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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Neben seinen behaupteten geistig-spirituellen Fähigkeiten stehen seine angebotenen<br />

Dienstleistungen; das Gros davon gehört in die Welt der Paraphänomene: Pyromant,<br />

Hydromant, Aeromant u.a.m.<br />

Doch auch diese Tätigkeiten wollen nicht recht in den Lärm eines Wirtshauses passen,<br />

sie brauchen <strong>im</strong> allgemeinen Ruhe, eine Situation innerer Einkehr.<br />

Wir wissen nicht, womit <strong>Faust</strong> sein Publikum überzeugte, doch was er bot, es musste<br />

sich sehen lassen können. <strong>Faust</strong> kam vor acht Tagen nach Erfurt, berichtet Mutianus;<br />

die Show hat sich <strong>im</strong>mer noch nicht totgelaufen, das Publikum ist noch <strong>im</strong>mer nicht<br />

satt. <strong>Faust</strong> hat einen derartigen Zulauf, eine derartige Publizität, da konnte auch der<br />

geruhsame Privatgelehrte Mutianus nicht mehr anders, er musste sich in seine Stiefel<br />

zwängen, um nicht nur vom nahe gelegenen Gotha nach Erfurt zu eilen, sondern sich<br />

auch noch in ein Wirtshaus zu begeben, wo sich die Menge drängt.<br />

Letzteres kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden, Mutianus Rufus gilt als<br />

Vertreter eines äußerst elitären oder auch aristokratischen Humanismus. Nicht anders<br />

als Abt Trithemius, den Mutianus einst in Kloster Sponhe<strong>im</strong> besuchte, den er als seinen<br />

Lehrer bezeichnete, ist Mutianus der Auffassung, Humanismus und auch die<br />

Kenntnisse der Magie, sei eine Sache weniger Auserwählter. „Das Beste an Wissen<br />

tauge nicht für die Menge“ schrieb er, „es sei ihr vorzuenthalten.“ Um es mit Horaz in<br />

<strong>des</strong>sen Oden zusagen: „Odi profanum vulgus et arceo.“ (Ich hasse den Pöbel und<br />

meide ihn.)<br />

„Ru<strong>des</strong> admirantur“ heißt es <strong>im</strong> lateinischen Original <strong>des</strong> Briefes, „die Menge staunt“.<br />

Mutianus verwendet nicht die Bezeichnungen „Populus“ oder „Plebs“, er schreibt<br />

„Ru<strong>des</strong>“; rü<strong>des</strong>, derbes Volk. Menschen mit schweren Bewegungen, Menschen mit<br />

ungelenker Zunge, wenig Worte, aber Kreischen – fleischgewordene Zoten. Und eben<br />

in diesen Dunst von Wein und Bier, Schweiß und schlechtem Atem keilt sich Mutianus<br />

hinein, lässt sich schieben und puffen, und dann gafft er.<br />

Dass er sich überhaupt auf den Weg machte, ist erstaunlich. Mutianus Rufus lebt<br />

zurückgezogen, er scheut die Öffentlichkeit. Neben Latein und Griechisch beherrscht er<br />

auch Hebräisch, er gibt sich privaten Studien hin. Daneben ist er Kanonikus, also<br />

Rechtsgelehrter für kirchliches Recht, am Gothaer Marienstift.<br />

Zwar hat er sich den juristischen Doktorgrad in Bologna erkauft, nichts <strong>des</strong>totrotz zählt<br />

er heute neben Reuchlin und Erasmus von Rotterdam zu den einflussreichsten Führern<br />

der Humanisten; es wird ihm eine <strong>im</strong>mense Wirkung auf philosophischem und<br />

pädagogischem Gebiet bescheinigt. Bereits zu seinen Lebzeiten nannte ihn Trithemius<br />

einen „rhetor, historiographus et poeta doctiss<strong>im</strong>us“, einen äußerst gelehrten Redner,<br />

Geschichtsschreiber und Dichter.<br />

„Beata tranquillitas“ lautet das Motto, das Mutianus seinem Leben vorangestellt hat. Es<br />

bedeutet „Glückliche Ruhe“, und damit jeder Besucher Bescheid weiß, steht das Motto<br />

auch über seiner Haustür zu lesen.<br />

Mutianus, anders als die übrigen Humanisten, legt selbst auf Veröffentlichungen keinen<br />

Wert, und dennoch hat sich um ihn ein Kreis von Humanisten gesammelt, Mutianus<br />

wirkt auf seine Kollegen durch das persönliche Gespräch und vor allem über Briefe.<br />

Er ist es zufrieden, wenn er feststellt, dass seine Anregungen aufgenommen und<br />

weitergegeben werden. Er war es vermutlich auch, der Crotus Rubeanus zu den<br />

Dunkelmännerbriefen gegen die Dominikanischen Inquisitoren in der Reuchlin-Sache<br />

anstiftete.<br />

Einige <strong>Faust</strong>forscher vermuten, dass <strong>Faust</strong> nach Erfurt kam, um Kontakt zu Gebildeten<br />

zu pflegen, weil er Wissen suchte, weil er auf das geistige Niveau der Stadt reflektierte.<br />

Der Auftritt vor der Ru<strong>des</strong> ist wohl der denkbar schlechteste Weg, um sich bei jenen<br />

einzuführen, welche die Ru<strong>des</strong> verachten.<br />

Dieselben <strong>Faust</strong>forscher präsentieren den Fürstbischof von Bamberg als freisinnigen,<br />

weitherzigen Mann. Die Wurzel dieser Veredelungen ist der – auf herkömmliche Art<br />

gelesene, böse Brief <strong>des</strong> Abts Trithemius. Es kann nicht sein, was nicht sein darf, es<br />

muss das Gegenteil <strong>des</strong>sen bewiesen werden, was Abt Trithemius notierte. Frei<br />

formuliert: „<strong>Faust</strong> war zwar kein Engel, doch entschieden anders als von Trithemius<br />

dargestellt. <strong>Faust</strong> suchte in Erfurt die Bildung, und der Fürstbischof war ein netter<br />

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