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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Ulrich von Hutten ist inzwischen auf der Flucht, Erasmus von Rotterdam weist dem<br />

totkranken und mittellosen Freund die Tür, doch Zwingli in der Schweiz n<strong>im</strong>mt ihn auf<br />

und versteckt ihn auf der Insel Ufenau. Dort stirbt von Hutten <strong>im</strong> selben Jahr an den<br />

Folgen der Syphilis.<br />

Die ritterlichen Ehrenrechte: Fehde, Geiselnahme und eigenmächtige Pfandnahme,<br />

werden nach dem so genannten Religionsfrieden von 1555 durch das Reichskammergericht<br />

kassiert.<br />

Diejenigen, die von ihrem Kenntnisstand her es für wenig wahrscheinlich halten, dass<br />

dieser Kaiser den Ehrgeiz eines Franz von Sickingen derart he<strong>im</strong>tückisch für sich zu<br />

nutzen suchte, mögen sich in Wikipedia die Kurzbiographie Jörgs von Frundsberg zu<br />

Gemüte führen. In Zusammenhang mit der Schlacht von Pavia erfahren sie, wie Karl V.<br />

den Feldherrn und Söldnerführer als Dank für den Sieg finanziell ruinierte – wenngleich<br />

keineswegs he<strong>im</strong>tückisch. Er blieb ihm nicht allein den gesamten Sold schuldig,<br />

sondern obendrein die Erstattung der millionenschweren Vorfinanzierung, die Jörg von<br />

Frundsberg aus eigenem Vermögen getätigt hatte.<br />

Selbstverständlich hatte Franz von Sickingen bei der Planung <strong>des</strong> Trierer Coups auch<br />

die Macht der Sterne bedacht und eine „Elektion“ in Auftrag gegeben. Eine Elektion ist<br />

die Ermittlung <strong>des</strong> richtigen Zeitpunkts für ein Vorhaben, jener Zeitpunkt, an welchem<br />

die Sterne einem Vorhaben zugeneigt sind.<br />

Franz von Sickingen hatte die Elektion bei Johannes Virdung in Auftrag gegeben.<br />

Hätte er sich doch an seinen alten Freund <strong>Faust</strong> gehalten. Doch wer weiß, wo der sich<br />

<strong>im</strong> Jahr 1522 herumtrieb, vielleicht hatten sie sich inzwischen auch verkracht.<br />

*<br />

Nachtsitzungen – <strong>Faust</strong> in den ersten Kreisen der Gesellschaft<br />

Es ist Camerarius, der <strong>im</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-Brief“ bei Stibar so dringend nach <strong>Faust</strong>s<br />

Prognose über den Ausgang <strong>des</strong> Krieges zwischen Karl V. und Franz I. verlangt.<br />

Wobei allerdings keineswegs auszuschließen ist, dass Melanchthon hinter der Anfrage<br />

<strong>des</strong> Camerarius steht.<br />

Denn wer sich durch „MBW“ liest, wird feststellen, dass Melanchthon bei der Lösung<br />

<strong>des</strong> Glaubensstreits wenig auf Papst und Fürsten gab, dass sein Hoffen so sehr auf<br />

den Kaiser gerichtet war, dass man die Anfrage „Siegt der Kaiser? So muss es freilich<br />

geschehen!“ gleichsam als „Melanchthon pur“ bezeichnen darf.<br />

Die Anfrage fällt zudem in ein Jahrzehnt, in welchem die Unsicherheit über die Zukunft<br />

<strong>des</strong> Protestantismus schlicht unerträglich geworden war; die Häufung astrologischer<br />

Anfragen und Fragen in „MBW“ in diesem Zeitraum ist unübersehbar.<br />

Ein Brief Melanchthons an Camerarius mit der entsprechenden Anfrage oder aber<br />

zumin<strong>des</strong>t ein Brief, in welchem der Sieg <strong>des</strong> Kaisers und die Konsequenzen daraus<br />

erörtert werden, müsste sich in „MBW“, Band 2 (1531-1539) finden. Ein Brief solcherlei<br />

Inhalte findet sich darin nicht – nach allem, was „MBW“ hergibt, müsste ein Brief dieser<br />

Art jedoch existieren; darüber später mehr.<br />

Camerarius verfasste den „Tuus <strong>Faust</strong>us-Brief“ zudem kurz vor dem Besuch<br />

Melanchthons in Tübingen. Zwar war das Verhältnis zwischen Melanchthon und<br />

Herzog Ulrich harmoniefrei, doch eine Begegnung Melanchthons mit Herzog Ulrich<br />

war unausweichlich; es kam dann auch zu einem gehe<strong>im</strong>en Gespräch. Nachdem Rom<br />

be<strong>im</strong> Glaubensstreit sich nicht bewegte, war die Frage, ob der Kaiser siegreich sei und<br />

dann auf die innenpolitische Bühne zurückkehrte, von hoher Bedeutung; die Frage war<br />

gewiss bei jenem gehe<strong>im</strong>en Gespräch erörtert worden.<br />

Um den Inhalt und die Hintergründe <strong>des</strong> „Tuus <strong>Faust</strong>us-Briefes“ abzuklären bieten sich<br />

drei Quellen an: einmal „MBW“, sodann der Briefverkehr <strong>des</strong> Camerarius sowie die<br />

Briefe <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>-Freunds Stibar an Camerarius.<br />

Zunächst zu Stibar: Seine Briefe an Camerarius sind heute allesamt verschollen.<br />

Wieviel Stück es gewesen sein mögen, es lässt sich schätzen. Stibar starb 1555,<br />

seine Freundschaft mit Camerarius begann 1517, so man nur 2 Briefe <strong>im</strong> Monat zu<br />

Grunde legt – das ist wenig in jener Zeit geschwätziger Vielschreiberei, kommt man<br />

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