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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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In den Dörfern sehen sich die Menschen mit der neuartigen Policey konfrontiert.<br />

Personen, die gegen ein Urteil Protest erheben, werden eingesperrt, sodann wird ein<br />

hohes Kostgeld erpresst. Ein Beamter gibt konfisziertes Diebesgut nicht heraus.<br />

Strafen und Gebühren werden willkürlich erhoben. Ein Beamter erhöht eigenmächtig<br />

das gerichtlich verhängte Bußgeld. Bei der Verfolgung wird die Engst<strong>im</strong>munität <strong>des</strong><br />

Hauses verletzt; je nach Region konnte es sich dabei um den gesamten überdachten<br />

Bereich handeln oder um den reinen Wohnbereich oder auch nur um die Schlafkammer.<br />

Und schnell sind die Vollzugsbeamten zur Hand, eine Familie auf die Straße zu jagen,<br />

die Steuerschuld aus eigener Tasche zu begleichen, anschließend die Hofstelle zu<br />

übernehmen und privilegiert zu bewirtschaften.<br />

Auch die Richter sind privilegiert, neben dem Richteramt sind ihnen steuerbefreite<br />

Unternehmungen gestattet. Recht zu sprechen und Handel zu treiben führt dann auch<br />

konsequenter Weise dazu, dass ein Richter schließlich 40% <strong>des</strong> Weinhandels einer<br />

fränkischen Stadt in Händen hält.<br />

So verschieden die regionalen Beweggründe für die Erhebung der Bauern waren, die<br />

veränderte Rechtspflege, die Durchsetzung derselben, die begleitenden Umstände und<br />

vielfältigen Konsequenzen daraus, waren eine der gemeinsamen Quellen wachsender<br />

Unzufriedenheit und Wut, die zum großen Bauernkrieg führten<br />

1540, fünfzehn Jahre nach dem Bauernkrieg, gibt Kurfürst Joach<strong>im</strong> II. von Brandenburg<br />

– ein sehr geldgieriger Fürst, dem brandenburgischen Adel die Erlaubnis zum<br />

„Bauernlegen“: Wüstungen, also aufgegebene Siedlungen und Höfe, dürfen den<br />

Rittergütern einverleibt werden, <strong>des</strong> Weiteren dürfen freie Bauern unter Einsatz aller<br />

Druckmittel zum Verkauf ihrer Höfe gezwungen werden. Die freien Bauern waren jene,<br />

die es über Jahrhunderte verstanden hatten, dem Status der Leibeigenschaft zu<br />

entgehen.<br />

Man kann die Entwicklung <strong>des</strong> Rechts und <strong>des</strong>sen Anwendung selbstredend auch<br />

völlig anders betrachten.<br />

F. Calasso in seinem „Medio Evo del Diritto“ von 1954: „Die Einheit beider Rechte<br />

wurzelt in der Unterordnung allen menschlichen Rechts, <strong>des</strong> geistlichen wie <strong>des</strong> weltlichen,<br />

unter die göttliche Gerechtigkeit. Kanonisches und römisches Recht waren also<br />

nur Erscheinungsformen der einen Rechtsidee.“<br />

„Der einen Rechtsidee!“ Was für eine Formulierung! Was für ein Anspruch!<br />

Andererseits, ein Italiener, an beiden Brüsten <strong>des</strong> Rechts genährt – an der einen, wie<br />

der andern – darf nicht anders schreiben.<br />

Lasse man ihm seinen Sonnenuntergang – und die Folterwerkzeuge unter dem Tisch.<br />

*<br />

Chinthugh bei Bagdad – über den Umgang mit Urkunden<br />

Chinthugh, irgendein Örtchen auf diesem Globus, derart unbedeutend, ganz gleich<br />

welche Variante seines Namen es sich zulegte, ob Kheitlingen oder Clüttelingen, es hat<br />

nur die eine Bedeutung, es existiert; eventuell irgendwo bei Bagdad.<br />

Wobei Chinthugh freilich eher auf Schottland weist, Knütelinge dagegen auf Schweden,<br />

Kheitlingen wiederum auf Arabien; ein verballhorntes „Sheik“, vielleicht auch abgeleitet<br />

von „Sheitan“, eine Art eingedeutschtes „Satanshausen“.<br />

Und jeder, der an einem schwarznebligen Herbstabend in Knittlingen anlangt, durch die<br />

Gassen <strong>des</strong> Städtchens stolpert, kann diese Sprachverwirrung auch körperlich erleben.<br />

Jenen Moment, da unvermittelt eine gewaltige Gestalt vor das nebelmüde Licht einer<br />

Laterne tritt. Verblüffung! Nasskalte Nebelsuppe sei Dank, es braucht nur ein Frösteln,<br />

um wieder zu wissen, dass man ganz gewiss nicht in Arabien gelandet ist, dennoch,<br />

die Verwirrung bleibt.<br />

Um sich Sicherheit zu schaffen, lässt man die Umrisse <strong>des</strong> Fremden vor dem Licht der<br />

Laterne hin und her gehen, und tritt schließlich näher. Man streckt die Hand aus und<br />

greift auf Metall, nasses kaltes Metall; noch eine Sache, die am kommenden Morgen in<br />

Augenschein genommen werden muss.<br />

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