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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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sah er sich persönlich gefordert. Er eilt nach Erfurt, besieht sich das Spektakel, das<br />

<strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Wirtshaus zelebriert, und fällt ein Urteil; vermutlich noch in Erfurt geschrieben,<br />

lässt er es seinem Freund und Famulus zugehen.<br />

Er schreibt dabei nicht von „<strong>Faust</strong>us“, das verbietet sich, es ließe den Schluss zu, dass<br />

ihm das Thema „<strong>Faust</strong>“ geläufig wäre. Mutianus gibt sich distanziert, er notiert: „…ein<br />

Chiromant …“, um dann in geradezu penetranter Akribie den Namen dieses dahergelaufenen<br />

Prahlers festzuhalten: „Georgius <strong>Faust</strong>us Helmitheus Hedelbergensis“.<br />

Es liegt auf der Hand, so ein Mutianus dergleichen tut, so verfolgt er einen Zweck.<br />

Mutianus, dem hochbelesenen Mann – die „Physiognomie leichter als eine<br />

Wasserspinne“, ein Plautus-Zitat aus „Der Perser“, darf als humanistisches Insiderwissen<br />

bezeichnet werden – dürfte kaum entgangen sein, dass <strong>Faust</strong> sich den<br />

„Helmitheus“ in seiner Namenskette aus den „Recognitiones“ besorgt hatte, dabei an<br />

Bildungsgut geraten war, bei dem es sich allerdings um Katzengold handelte.<br />

In „Recognitiones“ wird ein griechischer Halbgott namens „Helmitheus“ als Sohn der<br />

Pyrra genannt. Pyrra hatte drei Kinder, keines davon heißt „Helmitheus“; einen Halbgott<br />

dieses Namens gibt es in der griechischen Mythologie überhaupt nicht.<br />

Die Kunst <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>s, so sie auch alle Welt erregt, für Mutianus hat sie sich erledigt:<br />

„ein bloßer Prahler und Narr. Seine Kunst, wie die aller Wahrsager, ist eitel (leer).“<br />

Was ein Missgeschick aber auch!<br />

Da hat sich <strong>Faust</strong> als Bildungsnachweis mit Heidelberg sowie drei latinisierten Namen<br />

herausgeputzt, um sich mit falschem Götterhauch selbst zu entlarven. Was nicht weiter<br />

schl<strong>im</strong>m wäre, es merkt ja in der Regel keiner, doch dann musste ausgerechnet dieser<br />

Rufus Mutianus aufkreuzen, <strong>des</strong>sen verwöhnte Nase das feine Sauer in der<br />

Parfümwolke erschnupperte, um still zur Feder zu greifen und uns Nachgeborenen eine<br />

Notiz hinterlassen.<br />

Verständlich, dass Mutianus zwar den „Helmitheus“ aufs Papier kratzt, er jedoch keinen<br />

Hinweis gibt, was ihn stört oder ob ihn überhaupt etwas dabei stört; Mutianus ist nicht<br />

nur gebildet, er ist überlegen gebildet – er stößt doch niemand vor den Kopf.<br />

Was das Urteil in den Händen <strong>des</strong> Henricus Urbanus soll?<br />

Das Schreiben <strong>des</strong> angesehenen Mutianus enthält zwei Handlungsanweisungen.<br />

„Ru<strong>des</strong> admirantur!“ Soll heißen: Mit so einem geben sich Gebildete nicht ab!<br />

Der bildhafte Ausdruck einer „Physiognomie leichter als eine Wasserspinne“, ist als<br />

hoher Bildungsbeweis, in diesem Fall wohl als verschärfter akademischer Tadel zu<br />

verstehen; frei nach dem Motto: „Seid Ihr denn überhaupt gebildet?“<br />

Und „Gegen ihn sollten sich die Theologen erheben, statt dass sie den Philosophen<br />

Reuchlin wegen seines „Augenspiegel“ zu vernichten suchen.“, ist schlicht eine<br />

Empfehlung, <strong>Faust</strong> bei den Dominikanern zu denunzieren. Sollen sich die Inquisitoren<br />

an diesen ungebührlichen Lästerer verschwenden, statt Reuchlin zu attackieren.<br />

Der Schlussatz ist wohl die bestätigende Schleife der vorherigen Aussagen: „Ich hörte<br />

ihn <strong>im</strong> Wirtshaus schwatzen; ich habe seine Anmaßung nicht gestraft; was kümmert<br />

mich fremde Torheit?“<br />

Henricus Urbanus ist es zugedacht, das Urteil <strong>des</strong> angesehenen Mutianus an der<br />

Universität lancieren.<br />

Mutianus selbst, er wird sich über <strong>Faust</strong> nicht persönlich äußern. Nicht in einem<br />

Gespräch, schon gar nicht in Briefen an andere Humanisten.<br />

Die Kunst <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>s, selbst Mutianus hat sie offenbar nicht durchschaut, was ihm gutmöglich<br />

nicht behagt, andererseits ist er Humanist und als solcher hat er keine Mühe<br />

sein Unbehagen darüber kurz zu halten. <strong>Faust</strong>s anmaßen<strong>des</strong> Geschwätz sowie die<br />

Verwendung <strong>des</strong> „Helmitheus“ verraten, <strong>Faust</strong> hat gewiss nicht in Heidelberg studiert,<br />

und die Kunst, die er vor der Ru<strong>des</strong> zelebriert, stammt aus keiner Universität, die ist<br />

irgendwo in den Hecken oder am Straßenrand gewachsen, bei alten Weibern,<br />

Hebammen und Buckelkrämern. Von daher braucht ein gebildeter Mensch diese Kunst<br />

gar nicht verstehen.<br />

Wenn auch Mutianus uns durch seine Zeilen annehmen lässt, dass er noch nie zuvor<br />

von <strong>Faust</strong> gehört, er sich noch nie Gedanken über das gemacht hätte, was ihm bis<br />

dahin über <strong>Faust</strong> zu Ohren gekommen ist, es stehen nur wenige Quellentexte zur<br />

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