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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Auch über den Ursprung der sch<strong>im</strong>pflichen Bezeichnung „Hanswurst“ wird man<br />

aufgeklärt; Luther hat 1541 eine Schrift „Wider Hans Worst“ verfasst.<br />

Man liest, Melanchthon klagt, die Fürsten seien bereits in vorreformatorischer Zeit<br />

begieriger auf Klostergüter gewesen, als auf die Versorgung der Pfarreien und<br />

Schulen.<br />

Man erfährt, dass der Turm der Wittenberger Schlosskirche bei der Belagerung <strong>im</strong><br />

Schmalkaldischen Krieg als Geschützturm diente; es wurde die Haube abgenommen,<br />

auf die Plattform wurden Kanonen gestellt. Kaiser Karl V. ist persönlich vor Wittenberg,<br />

er will Melanchthon mitnehmen, der allerdings entfleucht war; er hatte wohl keine Lust<br />

sich meistbietend zwischen Rom und den protestantischen Fürsten versteigern zu<br />

lassen. Doch als der Kaiser hört, dass der Maler Lukas Cranach und <strong>des</strong>sen Sohn in<br />

der Stadt weilen, bittet er sie heraus und unterhält sich mit ihnen über die Entstehung<br />

eines Jugendbildnisses, das Vater Cranach einst von ihm fertigte.<br />

In „MBW“ findet sich der Niedergang der deutschen Erzbergwerke bestätigt; ein<br />

Brieffreund berichtet, dass die Bergwerke zunehmend mindere Metalle fördern.<br />

Bestätigt finden sich auch die seinerzeitigen Straßenverhältnisse; Melanchthon schreibt<br />

in einem Februar-Brief, dass er – 200 Schritte abseits der Straße, sich seinen Weg<br />

suchte. Wiederholt liest man, Melanchthon mag keine Kutschen, er reitet lieber.<br />

Man erhält Kenntnis, dass Melanchthon <strong>im</strong> Traum den Kurfürst von Sachsen, <strong>des</strong>sen<br />

Gemahlin Sybille und dazu seine Mutter Barbara sah, interessant dabei, dass er in<br />

Parallele zur katholischen „Heiligen Mutter Kirche“ seine Mutter als Symbol der<br />

reformierten Kirche interpretierte.<br />

Es findet sich die Vorarbeit der frühen Humanisten für die Reformation bestätigt, auf<br />

dem Augsburger Reichstag von 1530 greifen der päpstliche Abgesandte Pico della<br />

Mirandola und spanische Vertreter namentlich Erasmus von Rotterdam an und zeihen<br />

ihn der Verantwortlichkeit für die Existenz <strong>des</strong> Protestantismus.<br />

Man erfährt, dass der päpstliche Unterhändler, jener Pietro Paolo Vergerio, sich später<br />

zum Protestantismus bekannte, und dass es schließlich auch in Venedig und selbst in<br />

Spanien Protestanten gab, die freilich als Ketzter verfolgt wurden.<br />

Zahlreich sind die Briefe, die zwischen Melanchthon und englischen Gesandten hin und<br />

her gehen, und dennoch bleibt der Leser über die Reformierung Englands <strong>im</strong> Unklaren<br />

– die Lücken in „MBW“ lassen die Vorgänge unter Heinrich VIII. als Rätsel erscheinen.<br />

Erst durch weitere Bücher erfährt man, was „MBW“ nicht erzählt:<br />

Heinrich VIII hatte sich zum Oberhaupt der Kirche in England erklärt, um seine<br />

Scheidung von der Habsburger Katharina von Aragon selbst zu regeln. Er hob die<br />

Klöster auf, um seine Festungsbauten zu finanzieren, und auch die Schiffe, mit<br />

welchen er der teuren Tradition der Kriege mit Frankreich frönte. Um das Land, das<br />

unter den Steuerlasten entlang <strong>des</strong> Aufruhrs lebte, steuerbar zu halten, fuhr er<br />

wechselnd einen lutherischen Kurs, dann wieder einen römischen, um bei jedem<br />

Kurswechsel einmal Protestanten, dann wieder Katholiken – manchmal auch beide<br />

gleichzeitig, etwa 70 000 Menschen, als Ketzer verbrennen zu lassen.<br />

Wiederholt liest man in „MBW“, Melanchthon verehrt die Tschechen wegen Jan Hus, er<br />

liebt die Polen, da sie seit Jahrhunderten die asiatischen Horden von Europa<br />

fernhalten, einen gewissen Kopernikus, so findet er, sollte man dagegen einsperren,<br />

denn der vertausche die Bewegungen von Sonne und Erde.<br />

Dazwischen finden sich Dokumente – sie lassen schmunzeln. Melanchthon wohnte<br />

offenbar über mehrere Jahre hinweg in einem Gebäude, das mehr Bruchbude und<br />

Baustelle denn Wohnhaus war. Mit einem Busenfreund will er eine WG gründen, was<br />

allerdings von der Verwandtschaft seiner jungen Frau resolut unterbunden wird. Und<br />

am 3. Februar 1560 schreibt ein Eustachius von Schlieben, er bedauere, dass ihn das<br />

Schicksal … zum Höfling machte, weshalb er den gelehrten Melanchthon mit dummen<br />

Fragen belästigen muss. (Er schreibt dann umfassend vom Wirken <strong>des</strong> Teufels auf<br />

Erden.) Sodann: Er gehe häufig zum Abendmahl, hat aber Gewissensbisse, ob er<br />

angesichts seiner politischen Tätigkeit auch <strong>im</strong>mer würdig empfängt. Er erbittet<br />

Melanchthons Rat.<br />

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