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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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und Melchior Wüsthuff als ein vorstender (Vorsteher) andere wieder zu taufen<br />

angenommen und auch getauft hat. Sie sind darüber in Haft kommen, aber mit<br />

Rücksicht auf ihre Einfältigkeit und weibliche Blödigkeit nachdem sie durch erfahrene<br />

und gelehrte Männer unterwiesen waren und Widerruf getan, entlassen, aber aus dem<br />

Fürstentum Württemberg für <strong>im</strong>mer verwiesen worden. Sie versprechen Gehorsam<br />

gegen die Kirche, ihre Konzilien, Ordnungen und Satzungen, verzichten auf Rache für<br />

ihre Haft und erkennen <strong>im</strong> Fall ihres neuen Abfalls der Obrigkeit das Recht zu, sie<br />

durch den Nachrichter mit Feuer oder Wasser vom Leben zum Tod zu bringen.“<br />

Der Vollständigkeit halber: Verfolgungen von Wiedertäufern in der Gegend um<br />

Knittlingen sind bis 1607 belegt. Wiederholt wurden auch Kuriere gestellt, die Briefe,<br />

die sie bei sich trugen, lassen ein reges Netzwerk und ein entschiedenes Festhalten an<br />

ihren Glaubensvorstellungen erkennen.<br />

Möglicher weise sind alle diese Ereignisse viel zu spektakulär, eventuell war die<br />

Ursache höchst banal, zum Beispiel ein auslaufender Pachtvertrag.<br />

Den Schrank zu zerlegen, erschien <strong>Faust</strong> wohl als die schlechtere Lösung, das Risiko,<br />

dass dabei einzelne Bauteile erheblich beschädigt würden, war zu groß.<br />

Den Schrank aus Knittlingen fort schaffen? Vielleicht wusste er nicht, wohin damit.<br />

Denkbar ist auch, dass er, nachdem er das Alter von fünfzig Jahren überschritten hatte,<br />

sich gewisse Gedanken über die Zukunft <strong>des</strong> geliebten Möbels machte.<br />

1534 wird Knittlingen zwangsreformiert. Hieß der Besitz eines derartigen Möbels bis<br />

dahin, sich möglichen Missverständnissen ausgesetzt zu sehen – insbesondere wenn<br />

man <strong>Faust</strong> hieß, so war nun gewiss der Zeitpunkt gekommen, den Schrank endgültig<br />

von der Bildfläche verschwinden zu lassen und anschließend abzureisen.<br />

Soweit zu den erkennbaren Ereignissen, die jene Art von Unruhe erzeugten, die es<br />

<strong>Faust</strong> als ratsam erscheinen ließen, seinen Schrank in Sicherheit zu bringen.<br />

<strong>Faust</strong> als Mensch, in seinem Wesen, in keinem der Quellentexte, selbst nicht in den<br />

von mir ausgewählten zwölf Indizien, nirgendwo wird uns sein Charakter sichtbar.<br />

Selbst dort, wo wir meinen, einen großsprecherischen Marktschreier zu erkennen, so<br />

ganz sicher sind wir uns <strong>des</strong>sen nicht. Schlicht <strong>des</strong>halb, weil wir nicht wissen, ob seine<br />

„starken Sprüche“ nur den Werbemethoden seiner Zeit entsprachen oder auch seiner<br />

persönlichen Selbsteinschätzung.<br />

Doch wie er <strong>im</strong> Halbdunkel der Scheune die Hacke in den Boden schlägt, wie er<br />

schaufelt, wie er den Unterstand für seinen Schrank z<strong>im</strong>mert, hier gilt es <strong>Faust</strong> über die<br />

Schulter zu schauen, nirgendwo sonst wird der Mensch <strong>Faust</strong> derart plastisch.<br />

Nirgendwo tritt der Widerspruch zwischen dem Marktschreier und dem Menschen<br />

<strong>Faust</strong> deutlicher zu Tage.<br />

Be<strong>im</strong> Verstecken <strong>des</strong> Schrankes, den damit verbundenen Überlegungen und Arbeiten<br />

werden Eigenschaften sichtbar, sie lassen darauf schließen, dass <strong>Faust</strong> nichts dem<br />

Zufall überließ, selbstredend auch nicht seine spektakulären Auftritte in der<br />

Öffentlichkeit.<br />

Er bedenkt alle Zufälle und Widrigkeiten und handelt dementsprechend folgerichtig und<br />

geht die Arbeitsschritte dann auch konsequent durch. Das Versteck <strong>des</strong> Schranks, die<br />

Ausführung selbst, zeigen Liebe bis zum letzten Detail.<br />

Die Sorgfalt, mit der <strong>Faust</strong> zu Werke ging, zeigt aber auch die Verehrung, die <strong>Faust</strong><br />

seinem Tabernakel erwies. Er balsamierte ihn ein, er baute eine Grablege, er schützte<br />

ihn mit größter Sorgfalt; wie einen Pharao, möchte man hinzufügen.<br />

Ich persönlich habe den Eindruck, <strong>Faust</strong> hat den Schrank weniger versteckt, er hat ihn<br />

bestattet. <strong>Faust</strong> hatte nicht vor, das Möbel wieder ans Tageslicht zu heben.<br />

„Also ich weiß nicht, der Schrank kommt mir wie eine billige Fälschung vor. Gerade<br />

damals in der Romantik, um 1820, wurde vor lauter Begeisterung für das Mittelalter<br />

soviel Zeug gefälscht …“<br />

„Dann bleibt zu klären, warum der hoch betriebsame Enthusiast vor lauter<br />

Begeisterung einen Schrank fälschte und ihn hinterher verbuddelte.“<br />

„Trotzdem! Das Hexagramm war auch das Zeichen der Brauer. Zwei ineinander<br />

geschobene Dreiecke, die Zeichen für Wasser und Feuer. Das Möbel kann genauso<br />

gut aus einem Zunfthaus der Brauer stammen!“<br />

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