12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>des</strong>sen Forderungen einen Taumel kommender Gerechtigkeit, während die Herren ihre<br />

Wolfsnatur hinter bedenklichen Mienen verbargen.<br />

Eine Viertel Million Exemplare lutherischer Schriften sind in den letzten Monaten unter<br />

das Volk gelangt, niemand kann sie zurück fischen. Deutschland lebt wie <strong>im</strong> Fieber,<br />

das Undenkbare scheint möglich:<br />

Die Aufhebung der Klöster, eine Kirche ohne Papst, die Verbrennung Luthers als<br />

Ketzer, Luther - als Papst.<br />

Mit seiner Kritik am Ablass hatte Luther den Zentralnerv getroffen. „Ablass“ war zum<br />

Synonym geworden, es stand für „das viele Geld, das der Papst und die Klöster sich<br />

nehmen“. In der Tat, die Kirche war schlicht zu reich, ihr gehörte ein Drittel <strong>des</strong> Bodens.<br />

„Der Papst ist der Antichrist! Der Papst blutet Deutschland aus!“ lautete die gängige<br />

Kurzformel der Kritik.<br />

Ulrich von Hutten lieferte dazu das Versmaß:<br />

„ …<br />

Und nehmen stets von Teutschen Geld,<br />

Dahin ihr Praktik ist gestellt.<br />

Und finden täglich newe Weg,<br />

Dass Geld man in den Kasten leg.<br />

Do kummen Teutschen umb ihr Gut.<br />

Ist niemand, den das reuen tut?“<br />

Gewiss werden sich die beiden über Luther und auch darüber, was andere<br />

Persönlichkeiten über Luther dachten, unterhalten haben. Geradezu zwingend, dass<br />

auch die Unruhe in der Bevölkerung ein Thema war.<br />

Dass <strong>Faust</strong> die Sorgen der kleinen Leute auf den Tisch brachte, es ist nicht wahrscheinlich,<br />

<strong>Faust</strong> gehörte in diesem Moment zur Bel Etage.<br />

Und <strong>Faust</strong>? Er wird sich seinen Vers auf die gestellten Fragen gemacht haben.<br />

Dass die Gage dann gar so hoch ausfiel, war wohl auch dem satten Anteil<br />

Schweigegeld zu verdanken. Denn dass der Fürstbischof sich von einem Fremden in<br />

die Karten schauen ließ, es spricht beredt für die explosive Situation <strong>im</strong> seinerzeitigen<br />

Deutschland; mit Luther waren die Nerven nun endgültig bis zum Zerreißen gespannt.<br />

*<br />

Skandal in Erfurt<br />

Am 3. Oktober 1513 schreibt Conradus Mutianus (Humanist und Privatgelehrter zu<br />

Gotha) an Heinrich Urbanus (Hofmeister, d.h. Verwalter, der Besitzungen <strong>des</strong> Klosters<br />

Georgenthal in Erfurt):<br />

Vor acht Tagen kam ein Chiromant nach Erfurt, namens Georgius <strong>Faust</strong>us Helmitheus<br />

Hedelbergensis, ein bloßer Prahler und Narr. Seine Kunst, wie die aller Wahrsager, ist<br />

eitel und eine solche Physiognomie leichter als eine Wasserspinne. Die Menge staunt.<br />

Gegen ihn sollten sich die Theologen erheben, statt dass sie den Philosophen<br />

Reuchlin wegen seines „Augenspiegel“ zu vernichten suchen. Ich hörte ihn <strong>im</strong><br />

Wirtshaus schwatzen; ich habe seine Anmaßung nicht gestraft; was kümmert mich<br />

fremde Torheit?<br />

Wer wollte daran zweifeln, als Conradus Mutianus diese Zeilen aufs Papier warf, war er<br />

zutiefst verärgert. Wo gerade ihm nichts mehr zuwider ist als Ärger und Aufregung oder<br />

gar Weltenlärm.<br />

Doch was niemand bisher schaffte, <strong>Faust</strong> hat es fertig gebracht, er hat ein Bad in der<br />

Menge genommen und Conradus Mutianus, der ein Leben in behaglicher Ruhe und<br />

beschaulicher Gelehrsamkeit kultiviert, ist aufgebracht.<br />

„Würdig ausgepeitscht zu werden“, hatte Abt Trithemius sechs Jahre zuvor über <strong>Faust</strong><br />

geurteilt; eine brutale Belehrung, die offensichtlich bisher noch nicht umgesetzt wurde,<br />

<strong>Faust</strong> ist noch <strong>im</strong>mer auf Tour. Und wie es scheint, versammelt er als „Schwoger <strong>des</strong><br />

181

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!