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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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ösen „Reuchlinstreit“ hautnah miterlebte, als Luthers Paladin hat er keine Skrupel das<br />

unreine Buch dem Landgraf von Hessen zu reichen, „wegen wahrlich viel nützlicher<br />

Lehre“.<br />

Andererseits, wer wollte den Gelehrten jener Zeit ihren Mangel an Engagement<br />

verübeln. Nicht anders als heute, beißt keiner die Hand, die ihn füttert. Alle diese<br />

Gelehrten waren auf das Wohlwollen ihrer geistlichen oder weltlichen Fürsten<br />

angewiesen, von diesen hatten sie ihre Ämter erhalten. Den Universitäten waren Stifte<br />

angegliedert; die Bezahlung der Professoren erfolgte über die mit der Stiftung<br />

verbundene Pfründe. Das konnten Mietshäuser, landwirtschaftliche Erträge oder auch<br />

Anteile von Abgaben der Bevölkerung sein. Eine Pfründe wird auch heute noch als<br />

Max<strong>im</strong>um an Einkünften bei einem Min<strong>im</strong>um an Aufwand definiert. Bei aller Plausibilität<br />

die Bezahlung der Amtsinhaber auf diese Weise sicherzustellen, es blieb dem Inhaber<br />

der Pfründe überlassen, auf welche Weise er die Pflege der Pfründe sicherstellte.<br />

Meistens entschied man sich für schlecht ausgebildetes Personal. Das Erlangen, die<br />

Weitergabe einer Pfründe, blieb in der damaligen Feudalgesellschaft nur wenigen<br />

vorbehalten; es zählten Verwandtschaft und Beziehungen. Daneben wurden Pfründe<br />

als Anerkennung vergeben, um Beziehungen zu knüpfen oder um Wohlverhalten zu<br />

erzeugen.<br />

Wegen eines Standpunkts eine Pfründe zu riskieren, es wäre unklug gewesen.<br />

Der Vollständigkeit halber sei auch die Sinekure genannt, sie steht heute für den Begriff<br />

<strong>des</strong> leichten Verdienstes. „Sine cura an<strong>im</strong>arum“ bedeutet: Einkommen ohne Pflicht zur<br />

Seelsorge. Eine Sinekure war gleichsam eine Kapitalanlage, so mancher Bischof<br />

schenkte seinem Neffen – meist handelte es sich dabei um den eigenen Sohn – eine<br />

Sinekure. „Gottesjunker“ nannte das Volk dann den Dreijährigen, der zwar noch nicht<br />

den Griffel zu führen wusste, aber über eine Sinekure bereits lebenslänglich versorgt<br />

war.<br />

Paracelsus und Agrippa von Netteshe<strong>im</strong> sind beredte Beispiele für Menschen mit<br />

Standpunkten, sie waren ihr halbes Leben auf der Flucht; ein derartiges Leben ist nicht<br />

jedermanns Sache.<br />

Mit ihrer Kritik an den Zuständen der Kirche trugen auch die Humanisten zur Schaffung<br />

jenes Kl<strong>im</strong>a bei, in dem Luthers Gedanken Früchte trugen. Was jedoch nicht bedeutet,<br />

dass die Humanisten geschlossen Luther folgten. Erasmus von Rotterdam, Mutianus<br />

Rufus, Crotus Rubeanus und andere blieben der alten Kirche treu; zwar spottend und<br />

witzelnd, aber sie blieben ihr treu. Und gewiss nicht zuletzt: Reuchlin! Er bricht den<br />

Briefverkehr zu seinem Ziehsohn Melanchthon ab, seine Bibliothek - von Melanchthon<br />

heiß begehrt, vermacht er dem St. Michaelsstift in Pforzhe<strong>im</strong>, und wenige Monate<br />

bevor er an Gelbfieber erkrankt und stirbt, lässt er sich zum Priester weihen.<br />

Zu Luthers Erbitterung, nicht wenige der Humanisten, die ihn anfangs förderten,<br />

blieben nicht nur abseits, einige attackierten ihn später. Crotus Rubeanus, Luthers<br />

Studienfreund, hatte den streitbaren und lautstarken Dichter Ulrich von Hutten für<br />

Luther gewonnen, er selbst, inzwischen Universitätsrektor, hatte 1521 Luther einen<br />

feierlichen Empfang in Erfurt bereitet, doch <strong>im</strong> Jahr 1531 distanzierte er sich von<br />

Luther. Worauf Luther polterte: „Dieser Crotus! Eine Kröte und <strong>des</strong> Kardinals zu Mainz<br />

Tellerlecker!“<br />

Es sei daran erinnert, ganz gleich was Luther polterte und der Papst zürnte, die<br />

Humanisten beider Lager pflegten weiterhin regen Briefwechsel, sie mühten sich <strong>im</strong><br />

Religionsstreit zu vermitteln.<br />

Zu den Eigenschaften jener Gebildeten gehörten auch Arroganz und Dünkel<br />

gegenüber dem „gemeinen“ Volk. Doch selbst dieser Aussage stehen Brüche<br />

gegenüber. Die Gebildeten selbst sind Söhne von Bauern, Bürgern und Handwerkern.<br />

Und Reuchlin, Sohn eines weltlichen Verwalters eines Dominikanerstifts in Pforzhe<strong>im</strong>,<br />

verfasste Theaterstücke von subversiv moralischer Lektion; der Knecht haut seine<br />

Herrschaft über das Ohr, und dergleichen Inhalte mehr. Andere rühmten sich, dass sie<br />

die französische Sprache lernten, in Kneipen, unter dem gemeinen Volk. Nicht zuletzt<br />

Luther, er zählt zwar nicht zu den Humanisten, aber er war gebildet, und um seine<br />

Reformation in Bewegung zu halten und umzusetzen, bediente er sich – nachdem die<br />

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