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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Ohne einen Kaiser Konstantin lässt sich kein Kolloquium veranstalten, und nicht einmal<br />

dieser konnte Frieden herstellen.“<br />

Auch das klingt angemessen und vernünftig und weise.<br />

Umso mehr ist man überrascht, dass sich wenige Monate später auch der König von<br />

Dänemark von Melanchthon abwendet; erstaunlich, nachdem er von Melanchthon bis<br />

dato derart beeindruckt war, dass er ihm seit Jahren eine jährliche Pension von 50<br />

Talern zahlte.<br />

Um es vorwegzunehmen, so friedlich, wie es sich stellenweise in „MBW“ liest, war<br />

Melanchthon nicht. Wie denn auch?! Vom „Aufstand der Ungebildeten“ sprach er<br />

bereits um 1538 <strong>im</strong> Zusammenhang mit den damaligen Streitereien. Und sollte er, der<br />

er von Anbeginn die Reformation durch alle Strudel mitgesteuert hatte, der vierzig<br />

Jahre hindurch in Briefen und Schriften, in Vorlesungen und Disputen gelebt hatte, der<br />

einem Johann Eck den Vorwurf der Ketzerei entwunden hatte, sich für die letzten zwölf<br />

Jahre seines Lebens das Schweigen von Zunge und Feder auferlegen, nur weil die<br />

„Unbildung“ überhand nahm. Wo ihm nichts derart verächtlich ist, wie gerade die<br />

Unbildung. Es liegt auf der Hand, es muss ihn unbedingt gereizt haben, diese<br />

neidischen Widerlinge ein wenig gegen den Strich zu streicheln.<br />

Grundsätzlich sei dazu angemerkt, ein hochgebildeter Mensch muss, um seinen<br />

Kontrahenten zu reizen, sich nicht allzu weit dabei aus dem Fenster lehnen. Es braucht<br />

nur einen Brief in geschliffenem Latein, um dem Empfänger stilvoll zu bedeuten: wie<br />

soll ich mit dir über die „Beichte“ disputieren, wo du so ungebildet bist, dass du bereits<br />

meinen Brief kaum verstehst.<br />

Geschliffene Sprache, auf die Melanchthon in seinen privaten Briefen gerne verzichtet,<br />

er bezeichnet eine gegnerische Schrift als „Stuttgarter Latein“.<br />

Dazu „scherzt und plaudert“ er weiterhin gerne in Wittenberg, vom Widersacher<br />

Schwenckfeld redet er in geselliger Runde als „Stenckefelder“.<br />

Auch existiert ein Schreiben Calvins vom 19. November 1558, darin heißt es: Genf<br />

drohen durch Kg. Heinrich II. von Frankreich und Kg. Philipp von Spanien größere<br />

Gefahren, als Melanchthon von seinen undankbaren Schülern. Calvin schreibt weiter,<br />

dass es ihn verletzte, dass Hubert Languet um dem Sebastian Castellio zu gefallen,<br />

Melanchthons abfällige Reden über seine (Calvins) Lehre kolportierte.<br />

Neben ehemaligen Schülern, die ihn angreifen, gibt es jene, die ihm zur Seite springen.<br />

„MBW“ berichtet von einer Schmähschrift gegen einen seiner Herausforderer in<br />

Kopenhagen, und da sie von ehemaligen Wittenbergern geschrieben wurde, wird die<br />

Universität von Wittenberg empört als „die Schule der Frechheit“ bezeichnet.<br />

Und in Dok. 8299 führt Flacius vor Kolloquenten aus:<br />

Man muss zur Eintracht zurückkehren. Die Schmähschriften der Wittenberger müssen<br />

unterbleiben; wie die zwei Bilder von den Eseln, die Philomela, die Polemiken <strong>des</strong><br />

Willibald Ramsbeck und die „Vogelsynode“. Gott möge zur Eintracht, wie sie zu Luthers<br />

Zeiten bestand, zurückführen.<br />

Mit der beschworenen Eintracht zu Luthers Zeiten war es zwar nicht weit her gewesen,<br />

doch das Vorwort zu Willbald Ramsbecks Polemiken „Von dem reichen Mann und<br />

einem armen Lazaro“ hatte kein anderer als eben Melanchthon geschrieben, und auch<br />

über die „Vogelsynode“ war er gut informiert: Johannes Stigel, der sich von Flacius<br />

angegriffen fühlte, hatte Melanchthon brieflich aufgefordert, dass Caspar Peucer nun<br />

seine „Vögel“ erscheinen lasse.<br />

Nicht minder fragwürdig, Melanchthons generöses Angebot, sich dem Urteil der<br />

Theologen zu stellen. Als das Urteil schließlich ergeht, weist er es als parteiisch zurück.<br />

Die Demut, die hinter Sätzen wie „Schweigend ertrage er das Unrecht.“ hervorleuchtet,<br />

die gibt es also nicht, wahrscheinlicher ist vielmehr, dass auch er gelegentlich vom<br />

Zank erschöpft war.<br />

Wie heftig der Schlagabtausch war, wird in „MBW“ nicht auf den ersten Blick deutlich –<br />

der fehlenden Dokumente sind zu viele. Allerdings lassen die Grobheiten einiger<br />

Schriftstücke erahnen, was den Lücken <strong>im</strong> Fundus an Schweigen aufgetragen ist.<br />

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