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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Juli nach Untergang <strong>des</strong> Hundsterns, Skorpione in den Hundstagen, Kröten <strong>im</strong> Juni,<br />

Ameisen und Regenwürmer <strong>im</strong> Mai gesammelt werden… Menschenblut <strong>im</strong> Frühjahr…<br />

Apotheker handelten mit Papier, Pelzen, Zuckerwaren, Schreibmaterialien; Apotheken<br />

waren Krämerläden und „Saufbuden“, in Hessen versuchte man das Ärgernis der<br />

„Folsaufferey“ über Verordnungen <strong>im</strong> Jahr 1526 und 1537 zu beseitigen.<br />

Detailliert nachzulesen in „Die alte Apotheke“, Werner Gaude, Deutscher Apotheker-<br />

Verlag Stuttgart.<br />

Der behördlich erkannte Wildwuchs „ärztlicher Betreuung“ war eine natürlich<br />

gewachsene Schicht von Dienstleistern in einer Szenerie größter sozialer und struktureller<br />

Unterschiede.<br />

Verordnungen ebnen keine Unterschiede. Sie verschärften die Gegensätze und<br />

zwangen „Ärzte und Patienten“ in die He<strong>im</strong>lichkeit.<br />

Der Geldbeutel entscheidet über die Wahl <strong>des</strong> Arztes und <strong>des</strong> Heilmittels. Wer kann<br />

schon den teuren Stadtarzt, die teuren Kuren und Pillen bezahlen?<br />

Zunächst versucht man sich selbst zu kurieren, dann hört man sich bei Bekannten um,<br />

als nächstes sucht man eine Person von entsprechendem Ruf auf, und wenn alle<br />

Ratschläge, Gebete, Heilsprüche und Wundersalben keine Heilung bringen, wird man<br />

– vorausgesetzt, man hat das Geld – einen Bucharzt aufsuchen.<br />

Doch der Krankheiten, denen auch die Buchärzte ratlos gegenüber stehen, sind zu<br />

viele. Noch fünfzig Jahre nach <strong>Faust</strong>s Tod, wieder einmal tobt eine Epidemie, wird ein<br />

Markus Welser notieren: „Am besten ist es, gar keinen Arzt an sich heran zu lassen!“<br />

Tröstung findet man <strong>im</strong> Gebet, und nicht zuletzt wendet man sich auch an Menschen,<br />

die sich auf Heilzauber und Heilsegen verstehen.<br />

Verständlich, dass vor diesem Hintergrund die Verordnungen sich nur mühsam<br />

umsetzen ließen.<br />

Wer will außerdem das Fahrende Volk, das zur Stadt hinein drängt, kontrollieren? Soll<br />

man die „Hubbaperer“ ihre Kiepen am Stadttor ausleeren lassen? Wer will verhindern,<br />

dass die Frau, die mit ihren Kräutern von Tür zu Tür geht, auch um ärztlichen Rat<br />

gefragt wird? Als Astrologe betritt <strong>Faust</strong> die Stadt, er wird bei seinem Kunden<br />

gegebenenfalls auch als Chirurgus tätig. Und wer versorgt die Menschen auf dem<br />

Land mit Büchern, Stockfisch, Tuchen, Borten und Stinkesalbe? Wer versorgt dort die<br />

Kranken? Ein niedergelassener Arzt, ein sesshafter Apotheker, sie würden dort<br />

draußen schlicht verhungern. Erst <strong>im</strong> 19.Jahrhundert werden die Landphysikate<br />

geschaffen, und bis dahin wird der studierte Arzt nicht Teil der ländlichen Welt sein –<br />

bei schwerer Krankheit fährt man in die Stadt zum Doktor. Und bis zur Schaffung der<br />

Landphysikate werden Beschwörungen, Zauberformeln und sympathetischer<br />

Aberglaube Bestandteile der ländlichen Hausmedizin bleiben.<br />

Den weit erfahrenen Practicus wird es dann allerdings längst nicht mehr geben, an<br />

seine Stelle ist der regionale Medicaster getreten. Ebenso wird es keine Ärztinnen<br />

mehr geben. Nach <strong>Faust</strong> werden die „freien Empirici“ durch die geschulten Buchärzte<br />

ersetzt, Frauen aber bleiben bis zum 20ten Jh. vom Besuch der Universitäten ausgeschlossen.<br />

Als „Kräuterweiblein“ führten sie bis in die fünfziger Jahre <strong>des</strong> letzten<br />

Jhdts. ein Nischendasein, inzwischen wird es sie wohl nicht mehr geben.<br />

Unangefochten blieben die Frauen einzig als Hebammen, die Kenntnisse der eigenen<br />

Körperlichkeit waren durch ein Studium nicht zu ersetzen.<br />

„Fahren<strong>des</strong> Volk“, das heutige Bewusstsein verbindet den Begriff nur noch mit jenen<br />

Künstlern, wie sie in einer modernen Zirkusshow auftreten: Illusionskünstler, Artisten,<br />

Dompteure; <strong>im</strong> Mittelalter waren sie Gaukler, Seiltänzer und Bärenführer. Die heutige<br />

Vorstellung greift damit also viel zu kurz. An manchen alten Haustüren findet sich noch<br />

gelegentlich das Emailschild „Betteln und Hausieren verboten“ – letzte Zeugnisse<br />

einer vielschichtigen Kultur wandernder Menschen; an die tausend Jahre war sie<br />

fester Bestandteil der Gesellschaft.<br />

„Es wirt noch eyn namhafftiger dappferer mann erfunden: ich wolt aber doch seinen<br />

namen nit genent haben, so will er auch nit verborgen sein, noch vnbekannt. Dann er<br />

ist vor etlichen jaren vast durch alle landtschafft, Fürstenthuomb vnnd Königreich<br />

gezogen, seinen namen jederman selbst bekannt gemacht, vnd seine grosse kunst, nit<br />

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