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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Als Franz von Sickingen das Banner alter Adelsherrlichkeit gegen Trier entrollt und auf<br />

knarrzendem Sattel anreitet, ist er nur noch der besagte alte Rebstock, der sich nun<br />

selbst ins Feuer <strong>des</strong> Schwäbischen Bun<strong>des</strong> wirft.<br />

Die Bauern sind anfangs siegreich. Doch welcher Rechtsgrundlage waren die Landstriche,<br />

die nun vorübergehend frei von Kirchen- und Adelsherrschaft waren?<br />

Denn die Schweiz, das gedachte Vorbild der Aufständischen, konnte sich unter<br />

Machtverhältnissen etablieren, die deutlich andere gewesen waren; auch hatten die<br />

Topografie und die einstige Armut <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> den Weg zum eigenen Staat begünstigt.<br />

Das min<strong>des</strong>te, was die Aufständischen gebraucht hätten, wäre ein Leg<strong>im</strong>ationsträger<br />

gewesen, ein Fürst, der ihre Sache auch zu seiner Sache erklärte.<br />

Doch nicht allein das Alte, auch das Neue zerschellt an der neuen Staatlichkeit.<br />

Luther, gewiss kein Bauer – auch wenn er damit kokketierte, sondern Kind eines<br />

Unternehmers und obendrein gebildet, er wusste freilich, dass es nicht genügt sich auf<br />

die Bibel zu berufen, dass man auch Mächtige für eine Idee gewinnen muss. Doch<br />

nicht allein, dass der freie Zugang zur Lehre zu heilloser Zerstrittenheit unter den<br />

Protestierenden führte, noch unter seinen Augen schmieden die protestantischen<br />

Fürsten, Herrn ihrer Lan<strong>des</strong>kirchen, die „Lehre <strong>des</strong> reinen Evangeliums“ in<br />

kleinpäpstlicher Vollkommmenheit zu ihrem persönlichen Machtinstrument.<br />

„Wissen ist die Grundlage, um richtig zu handeln“ lautet die Max<strong>im</strong>e der frühen<br />

Humanisten. Und mit umfassendem Wissen führt Melanchthon das Wissen ad<br />

absurdum, gemäß seinem Schreiben an Camerarius vom 25.2.1539 hat er auf Geheiß<br />

soeben drei verschiedene Gutachten über das sogenannte „Widerstandsrecht“<br />

angefertigt.<br />

Weiß er nicht, dass die protestantischen Fürsten die Lehre <strong>des</strong> reinen Evangeliums als<br />

Mäntelchen ihrer Besitzgier nutzen? Er weiß es, er schreibt es in seinen Briefen.<br />

Er weiß auch, wer diese Herren letztlich sind, denen er mit seinem Scharfsinn und<br />

seinem Wissen die Sporen vergoldet.<br />

Sein Herr, der Kurfürst von Sachsen ergibt sich dem Fressen und Saufen, der Landgraf<br />

von Hessen lebt in zwei Ehen, der Herzog von Württemberg ist gefürchtet wegen<br />

seiner Unbeherrschheit. Melanchthon ist sich bewusst, dass er drei Götzen – der<br />

Völlerei, der Bigamie und dem Jähzorn – geradewegs einer allegorischen Darstellung<br />

Fegefeuer verheißender Sünden entstiegen, ein Widerstandsrecht konstruierte, „damit<br />

der Kaiser sie nicht zu sündiger Religionsausübung zwinge.“<br />

Und was tut Melanchthon, der einst die Welt über das Wissen neu ordnen wollte,<br />

angesichts all der Missstände und schreienden Widersprüche und gegen die daraus<br />

resultierende „Trauer und Niedergeschlagenheit“? Er empfiehlt seinem Freund<br />

Camerarius „zu kompensieren – durch Hingabe an die Studien. Er selbst gebe sich<br />

auch den Studien hin.“<br />

Ob Kaiserlichkeit, Adelsglanz, Bauernparadies, „Reine Lehre“ oder allumfassen<strong>des</strong><br />

Wissen, es wurde in nüchternen Verwaltungsakten liquidiert oder durch bestehende<br />

Verträge gezäumt, so es sich doch entfalten durfte, dann allein nach fürstlichem Willen.<br />

*<br />

Der Reuchlin-Streit<br />

Ein erhellen<strong>des</strong> Licht auf jene Zeit wirft die Verteidigung jüdischer Schriften, die sich<br />

als „Reuchlin-Streit“ in die Geschichtsbücher schrieb.<br />

„Judenspiegel“, „Die Judenbeichte“ und „Der Judenfeind“ heißen Flugschriften die ab<br />

1507 in Deutschland zu kaufen sind. Nicht nur der Talmud, auch viele andere jüdische<br />

Bücher, so ist darin zu lesen, seien gotteslästerlich und christenfeindlich.<br />

Pfefferkorn heißt der Verfasser. 1509 besucht er in München die Schwester Kaiser<br />

Max<strong>im</strong>ilians I. <strong>im</strong> Kloster der Franziskanerinnen, er berichtet ihr, was alles in den<br />

jüdischen Büchern steht. Willig setzt sie ein Schreiben an ihren Bruder auf, sie bittet<br />

ihn um die Vernichtung aller jüdischen Bücher, die Bibel ausgenommen.<br />

Dem Wunsch entspricht der Kaiser gerne. Schon sind in Frankfurt die ersten Bücher<br />

eingesammelt, da widerspricht der Mainzer Erzbischof dem formlosen Verfahren, auch<br />

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