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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Kaum anderes besagt das Protokoll <strong>des</strong> Ingolstädter Stadtrates vom 17.6.1528.<br />

„Anheut mitwoch nach Viti anno 1528 dem warsager soll befolchen werden, dz er zu<br />

der stat ausziech und seinen pfennig anderswo verzer.<br />

Am mitwoch nach Viti anno 1528. Ist ainem der sich genant Doctor Jörg <strong>Faust</strong>us von<br />

Haidlberg gesagt, dz er seinen pfennig anderswo verzer, und hat angelobt, solche<br />

eruordnung (Verordnung, Anordnung) für die obrigkeiht nit zu anthen noch zu äffern.“<br />

„ainem der sich genant Doctor…“ notierte der Schreiber – auch in Ingolstadt hatte man<br />

wohl Zweifel am Bildungsflitter <strong>des</strong> Besuchers.<br />

Zwischen Rebdorf und Ingolstadt liegt eine Wegstrecke von dreißig Kilometern. <strong>Faust</strong><br />

könnte sich also durchaus bereits am 7. Juni in Ingolstadt befunden haben. Auch in<br />

Ingolstadt existierte seit 1472 eine Universität.<br />

1520 war hier Johannes Reuchlin – nach seinem Streit mit den Dominikanern – ein<br />

triumphaler Empfang bereitet worden. Er hatte für drei Semester die Professur für Alt-<br />

Griechisch übernommen. Die Wohnung, die er bezog, war eine der Pfründe-<br />

Wohnungen <strong>des</strong> Johann Eck. 1521 / 1522 übernahm Reuchlin in Tübingen die<br />

Professur für Hebräisch, er starb <strong>im</strong> Juni 1522 an Gelbfieber.<br />

Johann Eck selbst, der streitbare Freund <strong>des</strong> Priors Kilian Leib, blieb Ingolstadt als<br />

Dozent der Rechtswissenschaften treu.<br />

Johann Eck war es auch gewesen, der Luther die Bannbulle „Exsurge Domine“ überbracht<br />

hatte. Nicht anders als der Prior von Rebdorf, auch Johann Eck steht in<br />

vorderster Front <strong>des</strong> Konfessionsstreits. Es liegt nahe, <strong>Faust</strong> hat das persönliche<br />

Gespräch mit Johann Eck gesucht.<br />

Ingolstadt war auch sonst der rechte Ort, um wieder Informationen zu „fischen“, ob nun<br />

in offener Diskussion mit den Professoren oder allein mit den Studenten, vielleicht<br />

auch nur als stiller Zuhörer am Nachbartisch <strong>im</strong> Speiselokal. „Als ich zu Basel mit<br />

<strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Oberen Collegium speiste, gab er dem Koch Vögel verschiedener Art …“,<br />

notierte denn auch Pfarrer Gast. Da ist er, unser Dr. <strong>Faust</strong>, wie er mittendrin sitzt und<br />

sein Messer auf dem Teller klappern lässt. Neben den Standpunkten <strong>im</strong> Konfessionsstreit<br />

könnte sich <strong>Faust</strong> auch dafür interessiert haben, was es in den Künsten,<br />

den Wissenschaften, an Neuigkeiten gab.<br />

Bei allem Interesse an den Wissenschaften und seiner Neugier zu erfahren, was die<br />

Gebildeten über den Konfessionsstreit denken, <strong>Faust</strong> hat auch wieder provoziert. Wie<br />

sollte er auch anders, es scheint ihm die liebste Gewohnheit gewesen zu sein, diese –<br />

frei formuliert – „gebildeten Dummköpfe als aufgeblasene Trottel“ zu bezeichnen.<br />

Ihnen unter die Nase zu reiben, „dass er ein so großes Wissen und Gedächtnis aller<br />

Weisheit erreicht habe, …“, nicht zu vergessen, „dass er in der Alchemie von allen, die<br />

je gewesen, der Vollkommenste sei.“<br />

Dem Volk mag gefallen haben, wenn <strong>Faust</strong> das Ansehen der erhabenen Professoren<br />

in den Dreck zog. Dieser Doktor <strong>Faust</strong> war offenkundig ein „gelehrter Mann“, aber<br />

einer, der sich nicht mit diesen dünkelhaften Gebildeten gemein machte, der diesen<br />

eingebildeten Laffen statt<strong>des</strong>sen die <strong>Faust</strong> unter die Nasen rieb. So betrachtet war<br />

<strong>Faust</strong>, wenngleich auf hinterhältige Art, doch ein Rebell – in eigener Sache!<br />

Gutmöglich hat es sich so verhalten, <strong>Faust</strong> fischte sich in den ersten Tagen seines<br />

Aufenthalts in Ingolstadt bei den richtigen Leuten die richtigen „Informationen“,<br />

anschließend ging er auf die Straße und machte seine „Informanten“ madig. Sein<br />

Vergnügen war also ein Doppeltes, wobei das zweite Vergnügen zum dritten führte.<br />

Mit den respektlosen Reden zog er die Aufmerksamkeit der Straße auf sich, eine<br />

wichtige Voraussetzung für das nächste Vergnügen, dem Volk das Geld aus der<br />

Tasche zu reden.<br />

Das alles steht zwar nicht <strong>im</strong> Ingolstädter Protokoll, doch warum sollte <strong>Faust</strong> sich<br />

plötzlich gesitteter benommen haben als wenige Tage zuvor in Rebdorf.<br />

Überhaupt, es ist erstaunlich, niemand hat es offenkundig jemals geschafft, <strong>Faust</strong> die<br />

frechen Reden auszutreiben; weder die Quellentexte noch die Indizien wissen<br />

dergleichen zu berichten. Verachtung, gepaart mit Verärgerung, werden allenfalls<br />

spürbar wenn Conradus Mutianus schreibt: „Ich habe seine Anmaßung nicht gestraft;<br />

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