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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Neugierigen strömen, drängeln sich <strong>im</strong> Saal; der Saal selbst ist durch ein Seil in<br />

zwei Abschnitte geteilt, <strong>im</strong> kleineren Abschnitt sitzt der berühmte <strong>Faust</strong>us an einem<br />

Tisch, er schreibt. Was er schreibt, man weiß es nicht, aber es steigert die Spannung,<br />

außerdem braucht jeder noch sein Getränk, auch der Wirt will sein Geschäft machen.<br />

Endlich steht <strong>Faust</strong> auf, mustert schweigend das Publikum. Zwischen die Beine der<br />

Zuschauer hat sich ein Bub in Lumpen gekauert. <strong>Faust</strong> fasst ihn ins Auge, winkt ihn<br />

stumm zu sich her. Die Zuschauer grinsen. Dass ein gutgekleidete Herr sich um ihn<br />

schert, scheint dem Buben nicht ganz geheuer, doch er schlüpft unter dem Seil durch,<br />

nähert sich misstrauisch, um schließlich seine schmutzige Hand in die gereichte Hand<br />

<strong>des</strong> Fremden zu legen.<br />

„Mit dem jungen Mann ist der Anfang gemacht!“ erklärt <strong>Faust</strong>. „Üblicher weise ist<br />

meine Kunst jedem tapferen Mann einen Rheinischen wert, der junge Mann bezahlt<br />

nichts, er bekommt von mir einen Pfennig geschenkt!“<br />

Damit hat <strong>Faust</strong> das Stichwort gegeben. Der Bub denkt an Geld. Geld, das er nicht<br />

hat, Geld, das er vielleicht verloren hat.<br />

„Wobei der junge Herr das Geld <strong>des</strong> berühmten Doktor <strong>Faust</strong>us gar nicht braucht, er<br />

hat ja selbst seine Pfennige!“<br />

Der Bub schaut erstaunt, seine Blicke sichern nach allen Seiten.<br />

„Ganz recht! Der junge Mann, er hat zwei Pfennige bei sich!“<br />

Der Bub versucht sich loszumachen, der vornehme Herr lässt seine Hand nicht los.<br />

Die Zuschauer lachen.<br />

„Klug wie er ist, hat er seine Pfennige eingenäht! Und zwar hier!“ <strong>Faust</strong> packt die Linke<br />

<strong>des</strong> Buben, hebt sie leicht, und reibt den Ärmelsaum zwischen Daumen und Zeigefinger.<br />

Der Bub windet sich, als wenn ihn eine Schlange beissen wollte. Die Zuschauer<br />

gröhlen begeistert, die Situation ist zu eindeutig, dieser Doktor <strong>Faust</strong>us hat sich ganz<br />

gewiss nicht mit diesem Lumpenbuben abgesprochen.<br />

„Natürlich ist mir nicht verborgen – so wie alle Dinge zwischen H<strong>im</strong>mel und Erde für<br />

den Doktor <strong>Faust</strong>us offen liegen – woher er das Geld hat!“<br />

Der Bub starrt entsetzt.<br />

„Bevor er mit dem Prügelstock Freundschaft schließt, bekommt er nun seinen<br />

Pfennig!“<br />

<strong>Faust</strong> drückt dem Buben einen Pfennig in die Hand und lässt die Hand los. Der Bub<br />

rettet sich ins Publikum zurück.<br />

War es so gewesen? Nun, wir waren nicht dabei.<br />

Falls es so gewesen war, es erklärte, warum selbst nach acht Tagen das Publikum<br />

noch nicht satt war, warum man <strong>Faust</strong>, laut Begardi, Geld auch geradezu aufdrängte.<br />

Diese Art von Kunst überzeugte jeden. Ein Mann, der diese Kunst beherrschte, dem<br />

traute man auch zu, dass er wusste, wo der Ahnherr Rangbold den Schatz versteckt<br />

hatte.<br />

Diese Kunst überzeugte auch Johannes Virdung – aber nur in sofern, dass er wusste,<br />

dass er diesen <strong>Faust</strong> in die Mache kriegen musste, damit der für ihn arbeitete.<br />

Ob Virdung dabei Abt Trithemius über seine wahren Absichten ins Bild setzte ist<br />

fraglich. Der Brief <strong>des</strong> Trithemius lieferte Virdung das erhoffte Druckmittel, den Vorwurf<br />

der Blasphemie, wobei Trithemius aber offenbar glaubte, <strong>Faust</strong> werde bestraft, er<br />

folglich eine Auspeitschung empfahl.<br />

<strong>Faust</strong> hinterließ keine eigenen Bücher; das passt ins Bild.<br />

Innerhalb der <strong>Faust</strong>forschung verweist man gerne auf den „Index Sanitatis“, ein Buch,<br />

von dem nur wenige Exemplare unsere Zeit erreichten. Daher sei denkbar, dass von<br />

einem Buch <strong>des</strong> Autors <strong>Faust</strong> überhaupt kein Exemplar erhalten blieb.<br />

Begardi, der Verfasser <strong>des</strong> „Index Sanitatis“, war ein unbekannter Mensch, <strong>Faust</strong> war<br />

eine Berühmtheit; „De max<strong>im</strong>a occulta philosophia“ von Johann Georg <strong>Faust</strong> wäre ein<br />

Bestseller geworden.<br />

Die Gehe<strong>im</strong>nisse der Grossen durfte <strong>Faust</strong> nicht zum Druck geben, sein eigenes<br />

Gehe<strong>im</strong>nis noch viel weniger. Wenn er selbst nicht kreativ war, nicht gegen den Strich<br />

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