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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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verwertbaren Aussagen, das Leben <strong>des</strong> Dr. <strong>Faust</strong>us zu erhellen, zudem handele es<br />

sich nur um einen Indizien-Text.<br />

In der Tat, Manlius eröffnet verheißungsvoll: „Ich hab einen gekennet / mit nammen<br />

<strong>Faust</strong>us von Kundling – ist ein kleines stettlein / nicht weit von meinem Vatterland...“<br />

Manlius liefert <strong>im</strong> Jahre 1563 mit der Nennung von Kundling, 23 Jahre nach <strong>Faust</strong>s<br />

Tod, den allerersten Hinweis auf Knittlingen als <strong>Faust</strong>s Geburtsort.<br />

Günther Mahal hat 45 verschiedenen Schreibweisen für Knittlingen zusammengetragen,<br />

ob Knuttelingen, Cunchelinge oder Kütlingen, es handelt sich dabei stets um<br />

Knittlingen. Und dennoch, die Verballhornung von Knittlingen zu Kundling erzeugt<br />

nicht nur Verwunderung, sie verstärkt den Zweifel, dass der Text tatsächlich Aussagen<br />

Melanchthons über <strong>Faust</strong> wiedergibt.<br />

Zu diesem Zweifel passt es gut, dass der Manlius-Text über das Leben <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>us,<br />

<strong>im</strong>merhin währte es an die sechzig Jahre, wenig an harten Fakten zu bieten hat,<br />

obgleich der Gewährsmann gleichsam <strong>Faust</strong>s Nachbar war.<br />

Denn Melanchthons „Vatterland“, das ist Bretten, ein Nachbarort von Knittlingen.<br />

Und „Ich hab einen gekennet“, besagt klar, Melanchthon kannte <strong>Faust</strong> persönlich.<br />

Ungeachtet <strong>des</strong>sen unterstellen nicht wenige <strong>Faust</strong>forscher, dass Melanchthon über<br />

<strong>Faust</strong> nur gerüchteweise informiert gewesen sei, dass er den Satz „Ich hab einen<br />

gekennet“ nur so dahin gesagt, ihn als unbedeutende Floskel gebraucht hätte.<br />

<strong>Faust</strong> war etwa siebzehn Jahre, als Melanchthon geboren wurde. Selbst wenn sie nie<br />

mit einander gesprochen hätten, Melanchthon <strong>Faust</strong> selbst nie gesehen hätte,<br />

Melanchthon war von Jugend an mit der Person „<strong>Faust</strong>“, <strong>des</strong>sen Herkunft und<br />

Lebensumständen bestens vertraut. Das ist zwar in keiner Weise belegt, doch nur der<br />

Stadtmensch von heute ist geneigt zu zweifeln. Wer dagegen auf dem Land lebt, mit<br />

den ländlichen Interaktionen vertraut ist, der weiß, dass man von Dorf zu Dorf sich<br />

kennt, dass die tollen Geschichten von Dorf zu Dorf zu jedermanns Ergötzen begierig<br />

durchgehechelt werden. Noch heute werden nächtliche Überfälle geübt: Es wird der<br />

Maibaum gestohlen, den feindlichen Schweinen Weinhefe in die Tröge gekippt, dem<br />

Bürgermeister die Haustür vermauert. Man hasst sich, man liebt sich und gelegentlich<br />

heiratet man sich auch.<br />

Knittlingen war Bezugspunkt für die umliegenden Dörfer und Flecken: In Knittlingen<br />

war ein Rueg- sowie ein Vogtgericht. (Rueggericht: Außergerichtliches Verfahren<br />

meist wegen Verstoß gegen Verhaltensnormen; Strafen: öffentl. Verspottung,<br />

Kahlscheren, in Wasser untertauchen. Vogtgericht, althdt. niedere Gerichtsbarkeit,<br />

auch Voigt-, Fauth-, (s. Woi-wode), abgeleitet von lat. Advocatus;)<br />

Nach Knittlingen wurden auch die Verhandlungen schwerer Straftaten, der Malefizhändel,<br />

abgegeben; in Knittlingen befand sich eine Hochgerichts- und Halsgerichtsbarkeit.<br />

Jede Hinrichtung war ein Volksfest, die Menschen aus den umliegenden Dörfern<br />

strömten herbei, auf die Anwesenheit der Kinder wurde dabei hoher Wert gelegt, man<br />

versprach sich hohe pädagogische Wirkung; die grausigen Hinrichtungen sollten eine<br />

Warnung sein.<br />

Knittlingen war auch Poststation; am Gasthaus „Löwen“ wechselten die Reiter die<br />

Pferde.<br />

Die Familie Schwarzerd, daher der graecisierte Name Melanchthon, hatte außerdem<br />

Besitz bei Knittlingen. Es handelte sich um den Steger See. 1531 wird er an das<br />

Kloster Maulbronn für 590 Gulden verkauft. Die Verkaufsurkunde blieb erhalten, darin<br />

heißt es: „…für uns und den wolgedachten meister Philips Melanchthon zu Wittenberg<br />

unsern lieben swager, bruder und guten fründ…den Steger see, zwischen Brethe<strong>im</strong>er<br />

und Knüthlinger marken obeder Strassen gelegen mitt vischen, bösserungen, wissen,<br />

weid, wasser in und ußfliessen auch allen zugehörden und gerechtigkeiten.“<br />

Melanchthon war also nicht nur vom Nachbarort Bretten, er war auch von Kin<strong>des</strong>beinen<br />

an mit Knittlingen vertraut. Nun mag man einwenden, dass er bereits mit zwölf<br />

Jahren Bretten verließ – mit Ende seines Besuchs der Brettener Lateinschule wurde er<br />

der Obhut seines Großonkels Johannes Reuchlin in Pforzhe<strong>im</strong> anvertraut, doch<br />

Bretten liegt von Pforzhe<strong>im</strong> keine vier Wegstunden entfernt.<br />

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