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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Der behauptete Versuch einer Festnahme in Wittenberg ist wohl eine Artigkeit <strong>des</strong><br />

Philipp Melanchthons gegenüber seinem Fürsten.<br />

„Der fromme und löbliche Hertzog Johann“, das war Johann Friedrich der Großmütige<br />

von Sachsen, der allerdings nicht nur fromm, sondern auch fettleibig war; ein schwermütiger<br />

Mensch, der gerne aß und noch lieber trank. Den Beinamen „der Großmütige“<br />

erhielt er, da er den Protestantismus, Luther sowie die Universität von Wittenberg<br />

förderte. Von 1532-1547 war er Kurfürst von Sachsen, dazu war er auch Führer <strong>des</strong><br />

Bündnisses der protestantischen Fürsten, <strong>des</strong> Schmalkaldischen Bun<strong>des</strong>. Im Schmalkaldischen<br />

Krieg geriet er 1547 in Gefangenschaft, ging seiner Kurfürstenwürde<br />

verlustig, wurde zum Tod verurteilt, dann begnadigt und nach fünf Jahren als Herzog<br />

aus der Haft entlassen. Ein hoher Preis, den er als Bannerträger <strong>des</strong> Protestantismus,<br />

freilich auch für seinen Raub <strong>des</strong> Bistums Naumburg-Zeitz zu zahlen hatte.<br />

Wenn Melanchthon bei einer seiner Sonntagspostillen von dieser versuchten<br />

Festnahme in Wittenberg berichtet, dann eventuell <strong>des</strong>halb, weil die Frage <strong>im</strong> Raum<br />

stand, warum <strong>Faust</strong>s teuflischem Treiben kein Ende bereitet wurde, warum <strong>Faust</strong> nie<br />

der Prozess gemacht worden war.<br />

Melanchthon behalf sich mit einer geistreichen Teilinformation. Gemäß seiner<br />

Ausführung „hette befehl getan“ sich vorzustellen, „der fromme vnd löbliche Fürst<br />

Hertzog Johannes“ hätte sich gleichsam persönlich aus dem Fenster gelehnt und mit<br />

dem Ruf „Haltet den Zeuberer!“ seine Wachen auf <strong>Faust</strong> gehetzt, ist weitaus<br />

interessanter als sich anzuhören, wie viele Verordnungen und Gesetze unter „Hertzog<br />

Johannes“ erlassen wurden, um Leuten wie <strong>Faust</strong> den Garaus zu machen.<br />

Die volle Information hätte analog zu einem entsprechenden Gesetz <strong>des</strong> Landgraf<br />

Philipps von Hessen lauten müssen: „Der Kristallenseher und Weissager halben ist<br />

unser Befehl, dass man derselben Personen … an Leib und Gut ohne alle<br />

Barmherzigkeit strafen soll.“<br />

Ein Besuch <strong>Faust</strong>s <strong>im</strong> lutherischen Wittenberg ist schwer vorstellbar. Eventuell hatte es<br />

einst einen Eklat ähnlich dem in Erfurt oder in Ingolstadt gegeben, der aber bereits um<br />

1514 oder noch früher passiert war, also sehr weit zurücklag und nun in Verbindung mit<br />

„Hertzog Johann“ als ein jüngeres Ereignis die Runde machte, sich zu einer „neuen<br />

Wahrheit“ gezeugt hatte.<br />

Nicht viel anderes gilt für den angeblichen Versuch einer Festnahme in Nürnberg,<br />

Manlius schreibt: „Deßgleichen ist er zu Nürnberg auch entrunnen. Als er vbers<br />

Mittagsmahl saß / ist jm heiß worden / vnd er ist von stundan auffgestanden / vnd hat<br />

den Wirt bezalt / was er jhm schuldig war / vnd ist daruon gegangen. Vnd als er kaum<br />

ist fürs thor kommen / waren Stadtknecht kommen / vnd hatten nach jhm gefraget.“<br />

Die recht detailierte Schilderung scheint einen Kern von Wahrheit in sich zu tragen:<br />

„Als er vbers Mittagsmahl saß / ist jm heiß worden / vnd er ist von stundan<br />

auffgestanden“. <strong>Faust</strong> war also be<strong>im</strong> Mittagsmahl gesessen, als er abrupt vom Tisch<br />

aufstand, zum Wirt sagte, dass ihm heiß sei, seine Zeche beglich und davon ging.<br />

<strong>Faust</strong> liefert dem Wirt eine Begründung für seinen plötzlichen Aufbruch, denn er will<br />

schleunigst zur Tür hinaus, und zwar schneller hinaus als der Wirt nachdenklich und<br />

am Ende gar noch argwöhnisch wird.<br />

Fraglos wäre der Wirt nachdenklich geworden, so eben ist seinem Gast noch derart<br />

heiß gewesen, dass er sogar auf sein Essen verzichten muss, <strong>im</strong> nächsten Moment ist<br />

er bereits verschwunden. Die Verwunderung darüber, wie schnell sich <strong>Faust</strong> aus dem<br />

Staub machte, sie klingt noch <strong>im</strong> Bericht nach. Frei formuliert: „Und er muss kaum zum<br />

Tor draußen gewesen sein, als schon die Stadtknechte auftauchten und nach ihm<br />

fragten.“<br />

Der „Bericht“ lässt die Vermutung zu, das Wirtshaus befand sich in der Nähe <strong>des</strong> Stadttors;<br />

<strong>Faust</strong> hatte bei der Wahl der richtigen Küche auch die „Entfernung zum nächsten<br />

Sprengel“ berücksichtigt.<br />

Mag sein, dass sich dergleichen in einem Städtlein zugetragen hatte, später auch in<br />

einer Landschaft die Runde gemacht hatte, doch <strong>im</strong> Lauf der Zeit muss sich das<br />

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