12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

widerfahren sein soll. Sie wurzelt einmal in der Ankündigung <strong>Faust</strong>s, über Venedig in<br />

den H<strong>im</strong>mel zu fliegen, sodann in der christlichen Ausdeutung eines Ereignisses, das<br />

sich einst <strong>im</strong> Alten Rom zugetragen haben soll. Zur Zeit Neros hätte ein S<strong>im</strong>on Magus<br />

vor den Augen <strong>des</strong> Petrus einen Flugversuch über dem Marsfeld unternommen und<br />

wäre – die gerechte Strafe für seine Vermessenheit – in den Tod gestürzt. Die<br />

Verquickung von „<strong>Faust</strong>“ mit „S<strong>im</strong>on Magus“ bedeutet nicht weniger, als dass man bei<br />

<strong>Faust</strong> sicher war, dass er seine Ankündigung wahrgemacht hatte und losgeflogen war.<br />

Auf diese Vermessenheit folgte, analog S<strong>im</strong>on Magus, der Absturz, den freilich der<br />

Teufel zu bewerkstelligen hatte; er darf zwar mit Gottes Erlaubnis alles auf der Erde<br />

treiben, auch <strong>Faust</strong> zum Flug verhelfen, das letzte Wort liegt allerdings bei Gott. Da<br />

<strong>Faust</strong> aber weiterhin sein Unwesen trieb, war mit dem Absturz selbst nur die halbe<br />

Strafe vollzogen worden, folglich war er noch in der Luft von teuflischen „Turbulenzen“<br />

zermartert und zerstossen worden.<br />

Manlius erzählt dann erstaunlich detailliert was sich zutrug, als <strong>Faust</strong> „in einem Dorff<br />

in Wirtenberger landt“ ums Leben kam. Diesem Abschnitt selbst ist eine Erklärung<br />

<strong>im</strong>plantiert: „dann er war sonsten gar ein vnuerschämbter Vnflat / vnnd fürete gar<br />

uberauß ein bübisch leben / also / das er etliche mal schier vmbkommen were von<br />

wegen seiner grossen Hurerey.“<br />

<strong>Faust</strong> sei also ein unverschämter Mensch gewesen, er hätte es derart frech getrieben,<br />

dass er einige Male beinahe ums Leben gekommen wäre. Die „Information“ endet mit:<br />

„wegen seiner grossen Hurerey.“ Hier handelt es sich um die Erklärung, hinter allem<br />

was <strong>Faust</strong> getrieben hatte, wäre der Teufel gestanden, <strong>Faust</strong> hätte mit ihm gehurt.<br />

(verhur / verkaufen, also Geschäfte mit dem Teufel haben)<br />

Geradezu zwangsläufig folgt der Hinweis, zwei Teufel in Gestalt von Hunden hätten<br />

<strong>Faust</strong> begleitet.<br />

Ein anderer „Vnflat / der das Büchlein geschrieben…“ wäre allerdings nur mit normaler<br />

Höllenkraft, nämlich einem Hund, unterwegs gewesen.<br />

Man ist sich einig, damit ist Agrippa von Netteshe<strong>im</strong> gemeint. 1527 publizierte er sein<br />

Werk „De incertitudine et vanitate scientiarum“ (Über die Unsicherheit und Nichtigkeit<br />

der Wissenschaften). Zeit seines Lebens hatte er einen Hund um sich, er schrieb<br />

Epigramme über Hunde, sein letzter Hund soll in die Sâone gesprungen sein.<br />

Sodann werden zwei Versuche erwähnt, <strong>Faust</strong> festzunehmen, anschließend gibt<br />

Manlius eine Behauptung <strong>Faust</strong>s wieder: „ / das alle Siege / die Keyserlicher Maiestet<br />

Kriegsuolck in Welschland gehabt hetten / die ware durch jhn mit seiner Zauberey<br />

zuwegen gebracht worden.“<br />

Das Zitat scheint glaubhaft; einer von <strong>Faust</strong>s dreisten Sprüchen, jenen recht ähnlich,<br />

die bereits Abt Trithemius notierte.<br />

Der Text schließt: „Solches sage ich aber von wegen der gemeinen jugent / auff das<br />

sie sich nicht von solchen losen Leuten verfüren vnd vberreden lassen.“<br />

Melanchthon wollte also die Jugend vor Leuten wie <strong>Faust</strong> warnen. Wir wissen, dass<br />

zur Zeit der Drucklegung <strong>des</strong> Textes die tollen Abenteuer <strong>des</strong> verblichenen <strong>Faust</strong>us in<br />

aller Munde waren. Zum äußersten Missfallen jener Lutheraner freilich, die sich für das<br />

Seelenheil der ihnen anvertrauten Glaubenskinder zuständig fühlten. Für sie war<br />

<strong>Faust</strong>s Vita weit mehr als ein warnen<strong>des</strong> Paradebeispiel sündhaften Lebens.<br />

Geharnischter Zorn und speiende Abscheu über <strong>Faust</strong>s Hurerei mit dem Teufel<br />

schreien aus dem Manlius-Text: „Derselbige <strong>Faust</strong>us der Zeuberer / vnnd ungeheurig<br />

Thier / vnd stinkend he<strong>im</strong>lich Gemach <strong>des</strong> Teuffels …“<br />

Letzteres lautet in der lateinischen Erstausgabe, „cloaca multorum diabolorum“, „ein<br />

Scheißhaus vieler Teufel“. Hierzu muss man wissen, dass dem Teufel, so er sich in<br />

einem Menschen behaust, der Enddarm als Behausung zugedacht ist.<br />

Drei hintereinander geschaltete Beleidigungen schl<strong>im</strong>mster Art, Vorwürfe schwerster<br />

Sünde. Flankiert von zwei in etwa gleichbedeutenden Begriffen, „Zeuberer“ und<br />

„Gemach <strong>des</strong> Teuffels“, steht der zentrale Vorwurf „ungeheurig Thier“.<br />

Was auch <strong>im</strong>mer unter „ungeheurig Thier“ zu verstehen sein mag, es geht in Richtung<br />

<strong>des</strong> Wortlauts <strong>des</strong> Ratsbeschlusses der Stadt Nürnberg von 1532: „Doctor <strong>Faust</strong>o,<br />

dem grossen Sodomitten …“<br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!