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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Das Horoskop und das dazugehörige Fachchinesisch waren <strong>Faust</strong>s <strong>Visier</strong>, es ging<br />

niemanden etwas an, dass seine Prognosen das Resultat von Kontakten, Recherche<br />

und gewiss auch eines geschulten Verstan<strong>des</strong> waren.<br />

Was nicht heißen muss, dass <strong>Faust</strong> sich nur noch auf seinen Verstand verließ und<br />

sich innerlich vollkommen von der Astrologie abgewandt hätte; er ist ein Kind seiner<br />

Zeit. Gutmöglich sah er sich durch die Astrologie herausgefordert, denn gelegentlich<br />

st<strong>im</strong>mten die Sterne mit dem überein, was er be<strong>im</strong> Wunsch eines Kunden sich selbst<br />

bereits gedacht hatte, andere Male besagten sie etwas völlig anderes.<br />

Diese „Differenz“ zu ergründen, es könnte ihn gereizt haben.<br />

Doch bis zur Klärung musste <strong>Faust</strong> sich in der „Todsünde der Astrologie“ üben; er ließ<br />

bei der Ausdeutungen der „Neigung“ gelegentlich ein Wissen einfließen, das rein gar<br />

nichts mit den Sternen zu tun hatte.<br />

<strong>Faust</strong> hatte also Macht, und es muss ihm ein Genuss gewesen, als kleiner Niemand,<br />

als einer, der noch nicht einmal eine Universität besucht hatte, be<strong>im</strong> Spiel der Großen<br />

mitzuspielen. Die Faszination <strong>des</strong> Horoskops, die Sucht jener Zeit nach Prognosen,<br />

glichen nahezu alles aus, was ihm, der er vermutlich von niederem Stand war,<br />

normaler Weise versagt geblieben wäre.<br />

Ob Johannes Virdung nun <strong>Faust</strong> so dringend erwartete, weil er astrologischen Rat<br />

brauchte, oder unter dem Vorwand der Astrologie diesem „Rebellen“ mal ganz<br />

persönlich auf den Zahn fühlen wollte, muss offen bleiben. Auch wenn Virdung sich<br />

gleichfalls in der „Todsünde der Astrologie“ übte, aus seinen hinterlassenen Schriften<br />

ist ersichtlich, er wurde der Astrologie nicht untreu.<br />

Der Fürstbischof Georg III. von Bamberg schenkte <strong>Faust</strong> zehn Gulden; es darf doch<br />

sehr bezweifelt werden, ob es sich dabei um das Honorar für das Horoskop nach<br />

Geburtsstunde handelte. Schließlich zählte der Fürstbischof bereits fünfzig Jahre, er<br />

brauchte best<strong>im</strong>mt keine Hilfe mehr für die Wahl <strong>des</strong> richtigen Berufs. Die generösen<br />

zehn Gulden erlauben die Vermutung, dass er von <strong>Faust</strong> brisante Informationen erhielt.<br />

Welche Informationen das gewesen könnten, ein Blick in das Geschichtsbuch hilft<br />

weiter. „Neun Zehntel von Deutschland erheben das Feldgeschrei „Luther““, meldet der<br />

päpstliche Legat Hieronymus Alexander nach Rom, „und das übrige Zehntel<br />

wenigstens „Tod dem römischen Hof“, und „jedermann verlangt und schreit nach einem<br />

Konzil.“<br />

Und während das Volk seine Wut und Hoffnungen lebt, üben sich geistliche wie<br />

weltliche Würdenträger <strong>im</strong> Beobachten, <strong>im</strong> Belauern. Tage und Wochen, in denen man<br />

viel verlieren, allerdings auch einiges gewinnen kann - Information ist alles. Da braucht<br />

man einen <strong>Faust</strong>; einen, der auf den Straßen die Menschen ablauscht, einen, der sich<br />

in den richtigen Häusern über die Macht der Sterne, über Gott und Luther und die Welt<br />

unterhält.<br />

So wird verständlich, warum <strong>Faust</strong> überfordert ist, als Philipp von Hutten ihn darum<br />

bittet, die Zukunft hinterm Horizont, jenseits <strong>des</strong> großen Wassers zu lesen. Es wird <strong>im</strong><br />

Essay „Nachtsitzungen“ noch deutlich werden, wie gewissenhaft der ehrgeizige<br />

„Astrologe“ <strong>Faust</strong> – zumin<strong>des</strong>t seine noblen Kunden, bediente. Es ist zu vermuten,<br />

dass er selbst eine Reise nicht scheute, um bei entsprechenden Personen jene<br />

Informationen abzugreifen, die er für die Ausarbeitung einer verlässlichen „Prognose“<br />

benötigte. Doch mit Philipp von Huttens Bestellung eines Reisehoroskops saß <strong>Faust</strong> in<br />

der Zwickmühle. Venezuela in der Neuen Welt war weit weg, er konnte keine<br />

Nachrichten einholen. Anderseits durfte er die Prognostikation nicht verweigern, Philipp<br />

von Huttens Bekanntenkreis wäre darüber mehr als nur erstaunt gewesen.<br />

Andererseits ging es um ein Unternehmen, das sich nicht nur über Jahre hinziehen<br />

würde, bereits die Überfahrt war gefährlich. Und vielleicht wusste <strong>Faust</strong> längst, was<br />

sein Kunde dann vor Ort selbst erfahren und am eigenen Leib erleben würde, dass<br />

man überm Ozean nicht nur „Goldinseln und nackte Leut“ gefunden hatte, sondern „ein<br />

Grauen, was Ungeziefers als Schlangen, Kroten, Heydechsen, Ottern… die Indianer…<br />

ein sehr Ernst und wehrhaft Volk…“. Philipp von Huttens Abenteuer war gutmöglich<br />

eine Reise ohne Wiederkehr, <strong>Faust</strong> entschied, bei der Formulierung <strong>des</strong> Horoskops<br />

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