12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lange mitgetragen? Hätte die Hexenverfolgung in Deutschland nicht ein rasches Ende<br />

gefunden, falls die evangelische Seite sich verweigert hätte?<br />

Hatte man nicht auch, lange nach Luther, ein Machwerk finstersten Aberglaubens, die<br />

„Historia vom weitbeschreyten Zeuberer“, diesem „D. Johann <strong>Faust</strong>en“, unters Volk<br />

gebracht, jene „Historia“, die ohnehin intern umstritten war.<br />

Zwar ist das Gedächtnis kurz, doch leider machte diese alte „Historia“ keinerlei<br />

Anstalten aus den Köpfen zu verschwinden. Im Gegenteil, sie war lebendig und wurde<br />

mit zunehmender Aufklärung erneut richtig putzmunter. Nun sahen sich Autoren<br />

gereizt, für die seltsamen Abenteuer jenes <strong>Faust</strong>us rationale Erklärungen zu finden,<br />

die realen Hintergründe zu erkunden. Leider ist die „Historia“ ein abgeschmacktes<br />

Propagandawerk mit geringst möglicher Substanz. Ein Zeitpunkt, wo der erste Autor<br />

das Werk in die Ecke feuerte, ein zweiter sich über den evangelischen Aberglauben<br />

lustig machte, wenn nicht gar wesentlich übleres zu Papier brachte, schien möglich<br />

geworden, war vielleicht gar nicht mehr so fern.<br />

Könnte es sein, dass man sich Lerche<strong>im</strong>ers Empfehlung erinnerte, sich mehr an die<br />

Fakten zu halten?<br />

Die Erkenntnis, einmal durch die „Historia“ den Hexenglauben befördert, sodann aktiv<br />

an der Ermordung Tausender von Menschen beteiligt gewesen zu sein, sie muss wohl<br />

in den Köpfen der Verantwortlichen einiges ausgelöst haben.<br />

Am 13. Dez. 1714 erklärte jedenfalls Friedrich Wilhelm I. seine Skepsis gegenüber den<br />

Hexenprozessen. Trotz dieser Skepsis, das sei gesagt, pflegte er einen gewissen<br />

Aberglauben, eine schwarze Katze oder drei Frauen am Wegrand veranlassten ihn,<br />

eine Kutschfahrt abzubrechen.<br />

Die geäußerte Skepsis bedeutete kein sofortiges Ende der Hexenprozess in Preußen,<br />

doch be<strong>im</strong> letzten Prozess <strong>im</strong> Jahr 1728, wird die 22-jährige, eine Geistesschwache,<br />

wegen liederlicher Lebensführung zur Arbeit verurteilt und in das Spinnhaus von<br />

Spandau gebracht. (In Bayern dauern die Hexenprozesse ein halbes Jahrhundert fort.<br />

In Spanien gar gedachte man noch um 1830 die Hexenprozesse wieder zu beleben –<br />

um die Liberalen zu bekämpfen.)<br />

Die „Historia“ aus der Welt zu reden, war nicht möglich. Den Autoren ihren <strong>Faust</strong> zu<br />

verbieten, war zwar per Zensur möglich, es hätte jedoch zu Fragen geführt; zu groß<br />

war das Interesse an diesem Dr. <strong>Faust</strong>us.<br />

Ist es denkbar, dass die evangelische Kirchenleitung sich in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 17.<br />

Jahrhunderts dafür entschied, das Umfeld der „Historia“ sowie die Autoren mit etwas<br />

„Substanz“ zu füttern, die abergläubischen Märlein mit etwas Realität aufzurüsten, um<br />

sich zumin<strong>des</strong>t ein wenig aus dem Dunstkreis tiefsten Aberglaubens zu entfernen, ein<br />

Stück näher an die historische Realität zu rücken?<br />

Gesetzt den Fall, dass man sich tatsächlich Gedanken um die Folgen der „Historia“<br />

machte, so sollte sich zeigen, derartige Bedenken waren berechtigt.<br />

1704 rief der Jurist Johann Reiche dem 1653 verstorbenen Pariser Bibliothekar<br />

Gabriel Naudé nach: er sei „so närrisch und einfältig gewesen / solches in der That zu<br />

glauben … die törichten Fratzen und Fabeln / von D. <strong>Faust</strong>en / … womit sich itzo die<br />

Kinder-Muhmen und Mägde in den Spinn-Stuben schleppen (belasten).“<br />

1716 äußerte der Magie-Historiker Franciscus de Cordua: „D. <strong>Faust</strong>en betreffend / so<br />

ist noch lange nicht erwiesen / ob jemahls ein Mann dieses Nahmens gelebt / und der<br />

so ein beschriebener Hexenmeister gewesen seyn solle … Das zusammen<br />

geschmierte Leben <strong>des</strong> D. <strong>Faust</strong>s beweiset <strong>des</strong>sen Existenz noch lange nicht / weil<br />

dieses Buch aus nichts / als lauter albern Fratzen bestehet / die ein jeder Vernünfftiger<br />

sonder alle Mühe / mit Händen greifen kann … wird kein gescheuter Mann glauben...“<br />

1737 schrieb der Kanzleirat Johann Benedict Scheibe: „ Die Geschichte vom Doct.<br />

<strong>Faust</strong>en … halte ich vor Fabel und Erfindung eines verwirrten und albern Kopffes.“<br />

Könnte es sein, dass das „Verzeichnis der Maulbronner Äbte“ mit dem eingefügten<br />

Passus: „iß Dr. <strong>Faust</strong>en deß Zeuberers Collega gewesen, welcher diesen Abbt zu<br />

Maulbronn besucht.“ ein dementsprechender Fake, ein lancierter <strong>Faust</strong>beleg ist?<br />

Erklärt sich auf diese Weise die „Verspätung“ dieser „Vermeldung“?<br />

135

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!