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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Analyse und ließ ein Inserat platzieren: „Nutzen Sie die Gelegenheit eines einmaligen<br />

Exper<strong>im</strong>ents. Schicken Sie Namen, Adresse, Geburtsort und -zeit an: Astral<br />

Electronic.“<br />

150 Interessenten schickte er eben diese eine psychologische Analyse als Antwort.<br />

90% der „Klienten“ schrieben ihm enthusiastische Briefe, bei 80% wurde das „günstige<br />

Urteil“ von Freunden und Bekannten geteilt. Die Psychologie lehrt, dass die Menschen<br />

dazu tendieren, sich <strong>im</strong> Horoskop wie in einem Spiegel zu sehen.<br />

Und bei der Arbeit mit astrologischen Fragebögen stellte sich heraus: Menschen<br />

können sich selbst nicht einschätzen, der ersehnte Traumberuf hat keine planetarische<br />

Entsprechung. Und Personen, die in der Astrologie relativ beschlagen sind,<br />

identifizieren sich mit ihren Sternzeichen, ihr Wunschdenken dominiert. Unbewusst<br />

beeinflussen sie ihre Angaben in einem derartigen Maße, die Fragebögen sind<br />

wertlos.<br />

Von daher stellt sich die Frage, ob sich jemand selbst ein Horoskop stellen kann.<br />

Gauquelin hat bestätigt, was schon die Griechen wussten: „5000 Männer zogen in die<br />

Schlacht, ein jeder unter einem anderen Stern geboren, sie alle starben an einem<br />

Tag.“<br />

Die Astrologie hält dagegen: Für das Tagesereignis zeigten die Sterne die „Tendenz“.<br />

Es kann jeder das Beispiel mit den 5000 selbst durchdenken. Die behauptete<br />

„Tendenz“ ist ein Geschäft mit dem Zufall.<br />

So wird einsichtig, warum Wallenstein, trotz profunder astrologischer Kenntnisse,<br />

seinen Mördern nicht entging. Nicht allein, dass ihm bei der Ausdeutung der<br />

„Geneigtheit der Sterne“ persönliche Ängste und Wünsche <strong>im</strong> Weg standen, nach<br />

Gauquelin sind die Sterne die Wiege <strong>des</strong> Charakters, jedoch nicht <strong>des</strong> Schicksals.<br />

Als Kardinal Fesch bei einer nächtlichen Unterredung Napoleon den Feldzug nach<br />

Russland ausreden wollte, trat Napoleon ans Fenster und zeigte in den Nachth<strong>im</strong>mel:<br />

„Schau auf und lies! Da am gestirnten H<strong>im</strong>mel steht mein Schicksal! Und was da<br />

geschrieben steht, wird unabänderlich in Erfüllung gehen!“ Großartige Worte, obgleich<br />

die Astrologie bereits 1666 verworfen worden war; unter Ludwig XIV. hatte der Minister<br />

Jean-Baptiste Colbert die „Academie <strong>des</strong> Sciences Francaises“ gegründet, die<br />

Astrologie jedoch ausgeschlossen, ihre Grundlagen wären keine Gesetzmäßigkeiten.<br />

Leserinnen und Leser mögen das Jahr 1666 <strong>im</strong> Auge behalten. Während der kritische<br />

Colbert die Astrologie ausgrenzt, n<strong>im</strong>mt zwei oder drei Jahrzehnte später ein<br />

Hofregistrator <strong>im</strong> „Fürstlich württembergischen Dienerbuch“ eine höcht unkritische,<br />

eine gar nicht aufgeklärte Einfügung vor:<br />

Abt Entenfuß, „iß Dr. <strong>Faust</strong>en deß Zeuberers Collega gewesen, welcher diesen zu<br />

Maulbronn besucht.“<br />

Mehr dazu <strong>im</strong> Kapitel „Geschichtsfälschung auf protestantisch“<br />

Mit der Entdeckung „Indiens“ nahm die Zeit der Aufklärung ihren Anfang und mit ihr<br />

begann das Vertrauen in die unbegrenzten Möglichkeiten der Naturwissenschaften zu<br />

wachsen. Voraussetzung dafür war jedoch das blinde Vertrauen in die Astrologie zur<br />

Zeit unseres <strong>Faust</strong>s gewesen. Im Umgang mit ihr äußerte sich der Wille das Schicksal<br />

zu durchschauen, das Schicksal außerhalb der Kirche und dem Vertrauen auf Gott<br />

nun selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Freilich gab es auch Zweifler. Johann Eck bestritt 1514 in „Chryspassus“ die Annahme<br />

der Astrologen, dass H<strong>im</strong>melskörper beseelt seien. Agrippa von Netteshe<strong>im</strong><br />

bezeichnete die Astrologie als „abergläubische und betrügliche Mutmaßung“. Der<br />

italienische Neu-Platoniker Pico della Mirandola wütete gegen die Astrologie als „Pest<br />

der Medizin“ und „Quelle aller Laster“. Luther bezeichnete sie als „feine lustige<br />

Phantasei…“ und als „heillose und schebichte Astrologia“.<br />

Nur menschlich, dass Luther seiner Ansicht zeitweilig doch untreu wurde, wenn er<br />

äußerte, er sei unter unglücklichen Sternzeichen geboren, oder er gar das Vorwort für<br />

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