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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Mann, denn wäre <strong>Faust</strong> ein derart schlechter Mensch gewesen, der nette Mann hätte<br />

ihn gewisslich nicht als Astrologen akzeptiert.“<br />

<strong>Faust</strong> wird sich von einem Besuch in Erfurt, damals eine Stadt mit etwa 6000<br />

Einwohnern, gewiss gute Einnahmen, sodann erste Kontakte zu interessanten Kunden<br />

aus dem Umland versprochen haben. Dass Erfurt auch Universitätsstadt war, war eine<br />

hübsche Dreingabe, hier konnte er wieder die Gebildeten ärgern.<br />

Die Namen derer, die sich um Mutianus scharten oder mit welchen er <strong>im</strong> Briefkontakt<br />

stand, lesen sich wie das „Who is Who“ der humanistischen Bewegung: Conrad Celtis,<br />

Johannes Reuchlin, Cornelius Aurelius, Johannes Trithemius, Alexander Hegius,<br />

Erasmus von Rotterdam, Konrad Peutinger, Willibald Pirckhe<strong>im</strong>er, Aggrippa von<br />

Netteshe<strong>im</strong>, Johannes Capellarius, Jodocus Beisselius, Geiler von Kaysersberg, Rudolf<br />

Agricola, Ulrich von Hutten, Willibald Pirckhe<strong>im</strong>er, Ulrich Zasius, Beatus Rhenanus,<br />

Joach<strong>im</strong> Camerarius, Helius Eobanus Hessus, Crotus Rubeanus, Justus Jonas, Georg<br />

Spalatin.<br />

Franz von Sickingen und Martin Luther, sie zählen nicht zu den Humanisten, doch auch<br />

mit ihnen stand er in Briefkontakt.<br />

Rufus Mutianus gefiel sich also als Drahtzieher. Besonders gern wirkte er dabei gegen<br />

das Papsttum, neben seinem Doktorhut hat er aus Italien eine Abscheu gegen den mit<br />

heiligen Worten verbrämten Pfrün<strong>des</strong>chacher und die Verderbtheit Roms mitgebracht.<br />

Dass er selbst eine Pfründe inne hat, die er sich – in der unverderbten Sprache jener<br />

Zeit gesagt, mit einem gekauften Doktorhut ergaunert hat, stört den Juristen und<br />

gelehrten Rom-Kritiker dabei genauso wenig, wie dass sein treuer Famulus – ein<br />

Mönch, von dem gleich die Rede sein wird, mit allem, was einen Rock trägt, um die<br />

Häuser jagt.<br />

Mit seiner Kritik an Rom liegt er auf der gewünschten Linie, der Ruf nach Reformen<br />

gefällt nicht nur einem Fürstbischof, sondern auch den weltlichen Fürsten und nicht<br />

zuletzt den Städten. Nicht allein <strong>des</strong>halb, weil sie ihre Hände in kirchliche<br />

Angelegenheiten schieben können, das große Feldgeschrei gegen Rom lässt die<br />

Menschen übersehen, in welchem Maß die deutschen Lan<strong>des</strong>fürsten die Leinen stetig<br />

straffer ziehen.<br />

Ein Mann, der so beharrlich <strong>im</strong> Verborgenen lebt, braucht einen Diener, der ihm<br />

Bücher, Materialien, Briefe besorgt und nicht zuletzt Kontakt hält, zwischen ihm,<br />

Mutianus in Gotha, und den Kapazitäten an der Universität in Erfurt. Dieser treue<br />

Geselle ist kein geringerer als der Empfänger <strong>des</strong> Schreibens. Es ist der Zisterzienser<br />

Henricus Urbanus, mit bürgerlichem Namen Heinrich Fastnacht aus Orb bei<br />

Gelnhausen.<br />

Zu dieser Zeit allerdings Hofmeister, also Verwalter jener Besitzungen, die das Kloster<br />

Georgenthal direkt in der Stadt Erfurt hat.<br />

Und in diesem Zusammenhang werden die Umstände <strong>des</strong> Briefes beinahe spannend.<br />

Henricus Urbanus lebt in Erfurt, Mutianus muss ihn nicht über <strong>Faust</strong> informieren, <strong>Faust</strong><br />

hat das längst selbst besorgt. Damit nicht genug, Henricus Urbanus besucht Mutianus<br />

in Gotha recht häufig, Mutianus hätte auch zu Hause bleiben können, der nächste<br />

Besuch seines Freun<strong>des</strong> war absehbar und dann hätte er sicher detailliert erfahren,<br />

welche Aufregung jüngst ein Handleser in Erfurt hervorrief.<br />

Doch Mutianus muss zu Ohren gekommen sein, dass sich in Erfurt etwas ganz<br />

Besonderes tut. Mutianus wartet nicht in „beata tranquillitate“ ab, er verlässt seine<br />

„Eremitage“ und macht sich die 24 Kilometer nach Erfurt persönlich auf den Weg.<br />

Anschließend setzt er seinen Freund schriftlich über einen törichten Wahrsager in<br />

Kenntnis; völlig unnötig, der Wirbel, den <strong>Faust</strong> veranstaltet, kann dem Freund nicht<br />

entgangen sein.<br />

Die Erklärung findet sich, wenn man bedenkt, dass sich Rufus Mutianus als Stichwortgeber<br />

gefällt. <strong>Faust</strong>, der Chiromant, hat nicht nur die „Ru<strong>des</strong>“ begeistert, seine<br />

„Handlesekunst“ hat vermutlich auch zu Diskussionen an der Universität geführt.<br />

Und nicht zuvorderst <strong>Faust</strong>, es müssen die zu vermutenden Diskussionen auf dem<br />

Campus gewesen sein, die Mutianus aufscheuchten. Ob er nun Konkurrenz, geistigen<br />

Unrat oder gar teuflischen Verrat an den „Künsten“ witterte, es bleibe offen, jedenfalls<br />

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