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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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exotischen Waren zu bieten hatte, es wurde über Venedig umgeschlagen. Mit dem<br />

Namen Venedig verknüpfte sich der Begriff „Ware“ mit Legenden und Bildern, von<br />

bepackten Kamelen, Sandstürmen, tausenderlei Gefahren, mit Entfernungen, die in<br />

Jahren gemessen wurden. Nach Venedig trugen die Galeeren die Waren aus China,<br />

Persien, Ägypten und Afrika. Seide, Baumwolle, Brokat, Kattun, Musselin, Damaszenerklingen,<br />

Perlen und Elfenbein. Dazu Gewürze, die seit Jahrhunderten in Europa<br />

Höchstpreise erzielten: Pfeffer, Z<strong>im</strong>t, Ingwer, Safran, Muskat, Rosenwasser, und auch<br />

Öle, Balsam, Harze, Gummi.<br />

Nicht zuletzt Arzne<strong>im</strong>ittel, Aromata, Wundermittel und Drogen, jene Stoffe, die direkt<br />

hinein führten in die Welt der babylonischen Magi und der gehe<strong>im</strong>nisvollen Überlieferungen<br />

alter Zauberkräfte. (Magier; indo-germ.: machen, etwas vermögen)<br />

In Venedig konnte <strong>Faust</strong> selbst jene Mittel und Substanzen erwerben, die Deutschland<br />

nicht erreichten, schlicht <strong>des</strong>halb, weil sie derart selten und exotisch, wenn nicht gar<br />

exzentrisch waren; es gab dafür keinen Markt.<br />

Was in Venedig nicht zu kaufen war, das existierte nicht. Selbst gesetzt den Fall, dass<br />

<strong>Faust</strong> an keinerlei Waren interessiert gewesen wäre, sein Betriebskapital war neben<br />

anderem seine Welterfahrung, und als Mann von Welt musste man damals in Italien<br />

gewesen sein.<br />

Allein der „Fondaco dei Te<strong>des</strong>chi“, der deutsche Hof, war ein Superlativ. Dort wurde<br />

soviel an Ware umgeschlagen, Venedig vereinnahmte täglich 100 Gulden an Steuern.<br />

Von Venedig ging der Transport über den Brenner nach Innsbruck, sodann in die<br />

Fuggerstadt Augsburg und weiter nach Ulm. Der andere Weg, gemäß dem zeitgenössischen<br />

Kartographen Erhard Etzlaub und seinem „Das sein die lantstrassen durch das<br />

Römische reych“ von 1501, führte nicht weit an Cilli und jenem Hallestein vorbei, nach<br />

Salzburg, Regensburg und Nürnberg.<br />

Der „Fondaco dei Te<strong>des</strong>chi“ diente auch als Herberge; Albrecht Dürer wohnte dort, als<br />

er in Venedig weilte.<br />

Und jenes Hallestein, das heutige Heilenstein, das <strong>Faust</strong> gegenüber dem Prior Leib<br />

erwähnt, <strong>Faust</strong> hat es eventuell nie gesehen, doch möglicher weise hat <strong>Faust</strong> mit<br />

einem Komtur aus Hallestein gesprochen, als er durch diese Region reiste.<br />

Einen Besuch in Hallestein für möglich zu halten, heißt anzunehmen, dass <strong>Faust</strong> sich<br />

längere Zeit in Österreich aufgehalten hätte, in einer Welt, die sich gewiss anders<br />

präsentierte als seine He<strong>im</strong>at. „Überlegungen zum Leben eines Schwarzkünstlers in<br />

der Alpenregion zur Zeit <strong>des</strong> späten Mittelalters“ – eine Arbeit, sie sei einem<br />

österreichischen <strong>Faust</strong>fan vorbehalten.<br />

1522 eroberten die Türken Rhodos, Venedig verlor damit einen weiteren wichtigen<br />

Posten in der Levante. Doch bereits um 1490 hatte Antwerpen begonnen das große<br />

Venedig als Drehscheibe abzulösen. Vierzig Jahre später, um 1530, wird in Antwerpen<br />

in einem Monat mehr umgeschlagen werden als in Venedig binnen zweier Jahre.<br />

Antwerpen zu besuchen, auch dafür hatte <strong>Faust</strong> der Gründe genug. In Antwerpen<br />

wurden neben den Nachrichten Europas auch die neuesten Meldungen aus dem<br />

entdeckten „Indien“, aus „Venezola“, gehandelt. Nicht auszuschließen, <strong>Faust</strong> hatte in<br />

Antwerpen jene Informationen aufgeschnappt, die ihn be<strong>im</strong> Ausformulieren <strong>des</strong><br />

Reisehoroskops für Philipp von Hutten zur Skepsis mahnten: „… auch etliche Christen<br />

(bei den erfolglosen Expeditionen) wider die Natur Menschenfleisch gessen haben.“<br />

wie Philipp von Hutten später in seinen Briefen berichten wird. Gutmöglich hatte <strong>Faust</strong><br />

ähnliches in den Antwerpener Hafenkneipen längst vorher gehört, von Seeleuten, die<br />

„drüben“ gewesen waren.<br />

In Antwerpen stapelten sich neben den Waren aus dem Mittelmeerraum auch die<br />

Rohstoffe der Neuen Welt: Tolubalsam, Harze, Ipecacuanha (Brechwurzel, Mittel bei<br />

schwerer Erkältung), Cocablätter, oder das Gujakholz, von dem die Fugger, nachdem<br />

sie sich das Monopol darauf gesichert hatten, behaupteten, dass es die Syphilis heile.<br />

Und in Brabant, <strong>im</strong> Schloss Batenberg, so vermeldet eine Sage, soll <strong>Faust</strong> inhaftiert<br />

gewesen sein. Es spricht nichts dagegen, <strong>im</strong> Raum um Schloss Batenberg sind einige<br />

<strong>Faust</strong>histörchen angesiedelt.<br />

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