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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Doch liest man auch, dass Melanchthon einen gewissen Bartholomäus Schrack aus<br />

der Steiermark empfiehlt, der aus Gefälligkeit zum Magister promoviert wurde, Caspar<br />

Peucer, der Schwiegersohn Melanchthons, erfreute sich an <strong>des</strong>sen Musikalität. Nicht<br />

weniger bedenklich, Melanchthon bittet einen Autor umgehend 500 Exemplare einer<br />

Abhandlung nach Wittenberg zu senden, er, Melanchthon, werde das Werk auf die<br />

Vorankündigung der nächsten Vorlesungen setzen; Marketing nennt man das heute,<br />

wobei jedoch Melanchthon in dieser Zeit häufig von der Armut der Studenten schreibt.<br />

„MBW“ klärt auch den Begriff „Wucher“. Für Melanchthon ist ein Zinssatz von 5%<br />

zulässig, ein Zinssatz von 20% und mehr, sei hingegen Wucher. Die merkwürdige<br />

Spanne zwischen 5% und 20% erklärt sich vermutlich dadurch, dass bei der<br />

galoppierenden Inflation in jener Zeit der Kreditgeber bei Gewährung eines Zinssatzes<br />

von 5% sich selbst schädigte. Diese Inflation ist es auch, die die Studenten verarmen<br />

lässt, die Kosten stiegen, die Höhe der Stipendien blieb unverändert.<br />

Geradezu schockiert verfolgt man, wie die deutschen Fürsten nach 1546, mit Beginn<br />

<strong>des</strong> Schmalkaldischen Kriegs, Deutschland in ein Chaos stürzen.<br />

Sengend und mordend ziehen die Heere verschiedener Fürsten und Grafen durch die<br />

Landschaften, teils um ihre Rivalitäten auszutragen, teils um den Menschen die wahre<br />

Religion zu bringen, um sie ungeachtet <strong>des</strong>sen <strong>im</strong> gleichen Augenblick totzuschlagen.<br />

Dazu aus einem Brief an Calvin vom 1. Okt. 1552: Niederlage eines Heeres <strong>des</strong> Kg.<br />

Ferdinand in Ungarn gegen die Türken; Türkenzug <strong>des</strong> Kf. Moritz von Sachsen.<br />

Kriegshandlungen <strong>des</strong> Mgf. Albrecht von Brandenburg-Kulmbach um Nürnberg, um<br />

Frankfurt und in den Bistümern Mainz und Trier. Kaiser Karl sammelt in Speyer<br />

Truppen gegen diesen und gegen Kg. Heinrich II. von Frankreich, <strong>des</strong>sen Heer in der<br />

Diözese Lüttich ist. Volrad, der Sohn <strong>des</strong> Gf. Mansfeld stellt bei Bremen ein Heer auf,<br />

um Mansfeld zu erobern.<br />

Der Schmalkaldische Krieg war ein siebenjähriger Krieg und er war das erste Bühnenbild<br />

<strong>des</strong> Dreißigjährigen Kriegs; dieser endete mit dem Frieden von Münster <strong>im</strong> Jahr<br />

1648.<br />

Dass der Zar nach der Ostsee greift, die Türken nach und nach Ungarn besetzen und<br />

schließlich Wien in Schrecken versetzen, berührt Kaiser und Fürsten offenbar wenig.<br />

Freilich werden in den Briefen gelegentlich Schlachten mit den Türken erwähnt, doch<br />

auch, dass es wiederholt Seuchen sind, die das türkische Heer auseinander treiben,<br />

dass Rivalitäten unter den Söhnen <strong>des</strong> Sultans den Ansturm bremsen, und nicht<br />

zuletzt, dass es die Perser sind, die mit ihren Feldzügen und Aufständen die Türken<br />

vom Angriff auf Österreich abhalten.<br />

Mit Blick auf die katholische Kirche möchte man annehmen, dass die Inhalte <strong>des</strong><br />

Protestantismus durch Luther, Melanchthon und deren Mitstreiter ausformuliert wurden<br />

– weit gefehlt. „MBW“ zeigt, die Reformatoren hatten zu allen offenen Fragen, wie<br />

Taufe, Zölibat oder Tabernakel, lediglich eine Erörterung zu liefern, der Fürst bedachte<br />

sich und entschied. Ob Befugnisse eines Bischofs, Ritus und zum Teil auch<br />

Glaubensinhalte, bis ins Detail wurde es vom Fürst, dem Herrn der jeweiligen<br />

Lan<strong>des</strong>kirche, festgesetzt. Selbst bei der Suche nach Eintracht unter den<br />

Evangelischen wurde den Reformatoren wenig Boden eingeräumt. Am 12. Okt. 1537<br />

schreibt Melanchthon an Camerarius, dass er in Anwesenheit <strong>des</strong> Kürfürsten von den<br />

Räten wegen seines Briefes an Jakob Schenck über den Abendmahlsempfang<br />

(Laienkelch) zur Rechenschaft gezogen werde. Es würde ihm nicht leid tun, so er aus<br />

seinen Fesseln entlassen würde und er sich ganz dem humanistischen Unterricht<br />

widmen könnte.<br />

Diese Abhängigkeit vom Lan<strong>des</strong>herrn blieb bis 1918 festgeschrieben; also steht selbst<br />

noch in „Evangelisches Kirchengesangsbuch für den Konsistorialbezirk Cassel“ von<br />

1906 zu lesen: „Ausgabe für die lutherischen Gemeinden. Herausgegeben vom<br />

Königlichen Konsistorium zu Cassel unter Mitwirkung <strong>des</strong> Gesamt-Synodal-<br />

Ausschusses. Cassel 1906 / Hof- und Waisenhaus-Buchdruckerei.“<br />

Wenn er als neuer Kleinpapst das Laufen erst noch lernen musste, wie selbstbewusst<br />

der Kurfürst von Sachsen bereits in seiner neuen Macht agierte, belegen die<br />

Instruktion <strong>des</strong> Kurfürsten vom 25. Okt. 1521, seine Anweisung vom 2. Jan. 1522,<br />

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