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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Trotz „Raben Augurium“, „Studentenunruhen“ und anderen delikaten Häppchen, die<br />

viel zu interessant sind, um sie zu unterschlagen, die kleine Auswahl macht bereits<br />

deutlich, Philipp Melanchthon war entschieden mehr als nur ein Professor der<br />

Universität in Wittenberg, er war mit den politischen Geschäften – freilich auch mit den<br />

damit verbundenen Rechtsfragen, auf hoher Ebene vertraut; er hat als Ratgeber<br />

mitgewirkt.<br />

Dass sich in den hinterlassenen Briefen kein Hinweis in Sachen „Maulbronn“ findet,<br />

besagt wenig oder auch – so man will, bereits sehr viel, denn die Reformierung<br />

Württembergs war für den Protestantismus viel zu wichtig, als dass sie Melanchthon<br />

nicht berührt hätte. Auch fanden <strong>im</strong>mer wieder gehe<strong>im</strong>e Unterredungen statt, es waren<br />

Boten unterwegs, es pendelten Unterhändler. Und sicherlich nicht von ungefähr<br />

bekam Melanchthon zum Ende seines Besuchs in Tübingen von Herzog Ulrich 100<br />

Gulden geschenkt. Summa Summarum scheint der Schluß zulässig, dass<br />

Melanchthon eben doch mit der Reformierung Maulbronns befasst war – eine<br />

Schlussfolgerung, die allerdings abseits von jenem „Band 10, Orte A – Z und Itinerar“<br />

durch den Inhalt der Briefe Melanchthons selbst völlig widerlegt wird.<br />

„MBW“ bestätigt, dass Melanchthon gemeinsam mit anderen Reformatoren und<br />

Theologen für die protestantischen Fürsten laufend Gutachten und Positionspapiere<br />

erstellte, die Briefe offenbaren jedoch auch, dass Melanchthon und Luther in vielen<br />

Fragen mit den protestantischen Fürsten nicht einig gingen. So hintertrieben sie die<br />

Ausweitung <strong>des</strong> Schmalkaldischen Bun<strong>des</strong>, da sie einen Konflikt mit dem Kaiser<br />

fürchteten. Über Herzog Ulrich selbst waren Camerarius und Melanchthon der<br />

Auffassung, dass er besser nicht nach Württemberg zurückkehre, sie befürchteten<br />

Unruhen. Und was die Reformierung Maulbronns angeht, so bringt Melanchthon seine<br />

Meinung über die Einziehung von Kirchengut in seinem Schreiben vom 25.6.1539 an<br />

Camerarius auf den Punkt: Die Habgier auf Kirchengüter verzeihe er allein den<br />

Städten, die zum Unterhalt ihrer Kirchen auf Kirchengut angewiesen sind.<br />

Einer der großen Vorwürfe, derer sich die protestantischen Fürsten laufend erwehren<br />

mussten, lautete auf „Räuberei von Kirchengut“, einer der wichtigsten Gründe dafür,<br />

dass kirchliche Gebäude meist als Schulen und Spitäler der öffentlichen Nutzung<br />

zugeführt wurden, beziehungsweise die Erträge der selbstbewirtschafteten Landwirtschaft<br />

für Stipendien verwendet wurden. Was bestenfalls eine herzige Augenwischerei<br />

war, da mit der Reformation ganze Landstriche den Eigentümer wechselten.<br />

Abgesehen von den vorgenannten Gründen, Melanchthon war mit Arbeit nicht nur<br />

überladen, er war mit Arbeit zugeworfen, er war mit Dringlicherem befasst als mit der<br />

Reformierung eines einzelnen Klosters.<br />

Wiederholt erzählen die Briefe, dass Luther krank ist, bzw noch <strong>im</strong>mer krank sei, doch<br />

auch über sich selbst schreibt Melanchthon häufig, dass er sich unwohl fühlt.<br />

Verständlich, er ist nicht nur Lehrer, er ist zeitweise auch Rektor der Universität von<br />

Wittenberg. Daneben schreibt er an mehreren Büchern, überarbeitet bereits publizierte<br />

Werke, er fertigt Gutachten, dazu hat er täglich einen anspruchsvollen Briefverkehr zu<br />

bewältigen – nach allen Seiten giert er nach Informationen. Massiv bedrücken ihn<br />

auch die offenen Fragen der evangelischen Glaubensauslegung. Heute noch geläufig<br />

sind die Differenzen mit den Zwinglianern, dass unter den Protestanten das Sektieren,<br />

die Schwärmerei, das Aufhetzen, das Unruhestiften fröhliche Urstände feierte, ist<br />

kaum mehr bekannt. Es gibt die Böhmischen Brüder, es gibt die Donatisten, in<br />

Preussen breiten sich die Sakramentarier aus und <strong>im</strong>mer wieder greifen reformierte<br />

Prediger Teile der lutherischen Lehre an. Nicht zuletzt sind die Wiedertäufer aktiv, sie<br />

bringen die gesamte Reformbewegung in Verruf, sie lehnen u. a. die Erbsünde und<br />

den Waffendienst ab. Gemäß kaiserlichem Mandat sind sie quasi eine subversivkr<strong>im</strong>inelle<br />

Vereinigung zwecks Zerstörung der äußeren Ordnung; die Mitgliedschaft<br />

wird mit der To<strong>des</strong>strafe geahndet, die allerdings meist nur an Rädelsführern<br />

vollzogen wurde.<br />

Wiederholt äußert Melanchthon in seinen Briefen den Wunsch, er möchte nur noch<br />

seine Studien leben. Dass Melanchthon sich also für die Reformierung Maulbronns<br />

interessiert hätte, es spricht alles dagegen.<br />

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