12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Auch Bütner hat bei Manlius geschöpft, jedoch Melanchthons Geburtsort Bretten<br />

eingefügt. Interessant ist dabei, er ignoriert sowohl das „Kundling“ <strong>des</strong> Manlius-Textes,<br />

als auch das „Knütlingen“ <strong>des</strong> Autors Lerchhe<strong>im</strong>er. Er spricht von „Kündlingen“.<br />

1597 schreibt Augustin Lerche<strong>im</strong>er in der 3.Ausgabe von „Christlich bedencken vnd<br />

erinnerung von Zauberey“: „Er ist bürtig gewesen auß e<strong>im</strong> flecken Knütling / ligt <strong>im</strong><br />

Wirtemberger lande an der Pfältzischen grentze. War eine weile schulmeister vnder<br />

Franz von Sickinge bey Creuznach…“<br />

Ein Text, der neben dem Manlius-Text auch vom Brief <strong>des</strong> Trithemius lebt. Erstmalig<br />

wird die Auskunft <strong>des</strong> Manlius „nicht weit von meinem Vatterland“, mit „Pfältzischer<br />

grentze“ konkretisiert. Übrigens, „Knütlingen“ heißt es in seinem Werk von 1585, nun<br />

zwölf Jahre später, schreibt er von „Knütling“; die kleine Abweichung stört ihn nicht.<br />

Im „Regenten-Spiegel“ von 1606 notiert Thomas Birck: „(<strong>Faust</strong> hat) hin vunnd wider so<br />

lang vagiert, / biß er entlich in einem Flecken in Württenberg darauß er auch / nicht weit<br />

von Knitlingen (wie Philippus selbst schreibt) bürtig war / zu Nacht vom Teuffel mit<br />

umbgedrehtem Halß erwürgt worden.“<br />

Abgesehen davon, dass <strong>Faust</strong> erst der Hals umgedreht und er dann auch noch erwürgt<br />

wurde, wie kommt es, dass <strong>Faust</strong>s To<strong>des</strong>ort nun identisch mit dem Geburtsort ist?<br />

Birck schöpfte bei Lerche<strong>im</strong>er. Was bei dieser „Schöpfung“ unterlief, wird klar, sobald<br />

man betrachtet, was Lerche<strong>im</strong>er über <strong>Faust</strong>s Geburts- und sodann über den To<strong>des</strong>ort<br />

schreibt:<br />

„Er ist bürtig gewesen auß e<strong>im</strong> flecken Knütling / ligt <strong>im</strong> Wirtemberger lande…“<br />

„… vom teufel erwürget in e<strong>im</strong> dorffe <strong>im</strong> land zu Wirtemberg“.<br />

Obgleich ein Flecken kein Dorf ist, Birck hat offenkundig die beiden Orte in<br />

„Wirtemberg“ zu einem Ort, nämlich Knittlingen, zusammengezogen.<br />

Übrigens, völlig unbeeindruckt vom Erfolg der „Historia“ schreibt Birck von „Knitlingen<br />

(wie Philippus selbst schreibt)“. Auch Birck hat offenbar keinerlei Zweifel, dass<br />

Melanchthon hinter dem Manlius-Text steht, die schreiende Diskrepanz zwischen<br />

„Kundling“ und seinem „Knitlingen“ beunruhigt auch ihn nicht, obgleich er auf den<br />

Bürgen „(wie Philippus selbst schreibt)“ hohen Wert legt.<br />

In „Daemonomagia“ (Gespensterzauberei) von 1607 notiert Philipp Ludwig Elch den<br />

Anfang <strong>des</strong> Manlius-Textes: „(<strong>Faust</strong>us) ex Knüdtling oppidulo oriundus“.<br />

1632 schreibt Cunrad Dieterichs in „Weißheit Salomons“: „Wie es vmb Johan <strong>Faust</strong>us<br />

bewandt / ist fast männiglich (vielen) bewust und bekandt. Er hat gelebt zu Lutheri vnd<br />

Philippi zeiten / ist allernechst bey Knüttlingen in dem Wirtemberger Land dahe<strong>im</strong> …“<br />

An anderer Stelle notiert er: „Johann <strong>Faust</strong> / da er lang Gauckelspiel genug getrieben /<br />

ist er in seiner He<strong>im</strong>ath zu nacht von dem Teuffel mit vmbgetrehetem Halß in seiner<br />

Kammer erwürget worde.“<br />

Dieterichs hat also das Birck´sche Missverständnis übernommen.<br />

1642 schreibt Dieterichs in seiner „Ecclesiastes“ (Prediger): „Johann <strong>Faust</strong>en / der<br />

endtlich / da er lang gekünstlet / vom Teuffel an Stucken in se<strong>im</strong> Heymath bei<br />

Knittlingen zerrissen.“<br />

Hier spricht nicht mehr der Historiker, sondern der Prediger, folglich wird <strong>Faust</strong> zerfetzt.<br />

Auch Dieterichs gebrauchte innerhalb von zehn Jahren zwei verschiedene Schreibweisen<br />

für Knittlingen.<br />

1587 wurde die „Historia“ gedruckt. Die Autoren der „Historia“ ignorieren nicht allein<br />

das „Kundling“ <strong>des</strong> Manlius sowie das „Knütlingen“ <strong>des</strong> Professors Lerche<strong>im</strong>er, sie<br />

behaupten frei, <strong>Faust</strong> sei gebürtig in Roda (heute: Stadtroda) gewesen. Nicht minder<br />

aufschlussreich, nachfolgende Autoren kümmert das „Roda“ der „Historia“ nicht, sie<br />

schreiben von Knittlingen.<br />

Diese kurz gefasste Betrachtung jener Textstellen den Geburtsort betreffend, eine<br />

Generation und mehr nach <strong>Faust</strong>s Tod notiert, zeigt das Dilemma der Forschung,<br />

Knittlingen, wenn nicht über Sachindizien, so doch wenigstens über weitere schriftliche<br />

Zeugnisse festzumachen.<br />

Viel mehr als das, was Manlius als Zeuge der zweiten Reihe bereits notierte und was<br />

sein „Kollege“ Lerche<strong>im</strong>er <strong>im</strong>mer wieder bestätigte, ist nicht zu holen. Zumin<strong>des</strong>t nicht<br />

auf den ersten Blick. Aufschlussreich sind allerdings die Attacken Lerche<strong>im</strong>ers gegen<br />

116

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!