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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Alexander Tille hat <strong>im</strong> Jahr 1900 das Verzeichnis auf 1720 datiert; dieses Jahr wird <strong>im</strong><br />

Allgemeinen als gesichert angesehen und dementsprechend verwendet.<br />

Laut Mahal dagegen, in „<strong>Faust</strong>. Und <strong>Faust</strong>“: „das „abgesehen von der aufklärerischen<br />

Randglosse „Sancta S<strong>im</strong>plicitas!“, einem Notat <strong>des</strong> Archivars Philipp Jacob Zeitter aus<br />

dem 17. Jahrhundert entspricht.“<br />

Philipp Jacob Zeitter, 1634 – 1691, war Württembergischer Hofregistrator.<br />

Der Zeitpunkt der Entstehung <strong>des</strong> Äbte-Verzeichnisses fügt sich in den zeitlichen<br />

Bedarfsrahmen. Der Inhalt der Einfügung entspricht den Erfordernissen, wie sie sich<br />

mit Blick auf die <strong>Faust</strong>thematik ergaben; nicht viel an Substanz, jedoch Authentizität<br />

heischend, also mittelalterlich verdreht, verschwiemelt und angesch<strong>im</strong>melt.<br />

Da die Einfügung in einem Archiv vorgenommen wurde, stellen sich Fragen:<br />

Wo ist die Originalvorlage <strong>des</strong> Äbteverzeichnisses abgeblieben? Die Protestanten<br />

führten in Maulbronn spätestens ab 1556, mit Einrichtung eines evangelischen<br />

Seminars, ein ordentliches Archiv – man entsorgt kein Original.<br />

Ein Archivar fertigt eine Abschrift an und n<strong>im</strong>mt dabei eine Einfügung vor. Ein Archivar<br />

ist in der Regel ein penibler Mensch. Er ist mit dem Urkundenwesen umfassend<br />

vertraut, so er eine Erweiterung vorn<strong>im</strong>mt, verweist er auf die Quelle der Erweiterung.<br />

Warum hat er zudem das Verzeichnis nicht unterschrieben und das Datum der<br />

Anfertigung nicht festgehalten? Das sind grundlegende Dinge einer jeden Archivarbeit.<br />

Nicht allein, es unterläuft ihm dabei ein Zahlendreher (1521 / 1512), ebenfalls<br />

ungewöhnlich für einen Archivar. Dazu ist die eingefügte „Meldung“ derart dümmlich,<br />

dass ein Unbekannter sich gereizt sah, ein freches „Sancta S<strong>im</strong>plicitas“ daneben zu<br />

kritzeln.<br />

Ein Archiv ist kein Tollhaus, es ist die Verwahrstelle von Dokumenten, wie sie für<br />

Rechtsstreitigkeiten um Besitz und Ansprüche erforderlich sind. Archivar zu sein,<br />

bedeutet eine Vertrauensstelle inne zu haben, der Kreis jener, die zu einem Archiv<br />

Zugang haben ist eng begrenzt.<br />

Damit nicht genug! Die Information „iß Dr. <strong>Faust</strong>en deß Zeuberers Collega gewesen,<br />

welcher diesen Abbt zu Maulbronn besucht.“ findet sich wortgleich in einer weiteren<br />

Quelle, allerdings gleich mit zwei falschen Jahresangaben behaftet. Der Amtsantritt<br />

Entenfuß` ist auf 1516 verlegt, sein To<strong>des</strong>jahr ist mit 1547 angegeben. Besagte Quelle<br />

– Historikern dürfen die Haare zu Berge stehen – ist keine geringere als das „Fürstlich<br />

württembergische Dienerbuch vom IX. bis zum XIX. Jahrhundert“. Verantwortlicher<br />

Archivar war jener Württembergische Hofregistrator Philipp Jacob Zeitter.<br />

Abgesehen von den falschen Jahresangaben, mag sein, dass damalige <strong>Faust</strong>-Autoren<br />

ihre Werke, weil werbeträchtig, noch <strong>im</strong>mer mit „Zeuberer <strong>Faust</strong>“ überschrieben, doch<br />

dass ein amtliches Archiv in einer Zeit, da die Aufklärung bereits gut fortgeschritten ist,<br />

einen „Zeuberer“ notiert, ist ein erstaunlicher Vorgang.<br />

Wie verlässlich sind Archive? In Sachen „<strong>Faust</strong>“ sind die Grundlagen ordentlicher<br />

Archivarbeit jedenfalls außer Kraft gesetzt.<br />

Fragen und Ungere<strong>im</strong>theiten, die der Klärung bedürfen, die sich allerdings, einen<br />

konstruierten <strong>Faust</strong>beleg zu Grunde gelegt, nahezu selbsttätig erklären.<br />

Die verschwurbelte Formulierung <strong>des</strong> Einschubs <strong>im</strong> Verzeichnis, der Lapsus eines<br />

Zahlendrehers, sowie der Zusatz „Sancta S<strong>im</strong>plicitas!“ – handelt es sich dabei um eine<br />

schlaue Mogelpackung mit oberschlauem Verwirrspiel?<br />

Davon ausgehend, stellt sich die Frage, warum dieser „<strong>Faust</strong>nachweis“ ausgerechnet<br />

Maulbronn <strong>im</strong>plantiert wurde, die protestantischen Fürsten als auch ihre Kirche haben<br />

von der katholischen Kirche schließlich Hunderte von Klöstern und Kirchen geerbt.<br />

Quer durch Norddeutschland und nicht nur dort, lagen zahllose Äbteverzeichnisse und<br />

Kirchenbücher bereit, sie alle konnten abgeschrieben und zweckdienlich angereichert<br />

werden.<br />

Dass die Wahl auf Maubronn fiel, dafür bieten sich mehrere Gründe an.<br />

Wie unterstellt, sah sich die evangelische Kirche eventuell geneigt, ein wenig in<br />

Richtung Wahrheit, in Richtung Knittlingen zu rudern. Denn Knittlingen, als <strong>Faust</strong>s<br />

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