmehr wäre es den<br />

Zuhörern höchst verwunderlich vorgekommen, so es anders gewesen wäre. Schade<br />

genug, dass dieser Verbrecher nie hinter Gittern gelandet und peinlich befragt worden<br />

war, dann hätte man endlich erfahren, was das für Hurengeschäfte gewesen waren.<br />

Dazu waren sowohl Wittenberg als auch Nürnberg seit bald dreißig Jahren lutherisch,<br />

dass man nicht alles mitbekommen hatte, was in Sachen <strong>Faust</strong> vor zehn oder fünfzehn<br />

Jahren unternommen worden war, es erzeugte keine Skepsis, sondern eher den<br />

Gedanken: „Interessant! Das wusste ich noch nicht!“<br />

Auch ist nicht auszuschließen, dass jene Inhaftierungsversuche tatsächlich gefabelt<br />

wurden, es sich also keineswegs um freie Behauptungen Melanchthons handelt.<br />

Die Zweifel, dass Melanchthon hinter dem Manlius-Text steht, sollten ausgeräumt sein.<br />

Folglich sollte auch die gern geübte Vorgehensweise vom Tisch sein, sich die Auskunft<br />

über <strong>Faust</strong>s Geburtsort: „Ich hab einen gekennet / mit nammen <strong>Faust</strong>us von Kundling –<br />

ist ein kleines stettlein / nicht weit von meinem Vatterland...“, als Rosine zu picken, die<br />

übrigen Aussagen <strong>des</strong> Textes jedoch als persönliche Qualmerei <strong>des</strong> Manlius zu<br />

betrachten, bzw. schlicht zu unterschlagen.<br />

Da Manlius seinen Lehrer getreu zitierte, lässt sich endlich auch die Frage beantworten,<br />

ob <strong>Faust</strong> eine jedermann bekannte Person gewesen war; <strong>Faust</strong>forscher, die<br />

sich strikt an die Quellentexte halten, bezweifeln, dass er derart weitbeschreit war.<br />

Melanchthon eröffnet drei seiner Exempel mit „Derselbige <strong>Faust</strong>us“. Das bedeutet nicht<br />

weniger, als dass <strong>Faust</strong> keine märchenferne Sagengestalt war, sondern eine jeder-<br />

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