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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Bei Peter Egger<strong>des</strong> und Tilemann Heshusen handelte es sich um Abweichler der<br />

Wittenberger Schule; Rostock selbst folgte treu der Wittenberger Linie.<br />

Zur gefährlichen Lust am Korrespondieren und Publizieren, zur gnadenlosen<br />

Abrechnung mit kleinen und großen Inter<strong>im</strong>s-Kolloborateuren, gesellt sich dann eine<br />

ganz persönliche Eigenart Melanchthons, er redet gern. Nicht weiter tragisch, wenn da<br />

nicht an seinem Mittagstisch jene Studenten säßen, die ihm persönlich anvertraut<br />

wurden, deren Studien und Erziehung er überwachen muss. Und er redet offenbar sehr<br />

viel, unter anderem wohl auch darüber, was er in seinen Briefen schreibt. Später wird<br />

er sich damit verteidigen, dass er „gern scherze und plaudere“. Zu spät, seine<br />

Studenten sind zu ehrgeizigen Männern geworden und sie haben keine Skrupel der<br />

Welt zu erzählen, was sie an seinem Tisch gehört haben. „Es schadet uns kein<br />

schl<strong>im</strong>merer Feind, als der <strong>im</strong> Haus mit uns vereint.“ wusste bereits Sebastian Brant,<br />

und dieser Feind ist besonders eklig, wenn er mit dem ehemaligen Lehrer persönliche<br />

Rechnungen offen hat. Gemäß „MBW“ schien es sich so zu verhalten, dass es <strong>im</strong><br />

Hause Melanchthons keine Privatsphäre gab, dass jeder von jedem bis ins Detail alles<br />

mitbekam, freilich auch Dinge ertragen musste, die ihm persönlich gar nicht behagten.<br />

Und Melanchthon hatte wohl auch seine Eigenheiten. So schwierig es ist, aus „MBW“<br />

zulässige Aussagen zu ziehen, es wurde bereits deutlich, Melanchthon ist furchtsam.<br />

Doch das ist nur die eine Seite <strong>des</strong> Menschen Melanchthon.<br />

„Er glaube wohl, dass er auf Grund seiner Bildung überall mitreden könne“<br />

wetterleuchtet es in einem Brief um 1522. „Er könne die herablassende Art, mit der<br />

Melanchthon theologische Fragen behandle, nicht mehr ertragen“ heißt es wiederholt in<br />

Schreiben um 1538. Und 1557 schreibt der ehemalige Schüler Nikolaus Gallus von<br />

einem „selbstgefälligen Brief Melanchthons“ und „M. besitzt systematische Fähigkeiten,<br />

ist aber voreingenommen und hat Papstallüren.“<br />

Zur Aufhellung sei ein Schriftwechsel gereicht, zu <strong>des</strong>sen Zeitpunkt Melanchthon<br />

gerade 22 Jahre jung war, Erasmus von Rotterdam hingegen bereits 50 Jahre zählte.<br />

5. / 9. Januar 1519, Melanchthon in Leipzig an Erasmus von Rotterdam in Löwen:<br />

Er bedauere, dass er durch die Verleumdung eines Windbeutels bei Erasmus in<br />

Verdacht gekommen sei, <strong>des</strong>sen Paraphrase zum Römerbrief kritisieren zu wollen. Er<br />

versichert, dass ihm solches schlecht anstehe; lediglich be<strong>im</strong> ersten Lesen sei ihm<br />

einiges zu weitläufig erschienen. Er bittet Erasmus, ihm zu verzeihen.<br />

Am 22. Jan. 1519 antwortet Erasmus: Nicht ein Windbeutel hat ihm Melanchthons<br />

abfälliges Urteil hinterbracht, sondern ein gemeinsamer Freund (ungenannt) hat<br />

beiläufig erwähnt, dass Melanchthon Kritik an der Übersetzung <strong>des</strong> Neuen Testaments<br />

geübt habe, über welches er Melanchthon eher ein gutes Urteil abgenommen hätte als<br />

über die Paraphrase, wozu eine gute Kenntnis der alten Kommentatoren erforderlich<br />

wäre. Erasmus betont, dass ein fre<strong>im</strong>ütiges aber fundiertes Urteil seine Freundschaft<br />

nicht beeinträchtigen könne. Er lobt Melanchthons „Hymnus auf die Engel“, er macht<br />

eine kritische Äußerung zur Polemik in Melanchthons Vorrede in „De corrigendis<br />

adulescentiae studiis“. … Er schreibt weiter, Melanchthon solle sich schonen.<br />

Sobald es um Bücher geht, dann quälen Melanchthon also keine Ängste mehr, dann ist<br />

er sehr von sich überzeugt, dann wird er kess bis unvorsichtig. Allerdings vergaloppiert<br />

er sich wohl gelegentlich und steht dann leider nicht dazu. Der Flucht in die Frechheit<br />

eines Ausspruchs wie der eines nachgeborenen Schwaben: „Was interessiert mich<br />

mein Geschwätz von gestern“, versagt er sich ebenfalls. Er duckt sich weg.<br />

Die Briefschreiberei, das schnelle Veröffentlichen, das liebe Reden und seine Art, sich<br />

schlank zu machen, so er sich in eine missliche Lage manövrierte, diese Unarten<br />

verwinden sich in der letzten Dekade seines Lebens zu einem festen Strick, den er sich<br />

mit Beginn der Inter<strong>im</strong>sverhandlungen selbst um die Handgelenke wickelt, und mit<br />

seinen Überlegungen inwieweit die Protestanten bei der Umsetzung <strong>des</strong> Augsburger<br />

Inter<strong>im</strong> nachgeben könnten, zieht er die Fessel zu.<br />

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