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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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schwierigen Verhandlungen oder einem chemischen Exper<strong>im</strong>ent entgegen sieht,<br />

jedoch wohl kaum Traurigkeit.<br />

<strong>Faust</strong>, der „gantz trawrig gesessen“, ist eine bedeutsame Information. Daraus und aus<br />

der Art wie der Teufelsbündner <strong>Faust</strong> ums Leben kam, dass es obendrein keinen<br />

fassbaren Täter gab, folgerten die Menschen seiner Zeit, dass <strong>Faust</strong> für seine grosse<br />

Hurerey, seinen Geschäften mit dem Teufel, zu einem best<strong>im</strong>mten Termin einen Preis<br />

zu zahlen hatte, dass es eine Absprache, einen Pakt gegeben hatte, bei <strong>des</strong>sen<br />

Ablauf der Teufel sich <strong>Faust</strong>s Seele holen durfte. Also war <strong>Faust</strong> „gantz trawrig<br />

gesessen“, weil er wusste, dass es mit dem schönen Leben vorbei war, weil er wusste,<br />

was ihm bevorstand.<br />

Behaupte niemand, unsere Ahnen konnten keine logischen Schlüsse ziehen.<br />

Darf man aus dem „gantz trawrig gesessen“ schließen, es stand nicht nur ein trauriges<br />

Ereignis bevor, es hatte sich auch bereits Ungewöhnliches ereignet, eventuell sogar<br />

höchst Ungewöhnliches? <strong>Faust</strong> war schließlich kein Neuling <strong>im</strong> Umgang mit kniffligen<br />

Situationen.<br />

Weiter heißt es bei Manlius: „Da hat er zum Wirt gesagt: So er etwas in der nacht<br />

hören würde solt er nicht erschrecken.“<br />

<strong>Faust</strong> geht auf die Frage <strong>des</strong> Wirts nicht ein; von der Verhaltenspsychologie her<br />

betrachtet, eine höchst wichtige Aussage. Sie legt nahe, die Darstellungen <strong>des</strong> Wirts<br />

sind tatsächlich wahr; denn dass <strong>Faust</strong> auf die joviale, allerweltskundenfreundliche<br />

Floskel <strong>des</strong> Wirts nicht eingeht, bestätigt seine Traurigkeit. Mehr noch, es scheint,<br />

<strong>Faust</strong> hatte sich in seiner Trauer ganz in sich zurückgezogen. War er in einem<br />

Zustand, den man mit weltfern umschreiben kann? Und dennoch, trotz seiner<br />

Teilnahmslosigkeit denkt er Stunden voraus, er hat ein Ziel. Er ignoriert die Frage,<br />

statt<strong>des</strong>sen kündigte er an, dass es in der Nacht etwas laut werden könnte, weiter sagt<br />

er, der Wirt solle sich dadurch nicht beunruhigen lassen.<br />

Könnte das bedeuten, dass allein <strong>Faust</strong> die Vorgänge best<strong>im</strong>mte, die dafür sorgten,<br />

dass „vmb Mitternacht <strong>im</strong> Hause ein grosses getümmel worden ist“?<br />

<strong>Faust</strong> am Tisch der Herberge, befand er sich in jener bekannten Verfassung von<br />

Apathie und Trance wie sie Selbstmörder erfasst, die nahezu empfindungslos<br />

geworden, mechanisch einem Punkt zustreben?<br />

Ist es zuviel zu sagen: <strong>Faust</strong> selbst hat seinen Tod geplant, den Zeitpunkt best<strong>im</strong>mt<br />

und den Tod herbeigeführt?<br />

Es scheint so zu sein. Klarsichtig, und das ist kein Widerspruch zur Starre, die ihn<br />

scheinbar erfasste, weiß er nicht nur, was er zu tun hat, er sieht auch die äußeren<br />

Umstände, die ihn hindern könnten. Er sagt zum Wirt, dass er nicht erschrecken solle;<br />

er baute also dem Eingreifen <strong>des</strong> Herbergsvaters vor.<br />

Nicht nur das, <strong>Faust</strong> hatte beschlossen, seinen Tod mit einem Rätsel, einem<br />

Gehe<strong>im</strong>nis zu umgeben. Sein Leben an sich war eine Inszenierung gewesen, stets<br />

hatte er seine Kunst mit tönenden Titeln und mit dem Walleruch einer Verbindung zu<br />

einem unhe<strong>im</strong>lichen „Schwager“ veredelt. Ein rätselhafter Tod – und wer kannte das<br />

Denken der Menschen in ihrem Aberglauben besser als <strong>Faust</strong> – war seine letzte<br />

Trumpfkarte.<br />

Wir wissen, <strong>Faust</strong> hat sich nicht geirrt, sein Tod war sein Sprung in die Unsterblichkeit.<br />

War er gewahr geworden, dass ein gesundheitliches Leiden doch schwerer war, als er<br />

bis dahin angenommen hatte? Hatte er als Arzt Symptome und Anzeichen bei sich<br />

entdeckt, die ihm verrieten, dass er sich <strong>im</strong> letzten Stadium einer Krankheit befand?<br />

Ich habe <strong>Faust</strong> telepathische Fähigkeiten unterstellt. Derartige Fähigkeiten können –<br />

aus welchen Gründen auch <strong>im</strong>mer – von heute auf morgen verschwinden. War <strong>Faust</strong><br />

gewahr geworden, dass er die Gedanken seiner Mitmenschen nicht mehr greifen<br />

konnte, dass er schlicht verhungern würde?<br />

Denkbar wäre es, obgleich er sich weiterhin als Arzt durchschlagen konnte und<br />

schließlich war da noch sein Ruf; mit dem Anschein lässt sich gaukeln. Auch sein<br />

Wissen über wichtige Personen war ein gutes Stück Brot, von dem er noch eine<br />

schöne Weile herunterbeissen konnte.<br />

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