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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Das Schutzkommando, wie auch die Arbeiter der Straßeninstandhaltung, hatten in<br />

Knittlingen <strong>im</strong> so genannten Pfleghof ihr Quartier.<br />

In den Auseinandersetzungen zwischen Kurpfalz und Württemberg betonte der<br />

württembergische Kanzler Ludwig Fergenhaus <strong>im</strong> Jahr 1487 die Besonderheit dieser<br />

Straße: „Es sei lan<strong>des</strong>kundig, dass <strong>des</strong> hl. Reiches Straße von Stuttgart durch<br />

Vaihingen gegen Bretten und da den Rheinstrom hinab gehe. Eine solche königliche<br />

Straße habe wichtige Freiheiten:<br />

1. Durch wessen Land sie auch führt – es sei Fürst, fürstenmäßiger Herr oder<br />

Kommune – sie ist nieman<strong>des</strong> Eigentum, sondern sie habe öffentlichen Charakter, so<br />

dass jedermann, ob Christ oder Jude, sie frei benutzen könne.<br />

2. Fürst, fürstenmäßiger Herr oder Kommune, durch deren Fürstentum oder Land die<br />

Straße geht, sind verpflichtet, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Deshalb seien das<br />

Geleit und die Sicherheiten erfunden worden.<br />

3. Es darf an einer solchen Straße außer in Kriegszeiten keine Änderung vorgenommen<br />

werden, die ihre freie Benutzung beeinträchtigt und Dritten zum Schaden<br />

gereicht.“ (aus „Knittlingen / Versuch einer Spurensicherung“ von Günter Mahal)<br />

Die Kurpfalz räumte darauf hin ein, dass die Straße nicht „verzäunt und verschlagen“<br />

werden dürfe.<br />

Über diese Straße wurden die Messen in Speyer und Frankfurt beschickt; mal wurde<br />

sie „Untere Nürnberger Straße“ genannt, mal „Frankfurter Poststraße“. Hier zogen die<br />

Heere zwischen Schwarzwald und Odenwald, und ab 1490 lief über Knittlingen auch<br />

der erste Kurs der Postreiter von Brüssel nach Augsburg und weiter auf der Salzstraße<br />

über München nach Innsbruck. Den reitenden Kurieren der Herren von Thurn und<br />

Taxis standen innerhalb Württembergs vier Poststationen zur Verfügung: Knittlingen,<br />

Enzweihingen, Cannstadt und Ebersbach. Die vorgeschriebene Reisegeschwindigkeit<br />

der Reiterstafette betrug 180 Kilometer am Tag. Selbstredend waren die Reiter<br />

bewaffnet, die Briefe trugen sie in silbernen Kapseln bei sich, und nur sie allein durften<br />

ein Horn führen.<br />

„Die Boten müssen allerhand Beschwerung ausstehen“ heißt es in einem Bericht, „von<br />

Banditen, Räubern, Spitzbuben, Mördern, item von Wasserfluten, zerbrochenen<br />

Brücken, Ungewitter, Regen, Koth, Hitze, Frost, Schnee, Wind. Im Sommer<br />

tausenderley Unfall zu ihrem und der Kaufleute großen Verdruß und Schaden. Doch<br />

findet man auch ihr Mängel (der Postreiter) an etlichem und manchem, der irre gehet,<br />

wenn es an einem Galgen fürbei gehet.“<br />

Die Vorgänge auf dieser Straße müssen für die Knittlinger Kinder spannend gewesen<br />

sein. Waren aller Art, Schweine, Rinder, exotische Tiere, und natürlich Reisende:<br />

Händler, Komödianten, Pilger, Studenten, ein Bischof mit Vortrab und Gefolge, ein<br />

Magier, ein Arzt, Handwerker, Taglöhner, He<strong>im</strong>atlose, Pfannenflicker. Nicht zuletzt die<br />

Schauerbilder der Kriegstrosse: Gespanne, nackte Trossbuben, Verwundete, freche<br />

Huren, dreiste Söldner.<br />

Wie auf ein Fließband gestellt, rollte die Welt vorbei. Und nicht selten machte sie auch<br />

Halt. Zwar sind die Dokumente aus der Zeit unseres <strong>Faust</strong>s mehrheitlich vernichtet,<br />

doch man darf annehmen, dass Knittlingen sich mit Gaststätten, Herbergen sowie<br />

verschiedenen Handwerksstätten auf Reisende und Fuhrleute eingestellt hatte.<br />

Eine bescheidene Wallanlage und Stadtmauer bot dazu Schutz – nicht <strong>im</strong> Kriegsfall –<br />

jedoch vor nächtlichen Räubern. Und mit jedem Fuhrwerk kamen Nachrichten, längst<br />

hatte jenes Jahrhundert begonnen, das später Engels als das revolutionärste<br />

Jahrhundert der Deutschen bezeichnen wird.<br />

Nicht weniger aufregend, was an Kunde aus der weiten Welt angespült wird.<br />

Einige der Nachrichten, die in Knittlingen allein in <strong>Faust</strong>s Geburtsjahr für Gesprächsstoff<br />

gesorgt haben mögen:<br />

„Am Monte Viso <strong>im</strong> Piemont wird mit dem ersten Alpentunnel begonnen!“<br />

„In Wien stellt ein Karl Zöllner jetzt gezogene Gewehrläufe her!“<br />

„Der Leonardo da Vinci hat einen Fallschirm gebastelt!“<br />

Es gab auch Nachrichtenbringer, die weniger gern gesehen waren, sie verführten die<br />

Leute zum Müßiggang: Söldner auf Urlaub. Über Wochen hinweg lärmten sie in den<br />

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