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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Mit dem „Wiener Konkordat“ von 1448 beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte <strong>des</strong><br />

Rechts. Dieses Konkordat erlaubte das Einzelkonkordat; der einzelne Fürst traf seine<br />

Vereinbarung mit Rom über die künftige Zusammenarbeit u. v. a. m.<br />

Die Lan<strong>des</strong>fürsten, ebenso die freien Städte, greifen von dieser Zeit an, also bereits<br />

lange vor Luther, auch <strong>im</strong>mer stärker in kirchliche Angelegenheiten hinein.<br />

In diesem Zusammenhang beschneiden sie die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte,<br />

die unberechtigte Inanspruchnahme eines geistlichen Gerichts wird zunehmend<br />

verfolgt, während in die weltliche Rechtsprechung in verstärktem Maße römischkanonisches<br />

Recht in das überbrachte deutsche, germanische Recht einfließt.<br />

Dieses Ineinander, Miteinander und freilich auch Gegeneinander zweier Rechtswelten<br />

in diesen Jahrzehnten führte zu Fehlurteilen, zu unverständlichen Urteilen, zu<br />

Reibereien und Diskussionen darüber, was nun eigentlich Recht sei.<br />

Zustände, die einen schwäbischen Beamten zutiefst störten. Er machte sich an die<br />

Niederschrift <strong>des</strong> „Richterlich Klagspiegel“; das erste Rechtsbuch, das Inhalte römischkanonischen<br />

Rechts in allgemein verständlicher, auch volkstümlicher deutscher<br />

Sprache vermittelte. Es half den zu dieser Zeit zum größten Teil noch unstudierten<br />

weltlichen Richtern, Schöffen, Anklägern und Verteidigern, das einfließende römische<br />

Recht besser zu verstehen.<br />

In Verbindung mit der Entdeckung, dass man aus Textilien, genauer gesagt, aus<br />

gemahlenen Lumpen, Papier (1390) herstellen kann sowie der Erfindung <strong>des</strong><br />

Buchdrucks (1457), wurde der volkstümliche Klagspiegel zum Promotor der breiten<br />

Einführung römischen Rechts. Später war er die Grundlage der Bambergischen<br />

Halsgerichtsordnung, auf der wiederum die „Carolina“ aufbaute. Die volksnahe Sprache<br />

<strong>des</strong> Klagspiegels veranlasste nachfolgende Juristen das Werk auf dem neuesten Stand<br />

zu halten; trotz der „Carolina“ wurde es noch um 1600 nachgefragt und gedruckt.<br />

Der Verfasser <strong>des</strong> Klagspiegel, Conrad Heyden, studierter Jurist und Vorsteher der<br />

Stadtkanzlei in Schwäbisch Hall, hatte keinen Auftraggeber. Als er sich um 1436 an die<br />

Niederschrift machte, wollte er rein der Unkenntnis der Laien abhelfen.<br />

Nach: „Der Klagspiegel und sein Autor Conrad Heyden“ von Andreas Deutsch.<br />

1495 vereinbarten die Lan<strong>des</strong>fürsten, römisches Recht habe dort Vorrang, wo die<br />

Geltung <strong>des</strong> germanischen, deutschen Rechts nicht bewiesen sei. „Geltung“ bedeutet<br />

nicht „Gewohnheit“, heißt: Nun konnten auch die allerletzten Rud<strong>im</strong>ente „alten Rechts“<br />

abgeschafft werden.<br />

Das römische Recht aber ist den Menschen fremd, sie empfinden es als Willkür. Seine<br />

Umsetzung ist ein tiefer Eingriff in die überkommene bäuerliche Selbstverwaltung; die<br />

Dorfnobilitäten werden mehr und mehr in ihren richterlichen Zuständigkeiten<br />

eingeschränkt. Konnte sich vorher jeder über die Rechtsfindung unter der Linde als<br />

Zuschauer kundig machen und über die einzelnen Entscheidungen mit seinem<br />

Nächsten diskutieren, nun bleiben die Bänke zunehmend verwaist, das „Recht“ ist aus<br />

der Dorfgemeinschaft hinweg genommen; die Geschichtsschreibung bezeichnet es als<br />

Entmündigung.<br />

Jetzt muss man reisen, es muss das Gericht in der Stadt aufgesucht werden. Nicht nur,<br />

dass man von der Arbeit abgehalten wird, plötzlich muss man sich mit „Schriftkram“<br />

herum schlagen, wo man doch selbst nicht lesen und nicht schreiben kann, folglich sich<br />

an einen Schreiber wenden muss, der auch nur wieder Geld kostet.<br />

Die Gerichtskosten sind dabei nicht nur <strong>im</strong> Voraus zu entrichten, die Kostensätze<br />

werden laufend angehoben. Auch die Einnahmen aus der Verhängung von Strafgeldern<br />

machen das Gerichtswesen zu einer wichtigen städtischen, beziehungsweise<br />

fürstlichen Einnahmequelle.<br />

Die schrittweise Einführung <strong>des</strong> römischen Rechts schädigt die reichen Bauern zuletzt,<br />

als erstes trifft es die Kleinbauern, diese können die geforderten Gerichtskosten nicht<br />

<strong>im</strong> Voraus entrichten; sie verzichten auf die Durchsetzung ihres Rechts.<br />

Um der neuen Auffassung von Rechtspflege zügig Geltung zu verschaffen, sind die<br />

„neuen Staatsdiener“, nicht nur von Steuern befreit, es werden dafür Leute ausgewählt,<br />

die nicht weniger raubeinig als die Landbevölkerung sind.<br />

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