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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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He<strong>im</strong>at angenommen, muss der Kirchenleitung, wie in „Eine Instrumentalisierung“ dargestellt,<br />

bekannt gewesen sein.<br />

Wissen und Absicht der Kirchenleitung zu Grunde gelegt, macht der „verspätete<br />

<strong>Faust</strong>nachweis“ in Knittlinger Nachbarschaft durchaus Sinn.<br />

Die neben dem Manlius-Text in der Öffentlichkeit bekannten Textstellen: „Er ist bürtig<br />

gewesen auß e<strong>im</strong> flecken / genant Knütling “ bei Lerche<strong>im</strong>er oder bei Dieterichs:<br />

„Johann <strong>Faust</strong>en / der endtlich / da er lang gekünstlet / vom Teuffel an Stucken in se<strong>im</strong><br />

Heymath bei Knittlingen zerrissen“, hatten somit ein Bankert-Brüderchen bekommen.<br />

Möglicher Weise ist aber die Ansiedlung <strong>des</strong> Märleins in der Nähe von Knittlingen ein<br />

Zufall. Nicht Knittlingen hatte den Ausschlag gegeben, sondern der Umstand, dass in<br />

Maulbronn ein Abt „wegen üblen Hausens“, passender Weise in einem zu <strong>Faust</strong><br />

relevanten Zeitraum, vertrieben worden war. Die überlieferte Breitbandbegründung<br />

„wegen üblen Hausens“, sprich die Vernebelung der Vorgänge um Abt Entenfuß,<br />

mochte den Urhebern gefallen haben, sie bewegten sich auf sicherem Grund,<br />

schließlich hatte es einst auch diesen schwarzmagischen Abt Trithemius gegeben.<br />

Und <strong>des</strong>sen rabenschwarzer Brief, hochrangiger Beweis für jenen sündhaften <strong>Faust</strong>,<br />

war ebenso allgemein bekannt, wie das sündige Treiben <strong>des</strong> Trithemius <strong>im</strong> Kloster<br />

Sponhe<strong>im</strong>. Die Vorgänge in Sponhe<strong>im</strong> waren auch Thema an Luthers Tisch gewesen;<br />

Johannes Aurifaber notierte in Sachen „Abt Trithemius“: „ein Zeuberer und<br />

Schwarzkünstiger.“<br />

Oder verhält es sich gar so, dass mit dieser Texterweiterung erstmalig und bedachtsam<br />

an einem Bronnen Maulbronner Überlieferungen geschöpft wurde? Gab es zwischen<br />

<strong>Faust</strong> und Maulbronn tatsächlich eine Verbindung, die man bis dahin unter Verschluss<br />

gehalten hatte, und die nun erstmalig in deformierter Form, an die Öffentlichkeit<br />

gelangen sollte? Dass <strong>Faust</strong>, als Knittlinger, von Kin<strong>des</strong>beinen an mit Maulbronn<br />

vertraut war, daran sollte grundsätzlich kein Zweifel bestehen. Doch welcher Art und<br />

Intensität dieses Vertrautsein war, darüber darf spekuliert werden; denn anders als in<br />

Knittlingen, gibt es in Maulbronn nicht einmal den Morast einer Sagenquelle, die auf<br />

einen Maulbronner <strong>Faust</strong> schließen ließe. Maulbronn hatte prominente Schüler, den<br />

Astronomen Kepler, den Dichter Hölderlin, sie berichteten in ihren Schülerbriefen nichts<br />

über eine Maulbronner <strong>Faust</strong>saga. Zwar sind aus der Zeit um 1600 aus dem nahen<br />

Großsachsenhe<strong>im</strong> eine herzogliche Alchemisten-Kolonie, und in Maulbronn um 1650<br />

ein Hexenturm und ein Spuk überliefert, jedoch stets ohne Bezugnahme auf <strong>Faust</strong>.<br />

In der Autorenszene selbst wurde in der Folgezeit nur ein einziges Mal auf das<br />

Äbteverzeichnis Bezug genommen. 1752 schreibt Christian Friederich Sattler in<br />

„Historische Betrachtung <strong>des</strong> Herzogthums Würtemberg“: „dass der Abt Johannes<br />

Entenfuß zu Maulbronn eines D. <strong>Faust</strong>en Landsmann und guter Freund gewesen, wie<br />

er ihn dann vermög guter Nachrichten um das Jahr 1516 in dem Closter Maulbronn<br />

besucht hat.“<br />

Man bemerke: Aus dem Kollegen ist ein Freund geworden, als Besuchsjahr wird nun<br />

bereits „um das Jahr 1516“ gehandelt. Die Bezeichnung „Landsmann“ ist dagegen<br />

richtig, Entenfuß stammte aus Unteröwishe<strong>im</strong>.<br />

Die Drucklegung <strong>des</strong> Goetheschen Urfaust <strong>im</strong> Jahr 1790 sowie die Romantik brachten<br />

das schwäbische Dichterblut mächtig in Wallung. Es galt die Schätze der<br />

Vergangenheit zu bergen; alte Sagen erfuhren eine Wiederbelebung, Ruinen, Türme<br />

und alte Gebäude wollten mit Geschichten gefüllt werden. Die Liste der beteiligten<br />

Dichter und Autoren ist schier endlos: Kerner, Lenau, von Arn<strong>im</strong>, Mörike, Görres …<br />

Von Görres stammt übrigens die Bezeichnung „Volksbücher vom Doktor <strong>Faust</strong>“.<br />

Erstaunlich, die Menage Abt Entenfuß / <strong>Faust</strong> erfuhr dabei keine dichterische<br />

Bearbeitung.<br />

Doch am 14. November 1840 erscheint in der Artikelserie „Das Oberamt Maulbronn“<br />

ein anonymer Beitrag. Wenige Monate später wird der Artikel erneut gesetzt, nun<br />

allerdings mit Angabe <strong>des</strong> Verfassers. Nach Mahal verbirgt sich hinter dem Anonymus<br />

<strong>des</strong> ersten Artikels kein anderer als eben jener angegebene Verfasser <strong>des</strong><br />

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